Baden-Württemberg

KV will eigene Praxen betreiben

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Berlin -

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) in Baden-Württemberg sieht sich im Kampf gegen den Ärztemangel gezwungen, eigene Hausarztpraxen zu betreiben. 20, 30 solcher Praxen im Südwesten halte er für realistisch, sagte Vize Dr. Johannes Fechner. „Das ist eine Notfallmaßnahme für einen begrenzten Zeitraum“, erläuterte Vorstandschef Dr. Norbert Metke. In Ostdeutschland gebe es das Modell schon seit Jahren, wobei in etlichen Fällen die von der KV angestellten Ärzte schließlich die Praxis übernähmen.

Mit dieser Neuerung wird laut KV im Südwesten bereits in diesem Jahr begonnen - wo genau, gab sie nicht bekannt. Die betroffenen Kommunen wünschten das nicht, denn sie sähen darin einen Standortnachteil. Rückenwind bekamen die Kassenärzte von Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). Er forderte überdies von der neuen Bundesregierung eine bundeseinheitliche Lösung, um Klinik- und Praxisversorgung sowie Pflege und andere Gesundheitsdienstleister besser zu verzahnen.

Der ungewöhnliche Schritt der KV gehört zu einem millionenschweren Masterplan. Dieser soll helfen, mit den bereits jetzt 500 vakanten Hausarztstellen - und weiteren 500 in den kommenden fünf Jahren - umzugehen. So sollen Übernahmen und Neugründungen von Praxen sowie die Anstellung von Ärzten in schlecht versorgten Gebieten gefördert werden. Außerdem würden rund 800 Ärzte im Land angesprochen, die aktuell nicht in ihrem Beruf arbeiten. Ein Hospitationsprogramm soll solche Mediziner wieder an die ambulante Versorgung heranführen.

Viel Hoffnung setzt die KV auch auf den Einsatz nicht-ärztlicher Praxisassistentinnen, die die Ärzte entlasten sollen. Allein dafür stehen 16 Millionen Euro zur Förderung bereit. Vorstellbar sei auch eine Ausweitung der telemedizinischen Betreuung, die ab April in Stuttgart und Tuttlingen erprobt wird.

Das Land hat mit seinem Landärzteprogramm seit 2012 mehr als 100 Ärzte mit 1,8 Millionen Euro gefördert. Doch nach Angaben der KV ist der Fachkräftemangel kein reines Problem ländlicher Regionen mehr - selbst in Stuttgart seien 18 Prozent der Hausarztsitze nicht mehr besetzt. Trotz des Bündels an Gegenmaßnahmen müssten sich ambulante Patienten auf längere Wege, Wartezeiten und weniger Zeit beim Hausarzt einstellen, sagte KV-Chef Metke.

Der Fachkräftemangel betrifft auch die stationäre Versorgung. Laut der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) sind bei den Kliniken 400 ärztliche Stellen und 1200 Pflegestellen unbesetzt. „Diese Lücke hat direkte Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter und wird zunehmend auch die Versorgung der Patienten beeinträchtigen“, warnte BWKG-Chef Detlef Piepenburg. Die Berufe müssten attraktiver werden. Ein großer Beitrag dazu wäre der Abbau der Bürokratie.

„Es ist nicht mehr länger haltbar, dass ein Arzt sich mit rund 80 Formularen herumschlagen muss“, betonte auch der FDP-Abgeordnete Jochen Haußmann. Aus BWKG-Sicht kann sich das Gesundheitswesen eine «Misstrauenskultur» in Form hoher Anforderungen der Krankenkassen an Dokumentationen angesichts des Fachkräftemangels nicht mehr leisten.

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