WiWo-Interview

Schmidt: Logisch, dass Amazon nach Deutschland kommt

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Berlin -

Kürzlich ist Amazon mit dem Kauf von PillPack in den USA in den Arzneimittelmarkt eingestiegen. Das könnte auch die Blaupause für den deutschen Markt sein. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hält das für einen „logischen Schritt“. Allerdings werde das wegen der besonderen Rahmenbedingungen in Deutschland noch Jahre dauern, sagte Schmidt in einem Interview mit der WirtschaftsWoche (WiWo). Bemerkenswert ist zudem, dass Schmidt im WiWo-Interview die ABDA-Forderung nach einem Rx-Versandverbot nicht wiederholt.

Amazon sei angesichts seiner Marktmacht schon eine „besondere Nummer“, so der ABDA-Präsident. Jeder, der Waren oder Dienstleistungen vor Ort anbiete, tue gut daran, darauf zu achten, was Amazon vorhabe. „Es beschäftigt und beunruhigt die deutschen Apotheker natürlich, wenn Amazon Arzneimittel versenden will“, sagte Schmidt.

Amazon arbeite immer nach demselben System: Der Konzern wolle eine Plattform schaffen und durch die dadurch entstehenden Skaleneffekte günstiger und schneller sein als andere. Schmidt: „Wenn man die Apothekenleistung rein als logistische Leistung versteht, dann ist das Modell von Amazon wahrscheinlich hocheffizient. Aber das tun wir in Deutschland nicht, wir verstehen unter Arzneimittelversorgung auch den persönlichen Kontakt und die persönliche Beratung sowie ein hohes Schutzniveau und unmittelbare Verfügbarkeit.“

Europa sei der größte Gesundheitsmarkt nach dem amerikanischen, und Deutschland sei darin das wichtigste Land. „Insofern wäre das nur der logische Schritt, dieses Geschäftsfeld auch hierzulande zu besetzen. Aber der Marktzugang hier ist nicht einfach. Das wird wohl kaum schnell gehen, das könnte noch einige Jahre dauern“, so der ABDA-Präsident. Um auf dem deutschen Markt Arzneimittel anbieten zu können, könne der Internetriese „auch eine der großen europäischen Arzneimittelversender erwerben, so wie der Konzern in den USA PillPack erworben hat“.

Den Rückgang der Apothekenanzahl in Deutschland führt Schmidt nicht ausschließlich auf Online-Apotheken zurück: „Seit 2010 haben wir etwa 10 Prozent verloren. Das hat viele Ursachen, zum Beispiel die Konkurrenz zwischen den Betrieben oder Nachwuchssorgen. Oder eben den Onlinehandel. Das Geschäftsmodell der öffentlichen Apotheke ist deshalb lange nicht mehr so risikoarm wie früher.“

Es sei wichtig, ein flächendeckendes Netz zu erhalten, so der ABDA-Präsident. Online helfe nicht, wenn ein Medikament akut gebraucht werde oder nachts am Wochenende. Online wolle oder könne nicht jeder. Und die Wege zu den Apotheken würden mit der schwindenden Zahl natürlich länger. Schmidt: „Das ist auch für ältere Patienten eine große Belastung. Wir fangen das vermehrt mit Botendiensten der Apotheken ab.“

Der entscheidende Punkt sei aber, dass die Menschen eine enge Bindung zu den Gesundheitseinrichtungen in ihrer Nähe eingingen: „Sie kennen ihren Hausarzt, sie haben auch ihre Stammapotheke. Und wenn die zumacht, ist das für viele nicht nur ein logistisches, sondern ein menschliches Problem.“

Nicht zulassen will Schmidt eine Lockerung des Mehrbesitzes: Der Sinn dahinter sei, dass jeder Apotheker in seinen Filialen vollständig verantwortlich sei, „für die Gesundheitsversorgung und die Wirtschaftlichkeit“. Bei mehr als drei Filialen gäbe es das Risiko, dass die wirtschaftliche Leitung die Apotheker vor Ort zu sehr darin beeinflussen könnte, „welche Mittel sie nun verkaufen oder wie sie beraten sollten“. „Das wäre schädlich“, findet Schmidt.

Auf die Frage nach den Folgen des EuGH-Urteils und den von ausländischen Versendern gewährten Boni antwortet Schmidt vorsichtig: „Klar, aber Dumping für alle ist nicht die Lösung. Wir kämpfen darum, dass der Preiskampf wieder abgeschafft wird. Wir wollen einen einheitlichen festen Preis für alle Menschen, egal wo sie wohnen und wie es ihnen geht.“

Die seit dem EuGH-Urteil von der ABDA stets erhobene Forderung nach einem Verbot des Rx-Versandhandels wiederholt der ABDA-Präsident an dieser Stelle nicht.

Der Arzneimittelversandhandel sei mit dem Preiswettbewerb im verschreibungsfreien Bereich groß geworden, so Schmidt weiter. Es gebe schon bedeutende deutsche Versandapotheken mit Millionenumsätzen. Preiswettbewerb bei Rezepten brauche es dafür nicht. Schmidt: „Ich glaube nicht, dass wir an den grundsätzlichen strukturellen Bedingungen etwas ändern müssen oder sollten. Da gibt es andere Gesundheitsbereiche, die dringender Veränderung nötig haben.“

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