Bayer, Merck, Beiersdorf, Fresenius & Co

Pharmakonzerne boykottieren Facebook

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Berlin -

Auch die Barmer hat sich dem Werbeboykott gegen Facebook angeschlossen. Die Liste der Unternehmen ist bereits auf über 500 gewachsen, darunter Pharmagigant Pfizer und der Konsumgüterkonzern Unilever, aber auch immer mehr deutsche Pharmagrößen wie Bayer, Merck, Fresenius und Beiersdorf. Sie protestieren damit gegen den nachsichtigen Umgang des sozialen Netzwerks mit Hatespeech und rassistischer Hetze. Facebook-CEO Mark Zuckerberg zeigt sich bisher demonstrativ gelassen.

Als Werbetreibender will man sein Firmenlogo nicht zwischen rechter Hetze platziert sehen. Damit begründen die meisten Unternehmen, sich dem Boykott angeschlossen zu haben. So auch gestern die Barmer: Mit dem Schritt richte sich die Krankenkasse gegen die zunehmende Zahl von Beiträgen in den Netzwerken, die weitgehend ungehindert inakzeptable Inhalte postulieren. „Für Fake News, Mobbing und Hass darf es keinen Raum geben, weder offline noch online. Die Betreiber der Plattformen wie Facebook müssen ihrer Verantwortung gerecht werden. Sie sind aufgefordert, mehr gegen die negativen Tendenzen in den Netzwerken zu unternehmen“, so Marketingchef Christian Bock.

Solche Beiträge stünden nicht nur einem demokratischen und auf Fairness basierenden Dialog zwischen allen Menschen entgegen. Sie seien auch für ein gesundes Aufwachsen junger Menschen im digitalen Raum schädlich. Vor diesem Hintergrund werde die Barmer bis auf Weiteres keine Werbung in diesen Kanälen platzieren. Die Barmer ist nicht das erste und bei Weitem nicht das größte deutsche Unternehmen, das sich dem Boykott anschließt. Auch Schwergewichte wie VW, SAP und Henkel haben die Werbeetats für Facebook gestrichen. Auch Bayer hat sich der Kampagne angeschlossen: „Wir haben uns in den letzten Tagen dieser Initiative angeschlossen und werden Bayer-weit, sprich global und cross-divisional, im Juli keine Facebook-Anzeigen schalten“, so der Konzern. „Wir unterstützen die Chancengleichheit aller Menschen und stellen uns gegen Diskriminierung jeder Art. Dies erwarten wir auch von unseren Werbepartnern“, verkündete Fresenius dazu. Deutliche Worte fand auch ein Merck-Sprecher: „Jede Form von Diskriminierung widerspricht fundamental unseren Unternehmenswerten.“

Auch aus der internationalen Pharmaindustrie schlossen sich große Namen an, darunter Pfizer, Novartis, Takeda und AbbVie. Vor allem Pfizer könnte schmerzen: Der Konzern aus New York gehört zu den 25 größten Werbetreibenden auf Facebook. Mit Microsoft und Starbucks kommen nur zwei weitere Unternehmen aus der Top-Riege der Werbekunden vertreten. Es sei für das Unternehmen selbstverständlich, dass es seine Stimme erheben und aktiv werden müsse, um zu demonstrieren, dass es Hatespeech für inakzeptabel halte, so Pfizer in einer Mitteilung. „Wir verlangen heute von Facebook, proactive Schritte zu gehen, um sicherzustellen, dass seine Plattformen ein sicherer und vertrauensvoller Platz für alle Menschen sind“, so CEO Albert Bourla.

Die Boykottwelle gegen das soziale Netzwerk wächst seit dem 17. Juni kontinuierlich. An dem Tag hat eine Allianz zivilgesellschaftlicher Organisationen unter dem Namen „Stop Hate for Profit“ eine Kampagne gestartet, mit der sie Facebook zwingen will, seine redaktionellen Leitlinien zu ändern. „Was würden Sie mit 70 Milliarden Dollar machen?“, fragte zum Auftakt eine Anzeige in der Los Angeles Times die Leser der Zeitung. „Wir wissen, was Facebook damit gemacht hat“: nämlich weiße Nationalisten bestärkt und Aufrufe zur Gewalt gegen Menschen ermöglicht, die gegen Rassismus demonstrieren. „Könnten Sie auch schwarze Menschen schützen? Könnten sie Holocaust-Leugnung als Hetze markieren?“, fragt die Anzeige. „Ja, das könnten sie. Aber sie entscheiden sich aktiv dazu, es nicht zu tun.“

Rund 99 Prozent der 70 Milliarden US-Dollar der jährlichen Einnahmen von Facebook kommen aus dem Anzeigengeschäft. Nur über einen schmerzhaften Einnahmeneinbruch könne die Konzernleitung zu einem Umdenken bewegt werden, so die Idee hinter der Kampagne. Die teilnehmenden Konzerne sind angesichts der aktuellen Rassismus-Debatten in einer komfortablen Position, betonen Unterstützer: Die Teilnahme an der Kampagne biete bessere PR als entsprechende Werbeplatzierungen im selben Zeitraum. Gleiches betonen jedoch auch Kritiker: Die wenigsten Konzerne verpflichten sich demnach dazu, ein längeres oder endgültiges Aus ihrer Facebook-Werbeaktivitäten zu verkünden. Es handele sich bei dem Boykott eher um PR-Stunts der teilnehmenden Konzerne als um eine nachhaltige betriebswirtschaftliche Bedrohung des Geschäftsmodells von Facebook.

Dieser Argumentationslinie folgt auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg. Er demonstriert entsprechend Gelassenheit: „Wir werden weder unsere Geschäftspolitik noch unseren Ansatz zu irgendetwas ändern wegen der Gefahr für einen kleinen Teil unserer Einnahmen oder irgendeinem Prozentsatz unserer Einnahmen“, zitiert der britische Guardian Zuckerberg. Bei dem Boykott handele es sich eher um ein „Image- und Partner-Problem“ als ein wirtschaftliches, habe Zuckerberg in einer internen Mitteilung verlauten lassen, die dem Guardian vorliegt: „Meine Vermutung ist, dass diese Werbekunden schon bald wieder auf unsere Plattform zurückkehren.“

 

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