Apothekenstärkungsgesetz

Nach vier Jahren: Bundestag winkt VOASG durch

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Berlin -

Der Bundestag hat soeben mit den Stimmen von Union und SPD das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken (VOASG) beschlossen. Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sorgt die Bundesregierung damit „für einen fairen Wettbewerb zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versandapotheken“. So soll für gesetzlich Versicherte künftig der gleiche Preis für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten – unabhängig davon, ob diese über eine Apotheke vor Ort oder eine EU-Versandapotheke bezogen werden. Apotheken sollen mit dem VOASG künftig mehr pharmazeutische Dienstleistungen anbieten und dafür auch mehr Geld erhalten. Das Gesetz soll noch in diesem Jahr in Kraft treten. Der Bundesrat muss noch zustimmen.

Als erste Rednerin musste Karin Maag (CDU) gleich noch einmal von vorne anfangen, weil Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) die SPD zur Ordnung rufen musste: Es sei eine Sache der Höflichkeit, Rednern im Bundestag zuzuhören – oder jedenfalls so zu tun als ob.

Laut Maag hat die Corona-Krise gezeigt, dass man sich auf die Apotheken verlassen kann. Mit viel persönlichem Einsatz und allen Unwägbarkeiten zum Trotz hätten sie mit viel persönlichem Einsatz die Versorgung sichergestellt. „Wir als Union teilen die Empörung über die Benachteiligung durch das EuGH-Urteil“, so Maag. Sie dankte der Abda, dass sie auf die Einbeziehung der Privatversicherten verzichtet habe, da es das Risiko von Boni hier praktisch nicht gebe.

Paul Viktor Podolay von der AfD warf der Großen Koalition vor, das Apothekensystem auszuhöhlen, und forderte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zum Rücktritt auf.

Für die SPD wetterte Sabine Dittmar gegen das lange debattierte Rx-Versandverbot. Nach vier Jahre könne man endlich vorerst einen Schlussstrich ziehen. Für die SPD sei der Versandhandel ein wichtiger Baustein, Hauptansprechpartner bleibe aber die Apotheke vor Ort. Richtig sei die Temperaturkontrolle für ausländische Versender. Auch die Anliegen der 270 Zyto-Apotheken habe man im Blick – auch wenn man derzeit keinen Handlungsbedarf gesehen und ursprünglich geplante Maßnahmen gestrichen habe.

Christine Aschenberg-Dugnus erklärte, dass die FDP den Änderungsanträgen sowohl zum Botenhonorar als auch zur Temperaturkontrolle zugestimmt habe. Nicht zustimmen könne man aber zur Gleichpreisigkeit, denn dies sei ein „durchschaubarer Trick“, um das EuGH-Urteil zu umgehen. Man könne sich keine zweite Maut leisten, so Aschenberg-Dugnus mit Blick auf die europarechtlichen Bedenken.

Ähnlich argumentierte Kordula Schulz-Asche (Grüne): Das VOASG sei eine „Finte des Gesundheitsministers“, um den EuGH „hinter die Tanne zu führen“. Apotheker müssten anders gestärkt werden. So sollte man sich darauf fokussieren, die Attraktivität des Berufs zu steigern. Die Apotheke vor Ort sei der Kern guter Patientenversorgung mit Medikamenten und mit Rat und Tat. Das VOASG erfülle diese Ansprüche nicht.

Harald Weinberg von der Linken geht das VOASG dagegen nicht weit genug: Eine Schnäppchenjagd im Internet und die Apotheke vor Ort nur im Notfall – das werde das System kollabieren lassen. Die Einführung von pharmazeutischen Dienstleistungen sei nur dazu da, „den Apothekerverband zu befrieden“. Er konnte sich den Hinweis nicht verkneifen, dass ausgerechnet die CDU-Spitze mit DocMorris-Masken aufgetreten sei. Diese 180-Grad-Kehrtwende werde man als Linke aber nicht mitmachen.

Er würde sogar Masken mit rotem A tragen, sagte CDU-Gesundheitsexperte Michael Hennrich. Denn er selbst sei kein Fan des Versandhandels. Man müsse aber die Realitäten anerkennen. „Die Apotheker hätten ein Rx-Versandverbot erwartet, aber nicht die Patienten.“ Der Botendienst könne nicht alle Probleme lösen: „Das funktioniert bei kleinen Distanzen, aber nicht bei großen Distanzen“, so Hennrich. Er gehe aber davon aus, dass das Bonusverbot vor dem EuGH halte – weil man nur einen Konstruktionsfehler behebe.

