Für das BSW zog die ehemalige SPD-Gesundheitsexpertin Britta Müller (parteilos) Ende des vergangenen Jahres in das brandenburgische Gesundheitsministerium ein. Ganz oben auf ihrer Liste stehen die Krankenhäuser – alle Standorte in Brandenburg sollen erhalten bleiben. Auch bei den Apotheken sieht die Ministerin Reformbedarf; ihr schwebt eine Basisfinanzierung vor.
„Wir können es uns nicht leisten, immer mehr Apotheken zu verlieren. Eine einmal geschlossene Apotheke bleibt in der Regel für immer geschlossen“, erklärt Müller. Daher müsse alles daran gesetzt werden, die Anzahl der bestehenden Betriebe im besten Fall zu erhalten, idealerweise sogar auszubauen. Gemeinsam mit dem Bund müssten Konzepte ausgearbeitet werden, um insbesondere ländliche Apotheken mit geringerer Kundenfrequenz zu stärken.
Vor-Ort-Apotheken stünden derzeit vor mehreren Herausforderungen, so ihre Bestandsaufnahme. Einerseits bestehe ein großer Fachkräftemangel, andererseits würden die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen immer schwieriger. „Die letzte größere Reform der deutschen Arzneimittelpreisverordnung, die die Handelsmargen der Apotheken untergesetzlich bestimmt, liegt 20 Jahre zurück. Die Bundesregierung hat es versäumt, eine Anpassung des Vergütungssystems vorzunehmen“, kritisiert Müller.
Für die Ministerin steht fest: „Wir brauchen Apotheken, um die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen“ – und das gelte sowohl in städtischen als auch in ländlichen Regionen. Damit es für junge Apothekerinnen und Apotheker wieder attraktiver wird, einen eigenen Betrieb zu gründen, müsse das Apothekensystem wirtschaftlich gestärkt werden. Einen ersten Schritt in die richtige Richtung sieht die Ministerin in der Rückführung des Kassenabschlags zum 1. Februar auf sein gewohntes Maß von 1,77 Euro.
Durch die starke Fokussierung der Apothekenvergütung und die Querfinanzierung nahezu aller Apothekenleistungen über das Honorar für die Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln würden insbesondere große Betriebe begünstigt. Je mehr Packungen abgegeben werden, desto höher sei automatisch der Umsatz. „Wenn wir die Apotheke als eine Säule des Gesundheitssystems verstehen, durch die neben der Arzneimittelversorgung weitere wichtige Dienstleistungen erbracht werden, muss ein neuer Finanzierungsansatz her“, betont die Gesundheitsexpertin.
Denkbar seien eine Basisfinanzierung für Apotheken, eine flexible Vergütung je nach Anzahl der abgegebenen Arzneimittelpackungen oder auch ein weiterer Ausbau der pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) bei gleichzeitiger Sicherstellung einer angemessenen Vergütung.
„Diese Ideen werden die Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder nach der Bundestagswahl mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) diskutieren und Vor- und Nachteile abwägen“, verspricht sie. Dies werde jedoch alles andere als einfach, denn höhere Kosten könnten womöglich zu weiter steigenden Zusatzbeiträgen führen – und die seien gerade zu Jahresbeginn bei vielen Krankenkassen bereits deutlich gestiegen.
„Mit dem Ziel, die personelle Situation in Apotheken zumindest langfristig zu verbessern, setze ich mich für die Weiterführung der Planungen zum Aufbau eines Pharmaziestudiengangs in der Lausitz gegenüber dem Wissenschaftsministerium ein“, erklärt die Gesundheitsexpertin. Zudem übernehme das Land Brandenburg weiterhin die Kosten für das Schulgeld der PTA-Ausbildung an der Schule für Gesundheits- und Pflegeberufe in Eisenhüttenstadt. Ziel der Landesregierung sei es, diese freiwillige Leistung zu verstetigen und damit die bisherige Ausbildungskapazität aufrechtzuerhalten. Um die Anzahl verfügbarer PTA zu erhöhen, wolle die neue Landesregierung Maßnahmen ergreifen, um die Abbrecherquote zu senken. „Hier sind wir gerade in den Haushaltsverhandlungen mit dem Finanzministerium“, berichtet Müller.
Gleichzeitig dürften aber die Beitragszahler nicht vergessen werden, mahnt Müller. Denn die Beiträge von Beschäftigten und Arbeitgebern zur gesetzlichen Krankenversicherung seien deutlich gestiegen. „Damit wir das stoppen können, muss auch geprüft werden, ob die bisher eingesetzten finanziellen Mittel im Gesundheitssystem an der ‚richtigen‘ Stelle zum Einsatz kommen und wo Effizienzreserven gehoben werden können“, erklärt sie.
Neben den Finanzmitteln sollten auch die strukturellen Gegebenheiten in der Apothekenlandschaft reformiert werden. „Um auch in Zukunft die flächendeckende Versorgung der Versicherten sicherzustellen, müssen die zeitlichen, räumlichen und organisatorischen Anforderungen an Apotheken flexibler gestaltet werden“, fordert Müller.
Die im Entwurf des Apothekenreformgesetzes (ApoRG) aufgeführten Maßnahmen sind laut Müller in Summe nicht geeignet, um den Erhalt eines flächendeckenden Apothekennetzes mit persönlicher Vor-Ort-Beratung auf dem bestehenden Qualitätsniveau sicherzustellen.
Insbesondere der Vorschlag zur Einführung von Apotheken ohne Approbierte sei problematisch. Angesichts der limitierten Ausbildungsinhalte der PTA würde dies zu einem Qualitätsverlust bei der Arzneimittelabgabe führen. „Darüber hinaus ist zu bezweifeln, ob die vom BMG prognostizierte Gründungswelle von Zweigapotheken tatsächlich einsetzt, da auch das hierfür notwendige Personal am Arbeitsmarkt nicht verfügbar ist“, so Müller.
Den Versandhandel sieht die parteilose Ministerin ambivalent. Zwar könne er ein gewisses Maß an Versorgung sicherstellen, er habe jedoch auch erhebliche Nachteile – insbesondere für ältere Menschen. Müller stellt klar: „Apotheken vor Ort sind daher unerlässlich, denn Versandapotheken sind kein vollständiger Ersatz.“
Auf Antrag aller Länder habe die Gesundheitsministerkonferenz (GMK) im Juni 2024 daher den Beschluss „Erhalt der wohnortnahen Arzneimittelversorgung durch die inhabergeführte Vor-Ort-Apotheke“ gefasst. Darin werde die Bundesregierung aufgefordert, schnellstmöglich die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um bestehende Betriebe wirtschaftlich zu stabilisieren und die inhabergeführte Apotheke dauerhaft zu erhalten.