Rx-Versandverbot

Kurswechsel mit SPD-Spitze abgestimmt Lothar Klein, 17.01.2017 12:09 Uhr

Berlin - 

Der Vorstoß von SPD-Fraktionsvize Professor Dr. Karl Lauterbach, als Gegenleistung für die Zustimmung zum Rx-Versandverbot die Zuzahlungen für Chroniker abzuschaffen, stößt auf Kritik. Krankenkassen wie Verbraucherschützer sehen zwischen beiden Sachverhalten keinen Zusammenhang. Nach Darstellung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) bestätigte Lauterbach seinen Kurswechsel, der mit der SPD-Spitze abgestimmt sein soll.

„Wir halten ein Versandhandelsverbot im 21. Jahrhundert nicht für zeitgemäß, und das würde sich auch durch eine Änderung bei den gesetzlichen Zuzahlungen nicht ändern“, sagte ein Sprecher des GKV-Spitzenverbandes gegenüber APOTHEKE ADHOC. Die Krankenkassen sparten aufgrund der Zuzahlungen jährlich gut zwei Milliarden Euro. Bislang gibt es keinen Vorschlag, wie die Verringerung der Ersparnis durch den vorgeschlagenen Zuzahlungsverzicht für Chroniker aufgefangen werden könnte.

Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) lehnt Lauterbachs Kompromissangebot ab: „Das ist eine sehr spannende Wendung“, sagt Gesundheitsexperte Kai Vogel. Er verstehe und unterstütze zwar das Anliegen, Zuzahlungen der Patienten abzuschaffen. Aber die Verknüpfung mit dem Rx-Versandverbot sei „nicht zielführend.“ Vogel: „Entweder es gibt Rx-Versandhandel oder nicht.“ Der vzbv lehne ein Rx-Versandverbot nach wie vor ab.

In der FAZ bestätigte Lauterbach seinen am Samstag in der Bild-Zeitung und via Twitter verkündeten Kurswechsel und kündigte an, darüber mit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zu reden. Das BMG nahm Lauterbachs Vorschlag zur Kenntnis und erklärte, alle Vorschläge würden geprüft.

Beim für Arzneimittel zuständigen Gesundheitspolitiker der Union stößt Lauterbachs Idee allerdings auf Skepsis: „Das ist ein Danaergeschenk, ein vergiftetes Angebot“, sagte Michael Hennrich gegenüber der FAZ. „Wenn nach dem Wegfall der Praxisgebühr jetzt auch noch die Zuzahlung für Arzneimittel für chronisch Kranke fällt, können wir Zuzahlung als Finanzierungsinstrument gleich ganz aufgeben.“ Es gehe um eine dreistelligen Millionenbetrag und darum, ob eine Patientengruppe bevorzugt werden dürfe.

Laut Darstellung der FAZ hat Lauterbach seinen Kurswechsel mit der SPD-Spitze abgesprochen und begründet ihn wie folgt: Chroniker benötigten viele Arzneimittel. Das EuGH-Urteil führe mit der Möglichkeit zur Gewährung von Rx-Boni zu einem Vorteil für die Betroffenen. Dieser Vorteil werde durch ein Verbot wieder genommen. Damit Chroniker durch ein Rx-Versandverbot keinen Nachteil erlitten, müsse ihnen die Zuzahlung in der Apotheke grundsätzlich erlassen werden, schreibt die FAZ mit Bezug auf Lauterbach.

Die Befreiung solle nur für Chroniker gelten. Alle anderen Patienten müssten weiter Zuzahlungen bis zu Höhe der Befreiungsgrenze leisten. Zuzahlungen für andere GKV-Leistungen sollen danach ebenfalls nicht angetastet werden.

Nach der letzten Statistik des BMG wurden im Jahr 2015 Zuzahlungen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro geleistet. Welcher Betrag davon auf chronisch Kranke entfällt, ist nicht erfasst. 5,2 Millionen Versicherte sind von Zuzahlungen befreit.

Laut Deutschem Apothekerverband (DAV) ist nur jedes fünfte Rabattarzneimittel teilweise oder komplett von der gesetzlichen Zuzahlung befreit. Im Vorjahr war es noch jedes dritte Medikament. Nach Berechnungen des DAV ist die Befreiungsquote zum Jahresbeginn auf 22,8 Prozent gefallen, nachdem sie Ende 2016 noch bei 31,6 Prozent gelegen hatte. Ursachen dafür seien das Auslaufen alter Rabattverträge und das Inkrafttreten neuer Rabattverträge zum Jahreswechsel. Krankenkassen können ihre Versicherten bei Rabattarzneimitteln von der Zuzahlung befreien. Das Sinken der Befreiungsquote bei Rabattvertragsarzneimittel sagt allerdings nichts über die Entwicklung des Umfangs der Zuzahlungen aus.

Seit dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober hatte Lauterbach mehrfach ein Rx-Versandverbot abgelehnt. Stattdessen hatte der SPD-Fraktionsvize Änderungen beim Apothekenhonorar ins Gespräch gebracht. Mitte Dezember kündigte Lauterbach Gegenvorschläge zum von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vorgeschlagenen Rx-Versandverbot an. Am Donnerstag trifft sich die Gesundheitspolitiker der SPD-Fraktion zu einer Klausur. Bislang gibt es von der AG Gesundheit noch keine öffentliche Reaktion auf Lauterbach.