Edgar Franke (SPD) sagte, dass in einer digitalen Welt ein Rx-Versandverbot ein „Rezept von gestern“ gewesen wäre. Mit dem Bonusverbot schaffe man einen fairen Ausgleich zwischen Wettbewerb und Versorgungssicherheit. Das sei auch kein gesetzgeberischer Trick – obwohl man natürlich nie wisse, was der EuGH entscheide. Das VOASG schaffe eine langfristige Grundlage für die Apotheke von morgen und verbessere die Versorgung – so wie es das Wesen sozialdemokratischer Gesundheitspolitik sei.

Stephan Pilsinger (CSU) verwies mit Blick auf die eingebrachte Temperaturkontrolle darauf, dass endlich dieselben Standards für alle gelten. Bislang hätten sich ausländische Versender den Vorschriften entzogen. „Damit ist jetzt Schluss.“ Er erwarte, dass die Einhaltung der Vorschriften auch kontrolliert und gegebenenfalls sanktioniert werde. Wer sich nicht an die Regeln halte, könne auch kein Geld von den Krankenkassen bekommen.

Nach vier Jahren langen Ringens kommentierte Spahn das VOASG so: „Die Apotheken vor Ort sind für viele Menschen ein Stück Heimat – und eine wichtige Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten. Sie erbringen unverzichtbare Leistungen für die Versorgung der Bevölkerung, das hat gerade die derzeitige Situation in der Pandemie eindrucksvoll gezeigt. Darum erhalten Apothekerinnen und Apotheker künftig mehr Geld für neue Dienstleistungen. Und wir sorgen für einen fairen Wettbewerb zwischen Vor-Ort-Apotheken und Versandapotheken. So sichern wir die Arzneimittelversorgung in der Stadt und auf dem Land. “

Die wichtigsten Regelungen:

  • Für gesetzlich Versicherte gilt künftig der gleiche Preis für verschreibungspflichtige Arzneimittel – unabhängig davon, ob sie diese in der Vor-Ort-Apotheke oder über eine EU-Versandapotheke beziehen. Versandapotheken dürfen gesetzlich Versicherten keine Rabatte mehr auf rezeptpflichtige Arzneimittel gewähren.
  • Der Deutsche Apothekerverband und der GKV-Spitzenverband sollen neue pharmazeutische Dienstleistungen vereinbaren. Dadurch soll die Versorgung der Patientinnen und Patienten verbessert werden. Denkbar sind beispielsweise eine intensive pharmazeutische Betreuung bei einer Krebstherapie oder die Arzneimittelversorgung von pflegebedürftigen Patienten in häuslicher Umgebung. Hierfür werden durch eine Änderung der Arzneimittelpreisverordnung 150 Millionen Euro netto zur Verfügung gestellt.
  • Apotheken wird dauerhaft die Möglichkeit eingeräumt, bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung im Wege des Botendienstes einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 2,50 Euro je Lieferort und Tag zu erheben.
  • Die Anforderungen an den Versand von Arzneimitteln gelten auch für den „Versand aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum“. Arzneimittel müssen so verpackt, transportiert und ausgeliefert werden, dass ihre Qualität und Wirksamkeit erhalten bleibt. „Insbesondere müssen die für das Arzneimittel geltenden Temperaturanforderungen während des Transports bis zur Abgabe an den Empfänger eingehalten werden; die Einhaltung muss bei besonders temperaturempfindlichen Arzneimitteln, soweit erforderlich, durch mitgeführte Temperaturkontrollen valide nachgewiesen werden.“
  • Automatisierte Ausgabestationen werden zugelassen zur „Bereitstellung, Aushändigung und Ausgabe von Arzneimitteln“, wenn sie sich „innerhalb der Betriebsräume einer Apotheke befinden, einen Zugriff von außen für den Empfänger ermöglichen, sofern eine Ausgabe außerhalb der Betriebszeiten dieser Apotheke vorgesehen ist, und erst durch Personal dieser Apotheke bestückt werden“. Das Arzneimittel muss zuvor bei der jeweiligen Apotheke bestellt worden sein, das Rezept muss vor der Abgabe im Original geprüft und abgezeichnet werden. Das vorbestellte Arzneimittel muss für jeden Empfänger getrennt verpackt und mit dessen Namen und Anschrift versehen sein.
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