Rezeptsammelstellen

Pick-up-Verbot für Vor-Ort-Apotheken Alexander Müller, 08.11.2016 10:47 Uhr

Berlin - 

Es gibt einen Unterschied zwischen dem Einsammeln von Rezepten und Rezeptsammelstellen. Während Pick-up eine „Spielart des Versandhandels“ ist, dürfen Vor-Ort-Apotheken nur nach Genehmigung in entlegenen Gebieten Rezepte einsammeln und Arzneimittel ausfahren. Eine Apotheke in Herne im Ruhrgebiet scheiterte vor Gericht mit dem Versuch, einen Mittelweg zu finden. Eine Ausnahme vom Rezeptsammelverbot greift laut Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen (VG) nur im Versandhandel.

In einem Edeka-Markt in Herne-Holsterhausen versucht die ortsansässige Pinguin-Apotheke von Dr. Kerstin Boje-Petzokat seit Dezember 2014 Rezepte abzufischen. Im Eingangsbereichs des Marktes gibt es einen zwei Meter großen Aufsteller mit Rezeptsammelbox; Bestellscheine und Briefumschläge liegen bereit. Wer bis 14 Uhr bestellt, bekommt seine Arzneimittel noch am selben Abend nach Hause geliefert. Früher war auch eine Abholung in der Apotheke möglich.

Zunächst war eine konkurrierende Apothekerin gegen das Modell vorgegangen. In zweiter Instanz verbot das Oberlandesgericht Hamm (OLG) den Service im Eilverfahren: Es handele sich um eine nicht genehmigte Rezeptsammelstelle im Sinne der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) und eben nicht um eine Pick-up-Stelle, da es keine Stelle zum Abholen von Medikamenten sei.

Die Pinguin-Apotheke passte ihr Konzept an: Seit Juni 2015 können die Kunden zwischen Lieferung durch den Botendienst oder Versand durch einen externen Dienstleister wählen – Inhaberin Boje-Petzokat verfügt über eine Versanderlaubnis. Die Konkurrentin beantragte vor dem OLG die Festsetzung eines Ordnungsgeldes, wegen des vermeintlichen Verstoßes gegen die frühere Entscheidung. Doch das OLG lehnte dies ab und erklärte das Modell für zulässig.

Zwischenzeitlich hatte sich aber auch die Aufsichtsbehörde eingeschaltet und im Februar 2015 ein Verbot der Rezeptsammlung im Edeka-Markt ausgesprochen. Dagegen klagte die Apothekerin vor dem VG Gelsenkirchen. Sie ist der Auffassung, es handele sich um eine „erlaubnisfreie Pick-up-Stelle“, die sie im Wege des Versandhandels betreibe.

Die Aufsichtsbehörde ließ sich – anders als das OLG – auch von dem geänderten Konzept nicht überzeugen: Im Juli 2015 teilte sie der Apotheke mit, dass sie weiterhin von einer ungenehmigten Rezeptsammelstelle in einem Gewerbebetrieb ausgehe. Im Oktober folgte eine Ordnungsverfügung. Die Apothekerin zog dagegen vor Gericht und betreibt die Pick-up-Stelle weiterhin.

Boje-Petzokat begründet die Klage unter anderem damit, dass der Begriff Pick-up-Stelle weit auszulegen sei. Die Medikamente müssten nicht zwangsläufig auch dort abgeholt werden. Auch sei im Versandhandel die Lieferung über einen externen Dienstleister keine zwingende Voraussetzung. Das Gesetz regele nur die Kriterien für die Logistiker, schreibe deren Nutzung aber nicht vor.

Das VG Gelsenkirchen teilte indes die Einschätzung der Aufsichtsbehörde, dass es sich um eine Rezeptsammelstelle handele. Diese sei nicht genehmigt, im Übrigen bestehe in Herne auch kein Anspruch darauf, schon gar nicht in einem Supermarkt. Der Bereich hinter den Kassen sei auch keine öffentliche Verkehrsfläche, sondern Teil des Edeka-Marktes.

Für die Richter ist der „tatsächlich praktizierte Vertriebsweg des Versandhandels“ entscheidend für die Einordnung, nicht die Versanderlaubnis der Apotheke. Typisch für den Versand sei, dass sich Kunde und Apotheker nicht persönlich begegneten und der Kundenkreis nicht örtlich abgegrenzt sei. „Das persönliche Einsammeln von Rezepten durch den Apotheker beziehungsweise sein Personal ist dagegen untypisch“, heißt es in der Urteilsbegründung.

Der Pinguin-Apotheke geht es den Richtern zufolge darum, die Kunden im benachbarten Stadtteil zu gewinnen. Das Bestellsystem sei deutlich darauf zugeschnitten. Denn innerhalb der Stadt gibt es nur die Option des Botendienstes. Die Versandoption werde nur für Lieferungen außerhalb von Herne angeboten und sei keine echte Alternative. Die Apotheke verlangt eine Versandgebühr in Höhe von 4,95 Euro, bei Paketen mit einem Gewicht von mehr als einem Kilo werden sogar 20 Euro Versandkosten fällig. „Es drängt sich daher der Eindruck auf, dass die 'Versandalternative' nur geschaffen worden ist, um den Eindruck eines 'Versandhandel' zu erwecken“, heißt es im Urteil.

Auch die Option zur Bestellung von OTC-Arzneimitteln deutete für die Richter eher darauf hin, dass es sich eher um eine Rezeptsammelstelle handele. Denn um nicht rezeptpflichtige Arzneimittel zu bestellen, müssten die Kunden auf den Bestellzetteln die PZN der Artikel angeben – die ihnen kaum bekannt sein dürfte.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hatte im Jahr 2008 Pick-up-Stellen als eine Spielart des Versandhandels bewertet und für zulässig erklärt. Das besage aber nicht, dass jede Pick-up-Stelle im Versandhandel betrieben werde, so das VG. Unabhängig davon sei die Rezeptsammelstelle der Pinguin-Apotheke eben keine Pick-up-Stelle, da im Edeka-Markt keine Waren abgeholt werden könnten. Und genau das bedeute Pick-up.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, und die Pinguin-Apotheke will auch weiter für ihre Pick-up-Stelle kämpfen. Immerhin hat das Landgericht Bochum das Modell im Hauptsacheverfahren gegen die konkurrierende Apotheke zwischenzeitlich auch für zulässig erklärt.