„Angela Merkel muss jetzt schnell handeln“

NRW-SPD-Chef: Spahn „nicht mehr tragbar“ APOTHEKE ADHOC, 16.03.2021 12:42 Uhr aktualisiert am 16.03.2021 13:41 Uhr

„Mit seinem Job überfordert“: Der designierte Vorsitzende der NRW-SPD, Thomas Kutschaty, fordert, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) aus dem Amt zu entfernen. Foto: SPD NRW
Berlin - 

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) muss immer härtere Kritik einstecken. Während Parteichef Armin Laschet an ihm festhält, ist der designierte Vorsitzende der nordrhein-westfälischen SPD besonders deutlich geworden: Spahn sei „mit seinem Job überfordert“, kritisiert Thomas Kutschaty. Als Gesundheitsminister sei er „nicht mehr tragbar“.

Kein Politikbereich sei so sehr auf das Vertrauen der Menschen angewiesen wie die Gesundheitspolitik – dieses Vertrauen aber habe Spahn „schwer beschädigt“ und sei dadurch „zu einer großen Belastung für die Bundesregierung geworden“, so Kutschaty gegenüber dem „Spiegel“. „Erst hat er bei der Beschaffung der Impfstoffe versagt, dann bei der Teststrategie“, kritisiert der derzeitige SPD-Fraktionschef im Landtag, der Anfang März zum Landesvorsitzenden seiner Partei gewählt wurde und dessen Bestätigung per Briefwahl als Formsache gilt. Die vorläufige Aussetzung der Impfungen mit dem AstraZeneca-Vakzin sei „ein Desaster“ und zeige, dass Spahn „mit seinem Job überfordert“ sei.

Dabei hat wohl noch am Montagmorgen eine enorme Lücke zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung geklafft: Noch Stunden vor Bekanntgabe des Impfstopps habe Spahns Haus mitgeteilt, weiter mit der Vakzine impfen zu wollen. Zeitgleich habe der Minister selbst in der Runde des CDU-Präsidiums von den angeblich großartigen Impffortschritten in Deutschland geschwärmt, über die man nur lauter reden müsse, damit das Volk sie erkennt, wie der Spiegel berichtet. In jeder Familie sei mittlerweile jemand geimpft und auch bei seinem Besuch in einem Impfzentrum habe er gut gelaunte Menschen angetroffen.

Auch mit seinem persönlichen Verhalten schade Spahn dem Vertrauen in die Politik, kritisiert Kutschaty nun – wenn er beispielsweise morgens im Bundestag an die Bürger appelliere, private Begegnungen zu vermeiden, sich selbst dann aber abends mit einem guten Dutzend Unternehmer zu einem Dinner treffe. Im Februar war öffentlich geworden, dass Spahn am Vorabend des Bekanntwerdens seiner Corona-Infektion in Leipzig bei einem Dinner mit mehreren Unternehmern um Parteispenden geworben hatte – explizit bis zu 9999 Euro, damit sie nicht ausgewiesen werden müssen. Am Morgen desselben Tages hatte er die Bürger aufgerufen, ihre sozialen Kontakte auf ein Minimum zu reduzieren. „Ein solcher Gesundheitsminister ist in dieser historischen Krise nicht mehr tragbar“, sagt Kutschaty deshalb nun. „Angela Merkel muss jetzt schnell handeln.“

In dieselbe Kerbe wie Kutschaty schlug am Dienstag Die Linke. „Zuerst die ungenügende Impfstoffbeschaffung und die mangelhafte Teststrategie, dann die wiederkehrenden Lieferkürzungen, und nun auch noch das Hin und Her bei dem Aussetzen des Astra-Zeneca-Impfstoffs: Das Maß ist voll!", Achim Kessler, der gesundheitspolitische Sprecher der Linken-Fraktion im Bundestag. „Die Bevölkerung hat das Vertrauen in die Krisenbewältigung des Gesundheitsministers und der Bundesregierung längst verloren. Eine Regierung, die in einer Pandemie nicht alle Mittel zu deren Bekämpfung ausschöpft, hat versagt. Wenn Gesundheitsminister Spahn nicht freiwillig zurücktritt, muss Bundeskanzlerin Angela Merkel ihn entlassen.“

Aus der SPD ist bereits seit längerem Kritik an Spahns Krisenmanagement zu hören – wenn auch bisher nicht so deutlich wie nun von Kutschaty. Mittlerweile sind allerdings auch aus der Union erste Stimmen zu vernehmen, die das Kind beim Namen nennen. So warf CSU-Generalsekretär Markus Blume ihm Versäumnisse beim Thema Schnelltests vor. „Tests sind die Brücke bis zum Impfangebot für alle. Aber leider sehen wir auch hier wieder: Es wurde zu spät, zu langsam, zu wenig bestellt. Man muss deutlich sagen, es sind wohl Fehler im Bundesgesundheitsministerium passiert. Jetzt muss endlich geliefert werden“, sagte Blume der Zeitung „Die Welt“.