Rx-Versandverbot

Schmidt: Es wird Gegenstimmen geben Lothar Klein, 28.11.2018 13:27 Uhr

Münster - 

Bei der Abstimmung in der ABDA-Mitgliederversammlung über die Vorschläge von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zum Apothekenmarkt rechnet ABDA-Präsident Friedemann Schmidt mit Gegenstimmen aus Kammern und Verbänden: „Es wird nicht gelingen, alle Mitgliedsorganisationen auf einen Weg einzuschwören“, sagte Schmidt bei der Mitgliederversammlung der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL). Er nannte keine Details aus den laufenden Gesprächen mit Spahn. In der Diskussion musste sich Schmidt viele kritische Fragen zur Arbeit der ABDA anhören.

Mit der Vorstellung von Spahns Plänen in der verschobenen Mitgliederversammlung am 11. Dezember werde „Transparenz“ hergestellt und eine erste Diskussion geführt, so Schmidt. Dann erhielten Kammern und Verbände vier Wochen Zeit für die Meinungsbildung. Voraussichtlich am 17. Januar werde in einer Sondersitzung die Abstimmung über Spahns Vorschläge erfolgen, kündigte Schmidt an. Das sichere die „maximale Beteiligungsmöglichkeit“ der Mitgliedsorganisationen. Schmidt stellte klar, dass die Mitgliederversammlung nicht über Ja oder Nein zu den Plänen des Gesundheitsministers abstimme: „Spahn braucht keine Zustimmung.“ Die Mitgliederversammlung stimme darüber ab, wie sie sich sich zum Paket verhalte: „Ob wir das akzeptieren oder Widerstand leisten.“

Schmidt sagte, es sei nicht Aufgabe der ABDA, „rote Linien“ für die Gespräche mit Spahn zu ziehen. Die ABDA verhandele auf der Basis der Beschlüsse ihrer Gremien. Schmidt legte dar, dass sich aus Sicht der ABDA-Führung die politischen Realitäten in den letzten sechs Monaten erheblich verändert haben: „Mit Hermann Gröhe und Volker Kauder haben wir zwei Unterstützer verloren. Die Zweifel an der politischen Durchsetzbarkeit des Rx-Versandverbotes sind gewachsen, es ist politisch nicht mehr realistisch.“ Das Thema sei keine juristische Frage mehr, sondern werde politisch entschieden. Schmidt: „Politik funktioniert so nicht, ist keine Wissenschaft.“ Da spielten „ganz viel Bauch, ganz viel Macht“ und „Entscheidungen aus Opportunitäten“ eine Rolle.

Laut Schmidt gibt es zudem „keine Chance“ mehr, eine Erhöhung des Apothekenhonorars über 8,35 Euro hinaus zu steigern oder zu dynamisieren. Deshalb habe man sich darauf verlegt, mit Honoraren für Dienstleistungen eine zweite Honorarsäule aufzubauen. Darüber werde mit Spahn im Rahmen des Apothekenpakets gesprochen. „Wir streben an, Dienstleistungen abzurechnen“, so der ABDA-Präsident. Keine Chance sieht Schmidt, den Versandhandel aus den Niederlanden durch Reglementierungen an die Kette zu legen. Das habe man vorgetragen, „das wäre schön“, sei aber nicht umsetzbar. Gesprochen werde mit dem BMG allerdings über klare Regelungen für sogenannte „Grenzapotheken“, die aus den Niederlanden ausschließlich nach Deutschland lieferten: „Damit beschäftigt sich das BMG.“

Schmidt warnte überdies davor, den Versandhandel mit Regulierungen zu überziehen und so auf Augenhöhe mit den Vor-Ort-Apotheken zu heben. Der Versandhandel sei ausdrücklich 2004 als Ausnahmeversorgung eingeführt worden. „Lassen Sie uns das Regel-Ausnahmeverhältnis nicht zerstören“, so der ABDA-Präsident, „er ist eine zweitklassige Versorgungsform. Wir sollten den Versandhandel daher nicht zu Rezepturen und zum Nacht- und Notdienst zwingen.“

Kritik gab es in der Diskussion an der Arbeit der ABDA. Wo sind die von Spahn geforderten Alternativvorschläge der ABDA zum Rx-Versandverbot? Wo sind die Gegenargumente zum 2hm-Gutachten? Warum gab es keine Hilfe der ABDA beim Valsartan-Fall? Wo ist die ABDA beim Thema Lieferengpässe? Warum nutzt die ABDA in Berlin nicht die guten Kontakte von Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening zu Gesundheitsminister Spahn?

