Registrierkassen

Kabinett vertagt Schäubles Kassen-Polizei Lothar Klein, 26.05.2016 08:01 Uhr

Berlin - 

Eigentlich wollte die Bundesregierung bei ihrer Kabinettsklausur auf Schloss Meseberg den Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble für verschärfte Maßnahmen gegen den Steuerbetrug mit Kassensystemen verabschieden. Doch Schäubles Kabinettsentwurf wurde von der Tagesordnung gestrichen: Dem Vernehmen nach gibt es im Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und beim Normenkontrollrat Bedenken wegen der Bürokratiekosten. Außerdem waren gestern die Software- und Kassenhersteller zu einer internen Anhörung ins Bundesfinanzministerium (BMF) geladen. Jetzt soll die Ministerrunde am 15. Juni entscheiden.

Bei der Anhörung im BMF stieß vor allem der Verzicht Schäubles auf den Einsatz des Insika-Systems auf beinahe einhellige Kritik. Die Verbände werfen dem BMF vor, mit „unglaublichen und wahrheitswidrigen“ Argumenten Insika zu „diffamieren“. Die Ablehnungsgründe in ihren diversen Ausführungen wechsele das BMF je nach Bedarf. Das Ministerium habe zudem immer noch keine Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen vorgelegt und ignoriere derartige Berechnungen aus der Fachbranche.

Neben der ABDA und dem Deutschen Fachverband für Kassen- und Abrechnungssystemtechnik im bargeld- und bargeldlosen Zahlungsverkehr (DFKA) nahmen weitere 16 Verbände und sechs Kassenhersteller, darunter Casio, Vectron, WinccorNixdorf, Mulitdata, Quorion und Sharp an dem Treffen teil.

Allerdings ist kaum anzunehmen, dass sich die Beamten des BMF von der Kritik beeindrucken lassen. Teilnehmer empfanden die Anhörung als „Trauerspiel“. Man sei mit langatmigen Power-Point-Präsentationen und politischem Palaver hingehalten worden. Viele Detailfragen blieben demnach unbeantwortet.

Im März hatte Schäuble einen Referentenentwurf gegen Steuermanipulationen mit elektronischen Kassen vorgelegt: Demnach sollen Finanzbeamte auch in Apotheken unangemeldet Kassenprüfungen, Testkäufe und Observierungen vornehmen können. Dabei dürfen sie die Geschäftsräume betreten, in Ausnahmefällen auch die privaten Wohnräume gegen den Willen des Inhabers. Zudem werden die Kassensysteme lückenlos überwacht. Wer manipuliert, muss mit 25.000 Euro Strafe rechnen – zusätzlich zu den etwaigen Steuernachzahlungen.

Allerdings verzichtet Schäubles Gesetzentwurf auf die von der SPD geforderte Einführung einer Registrierkassen- und Belegausgabepflicht für alle Betriebe. Stattdessen setzt das BMF auf schärfere Kontrollen. „Durch eine unangekündigte Kassen-Nachschau besteht für den Steuerpflichtigen ein deutlich erhöhtes Entdeckungsrisiko. Sofern ein Anlass zu Beanstandungen der Kassenaufzeichnungen, -buchungen oder der technischen Sicherheitseinrichtung besteht, kann der Amtsträger ohne vorherige Prüfungsanordnung zur Außenprüfung übergehen“, heißt es im Referentenentwurf.

Die neue Kassen-Nachschau ist das zentrale Kontrollinstrument in Schäubles Plan: „Durch eine unangekündigte Kassen-Nachschau während der üblichen Geschäftszeiten des Steuerpflichtigen können Amtsträger Grundstücke und Räume von Steuerpflichtigen betreten, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit ausüben, um vor Ort die Ordnungsmäßigkeit der Kassenaufzeichnungen sowie der Kassenbuchführung prüfen“, heißt es im Gesetzentwurf.

Steuerfahnder erhalten zudem das Recht, verdeckt und inkognito in den Geschäftsräumen die Handhabung der Kassen zu observieren. Die Kassen-Nachschau gilt nicht nur im Fall elektronischer Kassenaufzeichnungssysteme, sondern „auch im Fall einer offenen Ladenkasse“. Damit könnten Steuerfahnder demnächst zum Beispiel auch Marktstände behelligen.

Nach Schätzung des BMF müssen circa 411.000 elektronische Registrierkassen ausgetauscht werden. 2,1 Millionen elektronische Kassensysteme können offenbar umgerüstet werden. Das BMF geht von insgesamt 2,1 Millionen betroffenen Kassen aus: 17 Millionen Euro soll die Umrüstung mit einem Sicherheitsmodul kosten und 26 Millionen Euro der Einbau.

Allerdings spricht sich das BMF gegen die verbindliche Einführung eines technischen Standards wie Insika aus. Die Insika-Smartcard entspreche nicht den europäischen Sicherheitsanforderungen. Stattdessen setzt das BMF auf ein „Zertifizierungsverfahren“. Dieses schreibt eine technische Sicherheitseinrichtung vor, die aus einem Sicherheitsmodul, einem Speichermedium und einer digitalen Schnittstelle besteht. Durch das Sicherheitsmodul soll jede digitale Aufzeichnung, jeder Geschäftsvorfall und auch Trainingsbuchungen protokolliert werden. Das Zertifizierungsverfahren sei „geeignet, die Integrität (Unveränderbarkeit) und Authentizität (Herkunft der Daten) zu sichern“.