Sind Zugaben zulässig?

Rabattaktion mit dem Impfzertifikat Alexander Müller, 14.06.2021 10:22 Uhr

Zertifikat plus Zugabe? Der digitale Impfpass könnte von einigen Apotheken als Marketinginstrument genutzt werden. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Nach der Verteilung von FFP2-Masken und den Teststellen stehen die Apotheken mit dem Ausstellen der Impfzertifikate ab heute wieder vor einer vollkommen neuen Aufgabe. Und wieder steht damit auch eine wettbewerbsrechtliche Frage im Raum: Was ist mit dem Honorar? Dürfen Apotheken Kunden locken, damit sie sich ihren Impfpass digitalisieren?

Das Honorar für das Ausstellen der Impfzertifikate ist in der Coronavirus-Impfverordnung (ImpfV) geregelt. Demnach „erhalten die Apotheken eine Vergütung in Höhe von 18 Euro“ und für die zeitgleiche Bestätigung der Zweitimpfung 6 Euro. Hier gibt es also zumindest keine eindeutige Formulierung wie „ist zu erheben“ oder ähnliches. Einige Inhaber:innen fragen sich daher, ob sie Zugaben geben dürfen.

Auch Rechtsanwalt Peter Kaumanns von der Kanzlei Terhaag und Partner aus Düsseldorf hat schon Nachfragen von Mandanten: „Bei uns ist das Thema nach den Maskenausgaben und den Test nun auch angekommen. Klar ist, dass einige Apotheken wieder progressiv werben und dementsprechende Marketingaktionen starten oder bereits gestartet haben.“ Zum einen sei die Vergütung der Zertifikate recht attraktiv, außerdem könnten Apotheken die Kundenbindung fördern oder neue Kunden gewinnen.

Bei der Werbung und Rabatten hat sich die Situation aus Kaumanns Sicht nicht wesentlich verändert: „Bei den Impfzertifikaten vor allem die bisherigen Grundsätze. Ich rate unseren Mandanten daher erst einmal, immer die bekannten gesetzlichen sowie von der Rechtsprechung entwickelten Vorgaben zu beachten. Dies sind vor allem die Regelungen zu Zugaben im Bereich der Heilmittelwerbung. Danach sind bekanntlich bis auf wenige Ausnahmen Zugaben zu Rezepten und Rezeptware sowie die Werbung dafür nicht erlaubt. Eine Koppelung samt Zugaben sollte daher, in welcher Ausgestaltung auch immer, möglichst vermieden werden.“

Bei den Impfzertifikaten gebe es zwar – anders als bei den FFP2-Masken – keine Eigenbeteiligung, auf die Apotheken verzichten können. Denkbar seien aber Rabatte, Zugaben oder Gutscheine. „Es könnte also wieder die Frage aufkommen, ob die Verordnung zur Abrechnung der Impfzertifikate eine Marktverhaltensregelung ist, die einen Wettbewerb der Apotheken hinsichtlich der Impfzertifikate verbietet“, so Kaumanns.

Allerdings hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG) in einem Verfahren um Masken-Rabatte kein Rabattverbot in der Verordnung erkennen können. „Das ist aus meiner Sicht auch im Bereich der Impfzertifikate fernliegend“, so Kaumanns. Es könne aber zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass diese Frage auch im Bereich der Impfzertifikate erneut aufgeworfen wird und es zu Abmahnung kommt. „Wie bei den Maskenverfahren gibt es keine Erfahrungswerte zur Werbung rund um Impfzertifikate.“

„Das Thema samt Marketing und Abrechnungsvorgängen ist ebenso wie bei den Maskenverfahren Neuland und kann daher wieder einige Überraschungen beinhalten“, so der Anwalt. Zuletzt bleibe immer die Unsicherheit, ob es vonseiten eines Abmahners eine vollkommen neue Idee gibt, die bisher „noch niemand auf dem Schirm hatte“, so Kaumanns.

Bei der Maskenabgabe haben die viele Landgerichte in verschiedenen Verfahren teilweise vollkommen unterschiedlich entschieden. „So hatte das Landgericht Düsseldorf den Verzicht auf die Eigenbeteiligung erstinstanzlich untersagt, dem ist dann auch das Landgericht Bochum gefolgt, andere Landgerichte dies aber teilweise ohne oder nach einer mündlichen Verhandlung abgelehnt“, fasst der Rechtsanwalt zusammen.

Dies sei eine unmittelbare Folge der Änderungen im Wettbewerbsrecht im Dezember 2020. Davor konnte sich der Abmahnende ein Gericht aussuchen, es galt der sogenannte fliegende Gerichtsstand. Durch die Änderung im Wettbewerbsrecht muss nun am Sitz des Unterlassungsgegner, also der Apotheke, geklagt werden. „Somit ergibt sich die Zuständigkeit diverser Landgerichte, die dann sehr unterschiedlich entscheiden können. Anstatt der bisherigen Konzentration auf nur wenige erfahrene Gericht mit oft einheitlichen Entscheidungen, führt die Gesetzesänderungen aus meiner Sicht nun zu einer Zersplitterung und teilweise sehr unterschiedlichen Entscheidungen.“