Strukturwandel

MVZ: Zahnärzte fürchten sich vor Fremdbesitz

, Uhr
Berlin -

Der Dentalmarkt in Deutschland steht womöglich vor einem Umbruch. „Fremdbesitz“ heißt das Schreckgespenst der Zahnärzte. Immer mehr Zahnarzt-MVZ machen den niedergelassenen Praxen Konkurrenz – vor allem in lukrativen Lagen der Ballungsgebiete. Groß- und Finanzinvestoren drängen mit ihren Milliarden in den renditeträchtigen Markt. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZVB) sieht dadurch die flächendeckende Versorgung in Gefahr. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) soll der „Goldgräberstimmung“ Einhalt gebieten, fordert KZBV-Chef Dr. Wolfgang Eßer. Allerdings: Das BMG sieht im Wandel des Zahnarztmarktes offenbar kein Problem.

KZBV-Chef Eßer fürchtet „durch den ungehinderten Zustrom versorgungsfremder Investoren“ um den vom Gesetzgeber den Zahnärzten aufgetragenen Sicherstellungsauftrag und die freie Zahnarztwahl: „Arztgruppengleiche Medizinische Versorgungszentren in Gestalt reiner Zahnarzt-MVZ (Z-MVZ) und deren Ketten haben das Interesse von Kapitalgesellschaften und Private Equity-Fonds am Dentalmarkt geweckt. Angesichts der Flaute auf den Finanzmärkten prognostizieren Berater in Hochglanzprospekten hohe, risikoarme Renditen. Gewinne werden dabei teils von Versichertengeldern der GKV finanziert.“

Laut einer aktuellen Bestandsaufnahme gibt es mehr als 600 Z-MVZ – mit steigender Tendenz. Nach KZBV-Erkenntnissen sind davon bereits 75 Z-MVZ, gut 12 Prozent, in Investorenhand. Weitere Zukäufe sollen folgen. Vor zwei Jahren gab es erst 29 Z-MVZ mit Investorenbeteiligung. Eßer: „Dies bewirkt einen Systemumbau zu Lasten von Patienten und freiberuflicher Versorgung.“

Laut KZBV übernehmen Private EquityFonds auch „marode“ Klinken, um diese für den Aufbau von Z-MVZ und ganzer Ketten zu nutzen: „Wir beobachten, dass solche Z-MVZ regional stark konzentriert sind und sich vor allem in Großstädten und einkommensstarken ländlichen Regionen ansiedeln. In Kombination mit dem demografischen Wandel können so Engpässe in ländlichen, strukturschwachen Gebieten entstehen“, so Eßer. Als Großinvestoren treten laut KZBV Altor Equity Partners (Schweden), EQT (Schweden), Investcorp (Bahrain), Jacobs Holding AG (Schweiz/Deutschland), Nordic Capital (Jersey), Quadriga Capital (Deutschland) und Summit Partners (USA) in Erscheinung.

Die negativen Konsequenzen liegen für die KZBV auf der Hand: „Monopolisierung droht und damit eine Versorgungsverschlechterung.“ Regional werde die Wahlfreiheit für Patienten eingeschränkt oder gehe ganz verloren. Es werde beispielsweise schwerer, wohnortnah Zugang zu einer unabhängigen Zweitmeinung zu finden. Für junge Zahnärzte werde es in betroffenen Regionen fast unmöglich, sich niederzulassen. Sogar für angestellte Ärzte könne es problematisch werden, wohnortnah den Arbeitgeber zu wechseln. „Patienten und Ärzte können von einem Konzern regelrecht abhängig werden“, so der KZBV-Chef.

Und das betreffe nicht nur Zahnärzte: So sind nach Angaben zahnärztlicher und ärztlicher Körperschaften in NRW allein in Nordrhein mehr als 80 Prozent der Sitze von Laborärzten in MVZ angesiedelt. Ein Unternehmen hält fast 14 Prozent der Sitze. Eßer: „Wir fürchten, dass solche Entwicklungen auch die zahnmedizinische Versorgung negativ verändert. Sie droht zum Spielball von Spekulanten zu werden.“

Der Businessplan der Investoren sei berechnend: Schnelle Marktdurchdringung, Renditeoptimierung der aufgekauften Einheiten, das Investment dann nach einer Haltezeit mit hohem Gewinn veräußern. Bedarfsorientierte Versorgung und Patientenwohl stünden dabei kaum im Fokus. Hier werde nicht langfristig investiert, sondern „kurzfristige Rendite angestrebt“. Z-MVZ in der Hand von Investoren konzentrierten sich statt auf umfassende Betreuung besonders auf renditestarke Bereiche wie Implantologie oder aufwändigen Zahnersatz.

Aus anderen Ländern hat die KZBV negative Beispiele zusammengetragen: In Spanien wurde danach die Kette „iDental“ von den Behörden geschlossen. Zurück geblieben seien Patienten, deren Behandlung zum Teil nicht begonnen wurde oder nicht beendet war. Dafür hatten diese sich aber bereits bei Finanzanbietern verschuldet, die iDental vermittelt hatte. In Frankreich hatte die Kette „Dentexia“ Implantate zu Niedrigstpreisen angeboten. Patienten mussten im Voraus zahlen. Nach der Insolvenz der Kette blieben sie mit unvollendeten Behandlungen oder Behandlungsfehlern zurück.

Von Gesundheitsminister Spahn fordern die Zahnärzte daher im Rahmen des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) die Gründungsberechtigung von Kliniken für Z-MVZ auf „räumlich-regionale sowie medizinisch-fachliche Bezüge zu beschränken“. Abgesehen von Wirtschaftsinteressen gebe es nämlich keinen plausiblen Grund, „warum über eine Klinik ohne zahnärztlichen Versorgungsauftrag in Schleswig-Holstein eine Z-MVZ-Kette am Tegernsee gegründet werden soll“, so Zahnärzte-Chef Eßer. Zugleich fordern die Zahnärzte größeren Spielraum für die bestehenden Praxen: Derzeit können pro niedergelassenem Zahnarzt nur maximal zwei angestellte Zahnärzte tätig werden. Diese Grenze soll gelockert werden: Die Zahl angestellter Zahnärzte soll auf vier Vollzeitbeschäftigte oder entsprechend mehr in Teilzeit erhöht werden.

Dass Spahn den Forderungen der Zahnärzte entgegenkommt, ist fraglich: Auf Anfrage der Grünen bestätigte das BMG kürzlich zwar, dass Z-MVZ in der Regel regional und überwiegend in Ballungsräumen gegründet werden. Allerdings: „Dies ist aber weder eine Besonderheit zahnärztlicher MVZ, noch eine Besonderheit von MVZ insgesamt. So befindet sich beispielsweise auch die überwiegende Zahl der ärztlichen und zahnärztlichen Berufausübungsgemeinschaften (BAGen) in Großstädten sowie Ballungsräumen, da sich Praxen mit mehreren (Zahn-)Ärzten, insbesondere, wenn diese einer Fachgruppe angehören, dort ansiedeln, wo sie auch eine entsprechend hohe Anzahl von Patientinnen und Patienten versorgen können. Gerade in ländlichen Regionen mit einer nur geringen Bevölkerungsdichte sind sowohl MVZ als auch BAGen in der Regel seltener anzutreffen."

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Marburger Bund punktet bei Tarifverhandlungen
Unikliniken: 10 Prozent mehr bei reduzierter Stundenzahl
Geld für Ärzte und Medizinstudenten
Kassen kritisieren „Ausgabensteigerungsgesetz“

APOTHEKE ADHOC Debatte