An dieser Stelle mischte sich Overwiening persönlich ein: „Es wäre von Vorteil, wenn die ABDA über mich Spahn kontaktiert hätte. Ich frage mich, warum das nicht stärker genutzt wird?“ Sie hätte von der ABDA „geimpft“ werden können, um auf Spahn politisch einzuwirken. Von Schmidt gab es dazu keine Antwort.

Er wiederholte die Selbstkritik, das sich die ABDA-Führung seit dem EuGH-Urteil von Oktober 2016 zu stark auf das Rx-Versandverbot fokussiert und dabei andere Themen wie die Nachwuchsgewinnung aus den Augen verloren habe: „Ich finde, wie haben uns in eine Blockadehaltung begeben“, so Schmidt. Die ABDA müsse sich um die existenziellen Fragen kümmern wie Digitalisierung, die Einführung des E-Rezepts: „Wir müssen uns die Frage stellen, was sind die dramatischen Herausforderungen der nächsten Jahre.“ Laut Schmidt sollten sich die Apotheker „unabhängiger“ von der „Regulatorik“ des Berufsstandes machen, „das muss uns gelingen“. Spahn sei bereit, „mit uns große Schritte zu gehen“.

Mit Blick auf die anstehenden Vorschläge Spahns sagte der ABDA-Präsident: „Wir müssen uns am Ende entscheiden, was uns mehr Wert ist.“ Es gebe voraussichtlich nur noch im Jahr 2019 ein kurzes Zeitfenster für politische Entscheidungen. Niemand könne vorhersagen, welche Konsequenzen die Europawahl und die anschließenden drei Landtagswahlen nach sich zögen: „Es gibt keine politische Sicherheit.“

Mit Hinweis auf die Apothekenzahlen in Westfalen-Lippe forderte Overwiening rasche politische Entscheidungen. Im Kammerbezirk hätten 2018 erneut 41 Apotheken geschlossen, bei nur fünf Neugründungen. Damit sinke die Zahl der Apotheken im 13. Jahr hintereinander: „Wir sind auf dem Stand von 1979 abgekommen.“ Die Zahl der Apothekeninhaber habe sich seit 1972 sogar um 30 Prozent verringert. „Wir laufen in ein strukturelles Problem für die flächendeckende Versorgung. Das ist keine Bagatelle mehr“, so die Kammerpräsidentin.

Overwienig erinnert an ihren früheren Vorschlag der Honorarumverteilung zwischen den Apotheken. Es sei „makaber“, Angst vor Umverteilung zu schüren. Denn jede Schließung bedeute Umverteilung: „Wir müssen Dinge finden, die Flächendeckung zu erhalten. Wir müssen die Flächendeckung an oberste Stelle stellen und den Reformstau auflösen.“ Ihre Kritik an der ABDA verpackte Overwiening in eine Umfrage der Kammer: Danach sind zwei Drittel der Kammermitglieder mit der Interessenvertretung durch die Kammer zufrieden, aber nur ein Drittel mit der Arbeit der ABDA.

Mit auf den Weg gab die Kammerversammlung dem ABDA-Präsidenen eine Resolution. Darin unterstützt die Kammer Schmidt auf dem „vorgestellten Weg“ zur nachhaltigen Sicherung der inhabergeführten Apotheke. Es gelte dabei die Gleichpreisigkeit für Rx-Arzneimittel wiederherzustellen. Zum anderen müssten wichtige Handlungs- und Arbeitsfelder, eine angemessene Honorierung und zusätzliche Honorierung für patientenorientierte Dienstleistungen und die Beteiligung an der Digitalisierung bearbeitet werden. Außerdem fordert die Kammer, dass die ABDA eine „strukturelle und organisatorische Fortentwicklung“ einleitet, um die Interessen der Apotheker in der zunehmend dynamischeren Liberalisierung und Digitalisierung des berufliches Umfeldes „mit der notwendigen Einheitlichkeit, Schlagkraft und Durchsetzungskraft“ vertreten zu können.