Maßnahmen gegen den Impfstoffmangel

Merkel setzt auf Biontech, verteidigt Spahn dpa, 06.01.2021 09:20 Uhr

Rückstand aufholen: Kanzlerin Angela Merkel setzt auf Biontech. Foto: Andreas Domma
Berlin - 

In Deutschland können nach Einschätzung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im zweiten Quartal deutlich mehr Menschen eine Impfung gegen Corona erhalten. Kritik unter anderem des Koalitionspartners SPD an Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wegen dessen Impfkurs wies Merkel entschieden zurück.

„Jens Spahn macht einen prima Job jetzt in den gesamten Tagen“, sagte Merkel am Dienstag in Berlin nach Video-Beratungen mit den Ministerpräsidenten zur Corona-Lage. Die Frage, ob er noch ihr Vertrauen genieße, stelle sich nicht. Sie sei froh, dass er so aktiv sei. Laut „Bild“ sieht es hinter den Kulissen anders aus: Noch am Sonntag soll sich Merkel bei Vertrauten erkundigt haben, ob Spahn es war, der den Brief an die EU-Kommission samt entsprechender Lesart, dass er auf Merkels Veranlassung geschrieben worden sei, weitergegeben hatte. Das Verhältnis zwischen Kanzlerin und Minister sei zerrüttet, so Bild.

Merkel warb für Verständnis dafür, dass die Regierung an ihrer Impfstrategie festhält. Es sei richtig, dass Deutschland die Impfungen gemeinsam mit den anderen EU-Staaten in der Europäischen Union organisiere. Zunächst sei der Impfstoff knapp. „Wir werden im 1. Quartal nur priorisierte Gruppen impfen können.“

Im zweiten Quartal werden laut Merkel deutlich mehr Menschen eine Impfung gegen Corona erhalten. Dann werde es „nach menschlichem Ermessen“ deutlich mehr Impfdosen geben, sagte Merkel am Dienstag in Berlin nach neuerlichen Video-Beratungen mit den Ministerpräsidenten zur Corona-Lage.

Zur Hoffnung berechtige die in Vorbereitung befindliche neue Produktionsstätte des Herstellers Biontech in Marburg. Bund und Hessen Biontech dabei unterstützen, noch im Februar in einem neuen Werk in Marburg die Produktion zu starten, wie es in einem Beschlussentwurf für die Beratungen von Bund und Ländern zur Corona-Lage am Dienstag in Berlin heißt. Die Produktion an dem zusätzlichen Standort könnte die Mengen deutlich steigern.

Ein vorläufige Genehmigung zum Umbau des Marburger Werks sei bereits im Dezember erteilt worden, erklärte ein Sprecher des
Regierungspräsidiums Gießen am Dienstag. Voraussetzung für die Produktion sei jedoch noch die finale Genehmigung. Diese solle dann „so schnell wie möglich“ erfolgen. Zunächst hatten die Zeitungen der VRM-Gruppe über die Genehmigung berichtet. Biontech hatte das Werk in Marburg vor einigen Wochen vom Schweizer Pharmakonzern Novartis übernommen.

Biontech-CEO Ugur Sahin hat sich am Dienstag zuversichtlich geäußert, dass der von seinem Unternehmen entwickelte Corona-Impfstoff in diesem Jahr in ausreichender Menge bereitgestellt werden kann. Bei einem digitalen Neujahrsempfang der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) kündigte der Biontech-Mitgründer an, „dass wir bis Sommer ausreichend Impfstoff bereitstellen können“, so dass alle geimpft werden könnten, die dies wünschten.

Merkel betonte die Bedeutung des Terminmanagements bei den Impfungen. Wenn Impfstoff da sei, müsse dieser auch verimpft werden können. Dies bedürfe eines Höchstmaßes an Berechenbarkeit, „ohne dass wir den Zulassungsbehörden vorgreifen können“. Nach organisatorischen Problemen bei den Einladungen zur Corona-Impfung setzt der Bund nun auf einen reibungslosen Ablauf. „Der Bund wird den Ländern auf Grundlage der Herstellermeldungen verlässliche Lieferzeiten übermitteln, um ein abgesichertes Terminmanagement vor Ort zu ermöglichen“, heißt es in einem Beschluss der Bundesländer und des Bundes vom Dienstag.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte, Planungssicherheit sei den Ministerpräsidenten sehr wichtig. Zentral sei eine Antwort auf die Frage: „Wie verlässlich, wie planbar sind die nächsten Lieferungen?“ In Berlin gingen aktuell Einladungsbriefe heraus an die über 80-Jährigen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte: „Impfen ist Hoffnung.“ Man dürfe aber keine falsche Hoffnung haben. Genaue Prognosen zur künftigen Zahl der Impfdosen seien nicht möglich. Das liege in der Hand der Hersteller. Aber: „Es ist auch genügend bestellt worden.“