Kostenlose Verhütung

Projekt Biko: Gratis-Pille aus der Apotheke

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Berlin -

Die Einkommenssituation von Frauen hat starke Auswirkungen auf deren Verhütungsverhalten. Haben sie weniger Geld in der Tasche, vernachlässigen sie die Empfängnisverhütung – und sind sich dessen auch bewusst. Zu diesem Ergebnis kommt die Auswertung des Modellprojekts „Biko – Beratung, Information und Kostenübernahme bei Verhütung“ des Bundesverbandes Pro Familia. Seine Forderung: Frauen, die Transferleistungen beziehen oder ein ähnlich geringes Einkommen haben, sollen ihre Kontrazeptiva vom Staat erstattet bekommen. Die teilnehmenden Apotheker haben sich der Auswertung zufolge äußerst positiv zum Projekt geäußert.

„Familienplanung ist ein Menschenrecht“, postuliert Pro Familia: 1979 wurde das Recht auf Familienplanung in der UN-Frauenkonvention erstmals verbindlich festgeschrieben. 40 Jahre später gibt es bei dem Thema aber auch hierzulande noch Defizite, wie die nun erfolgte Auswertung des vom Bundesfrauenministerium geförderten Projekts Biko nahelegt. Zwischen 2016 und 2019 konnten sich Frauen, die von Hartz IV, Sozialhilfe, BAföG, Berufsausbildungsbeihilfe, Wohngeld oder Asylbewerberleistungen leben oder deren Einkommen unterhalb der Armutsgrenze liegt, in sieben deutschen Städten in den Beratungsstellen von Pro Familia informieren und einen Antrag auf Kostenübernahme stellen. Dazu erhielt Pro Familia ein Fördervolumen von knapp vier Millionen Euro. Die Verhütungsmittel rechneten die Apotheken dann direkt mit Pro Familia ab.

Während der Kernlaufzeit des Projekts von Juli 2017 bis Juni 2018 führte Pro Familia in Lübeck, Halle (Saale), Recklinghausen, Ludwigsfelde, Saarbrücken, Wilhelmshaven und Erfurt insgesamt 4751 Beratungsgespräche durch und erhielt 6104 Anfragen für Kostenübernahmen. Von denen wurden 4480 bewilligt. Die dabei erhobenen Daten wurden vom Evaluationsinstitut Camino ausgewertet und sollen einen Einblick in die Verhütungssituation von Frauen mit niedrigem Einkommen ermöglichen: „Regelmäßige Ausgaben wie für die Pille, aber auch hohe einmalige Kosten von bis zu 400 Euro für eine Spirale können das Budget von Frauen mit geringem Einkommen deutlich überschreiten“, fasst das Bundesfamilienministerium die Ergebnisse zusammen. „Sie verhüten daher unregelmäßiger, greifen zu weniger zuverlässigen Methoden oder verzichten sogar ganz auf Verhütung.“

Konkret heißt das: Die Hälfte aller Frauen gab in der Evaluationsbefragung an, dass sie ohne die finanzielle Unterstützung durch das Projekt entweder gar nicht oder nur mit einer deutlich unsicheren Methode verhüten würden. Dieses Ergebnis decke sich auch mit den denen einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts für Geschlechterfragen, wonach jede zweite Sozialleistungsempfängerin mit ihrem Verhütungsverhalten unzufrieden ist und es ändern würde, wenn die Mittel für sie kostenfrei zugänglich wären.

Eine weitere Erkenntnis ist die Heterogenität der Bedarfsgruppe: Nach Frauen, die Arbeitslosengeld II beziehen, waren die zweitgrößte Gruppe solche, die trotz einer Berufstätigkeit ein zu niedriges Einkommen haben. Auch Bezieherinnen von BAföG, Grundsicherung, Wohngeld, Asylbewerberleistungsleistungsgesetz und Ausbildungsförderung zählen zu den Anspruchsberechtigten. Von ihnen hat sich bei der Kostenübernahme mehr als die Hälfte für die Langzeitverhütungsmethoden Hormonspirale (40 Prozent) oder Kupferspirale (16 Prozent) entschieden. Mit 28 Prozent wollten etwas mehr als ein Viertel die Pille erstattet bekommen. Abgeschlagen folgen Kupferkette und Vaginalring (je 4 Prozent), Depotspritze (3 Prozent) sowie Hormonimplantat und Minipille (2 Prozent).

Daten wurden jedoch nicht nur von den verhütenden Frauen erhoben, sondern auch von involvierten Apothekern und Ärzten. Die scheinen das Modell fast ausnahmslos zu unterstützen: Von 205 befragten Apothekern und Frauenärzten haben demnach 99 und 98,1 Prozent angegeben, dass sie ihren Patientinnen die Inanspruchnahme des Projekts empfehlen. 95 Prozent der Apotheker, aber nur 71,6 Prozent der Ärzte, gaben demnach an, dass sie es für sinnvoll halten, wenn sich Frauen für die Beratung in Verhütungsfragen an Pro Familia wenden. Auch die jeweils zuständigen Landesapothekerverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen seien involviert gewesen.

Die Ergebnisse des Projekts sieht Pro Familia als Bestätigung für den Bedarf nach flächendeckender Erstattung von Verhütungsmitteln für Frauen in schwieriger wirtschaftlicher Lage. In einem zentralen Punkt widerspricht der Verein dabei seinem Förderer, dem Familienministerium: Auf dessen Initiative war nämlich mit dem „Gesetz zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch“ die Altersgrenze für die Kostenübernahme im SGB V heraufgesetzt worden. Seit März liegt sie nicht mehr bei 20, sondern bei 22 Jahren. Ein darüber hinausgehender Anspruch besteht nicht. „Die Ergebnisse zeigen, dass eine Altersbeschränkung, wie sie aktuell im § 24a SGB V existiert, nicht sinnvoll ist“, wendet Pro Familia dagegen ein.

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