Lieferengpass, aber kein Rabattvertrag

Nebivolol: Kassen retaxieren Mehrkosten APOTHEKE ADHOC, 25.03.2021 10:51 Uhr

Wer zahlt die Mehrkosten? Weichen Apotheken bei Engpässen auf Präparate über Festbetrag aus, müssen sie darauf achten, ob ein Rabattvertrag vorliegt oder nicht. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Bei Lieferengpässen müssen die Kassen die Mehrkosten übernehmen, so wurde es vor einem Jahr im Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (GKV-FKG) festgelegt. Doch die Regelung gilt explizit nur für Defekte bei Rabattarzneimitteln, wie einige Apotheken jetzt entsetzt feststellen müssen: Weil sie Nebivolol austauschten, erhielten sie jetzt die Quittung – in Form von Retaxationen. Die Apothekerverbände wissen von etlichen Fällen und weisen ihre Mitglieder auf das Problem hin.

Laut GKV-FKG müssen Patient:innen im Falle eines Lieferengpasses eventuell anfallende Mehrkosten nicht mehr aus eigener Tasche zahlen – allerdings nur, wenn für das verordnete Arzneimittel ein Rabattvertrag besteht. Die Vorgaben wurden im August entsprechend im Rahmenvertrag umgesetzt.

Das Problem: Für Nebivolol gab es zwar im vergangenen Jahr einen Lieferengpass, aber einige Kassen hatten keinen Rabattvertrag geschlossen, darunter die DAK. Laut Thüringer Apothekerverband (ThAV) gibt es etliche Fälle von Retaxationen, auch der Berliner Apotheker-Verein (BAV) weist aus diesem Anlass seine Mitglieder darauf hin, wie sich Taxbeanstandungen im Zusammenhang mit Mehrkosten vermeiden lassen.

Die Möglichkeit, Mehrkosten zulasten der Kasse abzurechnen, besteht demnach ausschließlich, wenn ein vorrangig abzugebenes Rabattarzneimittel nicht lieferbar ist und ausschließlich über dem Festbetrag versorgt werden kann. „Wenn ausschließlich Arzneimittel über dem Festbetrag zur Verfügung stehen, aber kein Rabattvertrag über ein nicht lieferbares Arzneimittel besteht, können die Mehrkosten nicht mit der Krankenkasse abgerechnet werden.“

Für die Abrechnung bei der Kasse müssen auf das Rezept die Sonder-PZN 02567024 sowie Faktor 2 oder 4 aufgedruckt werden. Muss der Versicherte dagegen die Mehrkosten selbst tragen, ist der Faktor 3 aufzudrucken. Die Software schlägt dann den Betrag nicht im Taxfeld der Kasse zu, sondern dem Versicherten.

Generell ist den Verbänden zufolge die Abgaberangfolge zu beachten und bei Arzneimitteln, die dem generischen Markt zugeordnet werden, eines der vier preisgünstigsten abzugeben. Sind diese defekt, kann das nächstteurere Präparat abgerechnet werden. Ist dieses ebenfalls nicht lieferbar, geht es eine Preisstufe höher. Wird das verordnete Arzneimittel dem importrelevanten Markt zugeordnet, fällt zuerst die Wahl auf ein Arzneimittel, das nicht teurer ist als das verordnete. Bei der Auswahl hat die Apotheke preisgünstige Importe bevorzugt abzugeben – das abgegebene Arzneimittel darf also nicht teurer sein als das preisgünstigste Parallelarzneimittel.

Scheiden alle Optionen entsprechend den Vorgaben des Rahmenvertrages aus, darf die Apotheke höherpreisig versorgen – oberhalb des Festbetrages. Der Preisanker muss nicht beachtet werden. Außerdem darf im importrelevanten Markt mit dem Original oder einem teureren Parallelarzneimittel versorgt werden.

Um die Nichtverfügbarkeit zu dokumentieren, genügt in diesen konkreten Fällen ein Großhandelsnachweis.

Nach § 129 Absatz 4c Sozialgesetzbuch (SGB) V müssen die Vertragspartner (Kasse und Unternehmen) eine bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten mit rabattierten Arzneimitteln sicherstellen. Ist ein rabattiertes Arzneimittel bei Rezeptvorlage nicht verfügbar, ist die Apotheke unmittelbar zur Abgabe eines lieferbaren wirkstoffgleichen Arzneimittels nach Maßgabe des § 129 Absatz 1 Satz 2 berechtigt.

Der Beitrag erschien im Original bei PTA IN LOVE. Jetzt kostenlosen Newsletter abonnieren.