Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz

Paket gegen Lieferengpässe beschlossen APOTHEKE ADHOC, 13.02.2020 16:55 Uhr

Engpässe im Bundestag: Das GKV-FKG ist beschlossen. Foto: Andreas Domma
Berlin - 

Der Bundestag hat am Donnerstag mit dem Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) auch Maßnahmen gegen Lieferengpässe bei Medikamenten beschlossen. Verabschiedet wurden dafür Änderungen im Arzneimittelgesetz. Pharmafirmen können künftig verpflichtet werden, über ihre Bestände und die Produktion bestimmter Arzneimittel zu informieren. Bei Engpässen können die Behörden anordnen, dass die Firmen oder Großhändler mehr dieser Präparate auf Vorrat lagern. Das Gesetz soll Ende März in Kraft treten und bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrats. Den Verbänden reichen die Maßnahmen nicht aus.

Beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll ein Beirat eingerichtet werden, der die Versorgungslage ständig beobachtet. Das BfArM soll auf seiner Internetseite eine stets aktualisierte Liste sogenannter versorgungsrelevanter und versorgungskritischer Wirkstoffe veröffentlichen. Für Patienten wichtig: Sollte es zu Lieferschwierigkeiten bei bestimmten preisgünstigen Medikamenten kommen, können Apotheken dem Gesetz zufolge auch die teureren Arzneimittel mit dem gleichen Wirkstoff ausgeben, der Patient zahlt dafür nichts.

„Wir machen den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen gerechter“, so Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). „Die Kassen sollen nicht um die besten Finanztricks konkurrieren, sondern um den besten Service, die beste Versorgung und das modernste digitale Angebot. Und wir setzen alles daran, damit Lieferengpässe bei Arzneimitteln künftig vermieden werden können. Denn Patienten erwarten zu Recht, dass sie dringend notwendige Medikamente schnell bekommen. Deswegen wird der Bund bei der Verteilung von Medikamenten stärker eingreifen als bisher.“

Die ABDA bezeichnet das Gesetz als wichtigen Schritt in die richtige Richtung, der aber noch nicht weit genug gehe. „Lieferengpässe müssen an mehreren Fronten bekämpft werden“, sagte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. „Dass Patienten künftig keine Mehrkosten mehr bei Nichtlieferbarkeit mehr fürchten müssen und Präparate leichter ausgetauscht werden können, ist fair und vernünftig. Das erleichtert auch die Versorgung in den Apotheken, denn statt über Geld kann wieder mehr über die Therapie gesprochen werden.“ Schmidt weiter: „Auch strengere Meldepflichten für Hersteller und Großhändler bei Lieferengpässen sind richtig.“ Dass der Jour Fixe beim BfArM in einen Beirat umgewandelt werde und mehr Kompetenzen erhalte, sei ebenfalls begrüßenswert. „Die Apotheker werden sich dort aktiv einbringen.“

Allerdings bleibe er skeptisch: „Der hohe zeitliche und organisatorische Mehraufwand durch Lieferengpässe in den Apotheken wird weiterhin nicht honoriert. Da wird aber hart gearbeitet, und das muss auch vergütet werden.“ Es gebe hier genauso dringenden Handlungsbedarf wie bei den ungelösten ordnungspolitischen Problemen. „Wir haben immer noch keine Klarheit in Sachen einheitlicher Abgabepreise für verschreibungspflichtige Arzneimittel“, so Schmidt mit Verweis auf das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG). „Es muss dringend in den Bundestag eingebracht und verabschiedet werden. Zugleich muss es für das kommende E-Rezept einen verbindlichen Rahmen mit einem echten Makelverbot geben, damit sich nicht Dritte zwischen Arzt, Patient und Apotheke schieben, um aus der Manipulation von Patienten und dem Handel mit E-Rezepten Kapital zu schlagen. Wir brauchen Klarheit, auch damit sich wieder mehr junge Apothekerinnen und Apotheker in die Selbständigkeit wagen – gerade in ländlichen Regionen.“

Die beiden Pharmaverbände BAH und BPI kritisierten die Maßnahmen: Das Gesetz ändere nichts am Kernproblem der Lieferengpässe: „Solange der Gesetzgeber nicht die verminderte Anbietervielfalt durch Rabattverträge als eine Ursache für die Lieferengpass-Problematik angeht, wird sich die Versorgungssituation nicht wesentlich verbessern“, konstatiert BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen. Es fehle eine gesetzliche Regelung für die Mehrfachvergabe bei Rabattverträgen und verpflichtende Zuschläge an mindestens drei Anbieter. Reine ordnungspolitische Regelungen und noch mehr Regulierung führten nicht zu einer besseren Versorgung. Der Kern des Problems werde komplett außer Acht gelassen. Verantwortlich für Lieferengpässe seien zum Teil politisch hausgemachte Rahmenbedingungen, bei denen immer weniger Anbieter auf noch weniger Wirkstoffhersteller zurückgreifen müssten, weil die großen Kassen durch ihre Marktmacht den Preis beeinflussen.

Fakt sei: Rabattverträge seien mitverantwortlich für Lieferengpässe von Arzneimitteln. Sie führten zu einer Marktverengung. „Die Bundesregierung vernachlässigt damit die Grundversorgung mit Arzneimitteln“, so Joachimsen: „Die Zeit läuft uns davon, und das Problem der Lieferengpässe wird in den nächsten Jahren weiter an Brisanz gewinnen.“ Gut sei, dass unter bestimmten Bedingungen für Reserveantibiotika automatisch ein Zusatznutzen gelten solle.

Der BAH betonte, die im FKG vorgesehenen Regelungen erhöhten den Aufwand der Hersteller, etwa im Hinblick auf die erweiterten Meldepflichten, ohne jedoch die eigentlichen Ursachen anzugehen. „Mehr Transparenz bedeutet nicht automatisch mehr Liefersicherheit. Es ist daher zweifelhaft, ob die angeordneten Maßnahmen dieses Ziel erreichen“, sagt Hauptgeschäftsführer Dr. Hubertus Cranz. Wichtig sei vielmehr, dass die Versorgung auf mehrere Schultern verteilt werde. Eine verbindliche Mehrfachvergabe von Rabattverträgen sei daher ratsam, so Cranz. „Zudem brauchen wir Anreize in Richtung europäische oder deutsche Produktionsstätten, um so die Liefersicherheit zu erhöhen. Daher begrüßen wir es, dass sich die Bundesregierung im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft weiter mit der Thematik befassen und gemeinsam mit unseren europäischen Partnern Lösungen erarbeiten will“, sagte Cranz.