Bundessozialgericht

Kassen dürfen nicht alles fragen

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Berlin -

Künftig werden die Krankenkassen mit den Herstellern selbst Rabattverträge über Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen schließen. Dann kennen sie endlich die tatsächlichen Einkaufspreise. In der Vergangenheit war das nicht immer so leicht. So wollte der GKV-Spitzenverband den Hersteller Actavis zwingen, detailliert über die Geschäftsbeziehungen zu Apotheken zu berichten. Doch damit hätten sich die Kassen laut Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) über das Gesetz gestellt. Die Klage des Herstellers gegen den Bescheid hatte auch in letzter Instanz Erfolg.

Bislang verhandelt der GKV-Spitzenverband mit dem Deutschen Apothekerverband (DAV) Abrechnungspreise für die Hilfstaxe. Denn seit 2009 unterliegen diese nicht mehr dem einheitlichen Abgabepreis. Die Apotheken dürfen mit den Herstellern Rabatte aushandeln. Um bei der Hilfstaxe über realistische Preise zu diskutieren, müssen sich die Kassen für die Verhandlungen mit dem DAV also selbst munitionieren. Mit dem AMNOG hat der GKV-Spitzenverband 2011 das Recht erhalten, die Einkaufskonditionen der Apotheken abzufragen.

Schwierig wird es, wenn Apotheken etwa bei einem Verbund zum Listenpreis einkaufen und dieser am Jahresende ausgehandelten Rabatte als Gewinn an die Apotheker ausschüttet. Deshalb möchten die Kassen auch von den Herstellern Belege sehen. Doch mit seinem Auskunftsanspruch ist der GKV-Spitzenverband entschieden zu weit gegangen.

2013 fragte der GKV-Spitzenverband direkt Actavis – heute Puren – nach den Konditionen für Docetaxel und Paclitaxel für den Monat Januar 2013, und zwar nachdrücklich per Verwaltungsakt. Der Hersteller sollte jeweils Datum des Lieferscheins, PZN, Name, Packungsgröße und -Anzahl der Produkte angeben – und zwar für jeden Geschäftspartner im fraglichen Zeitraum. Bei diesen sollte zwischen Apotheke, Großhändler und Herstellbetrieb unterschieden werden, immerhin die Verwendung eines Pseudonyms wurde zugestanden. Dafür wollte der GKV-Spitzenverband die Nettopreise sehen sowie alle Einkaufsvorteile inklusive Rückvergütungen oder Gewinnbeteiligungen.

Actavis schickte zwar eine Aufstellung mit Preisspannen inklusive Durchschnittspreis für den fraglichen Monat, aber das reichte den Kassen nicht. Also klagte der Hersteller gegen den folgenden Widerspruchsbescheid vor dem Sozialgericht München. Das Auskunftsersuchen des GKV-Spitzenverbands sei vom Gesetz nicht gedeckt, so das Argument. Dort und vor dem Bayerischen Landessozialgericht setzte sich der Hersteller durch. Der GKV-Spitzenverband zog weiter vor das BSG und holte sich im Mai die dritte Abfuhr. Jetzt liegen die Urteilsgründe vor.

Laut BSG waren die Bescheide des GKV-Spitzenverbands rechtswidrig und verletzten den Hersteller in seinen Rechten. In der damaligen Fassung des § 129 Abs 5c S 4 SGB V hatten die Kassen nur gegenüber Apotheken umfangreich Anspruch auf Erteilung der Information. Dass den Kassen später das Recht eingeräumt wurde, auch bei den Herstellern nachzufassen, war für das Verfahren ohne Bedeutung: Maßgebender Zeitpunkt sei immer der Erlass des Verwaltungsaktes, so das BSG.

Der Gesetzgeber habe in der Begründung zur später erfolgten Neuregelung sogar darauf hingewiesen, dass es in der Praxis „Durchsetzungsschwierigkeiten“ mit dem Auskunftsrecht gebe und daher eine Klarstellung erfolge. Die Kassen hatten vorgetragen, dass sich damit gar keine substantielle Änderung der Rechtslage ergebe. Das sah das BSG anders.

Ohnehin war das Gezerre um Preise und Rabatte längst zu einem Streit um des Kaisers Bart geworden. Denn GKV-Spitzenverband und DAV hatten im September 2014 neue Preise in der Hilfstaxe vereinbart und wurden mit AMVSG zwischenzeitlich aufgefordert, dies erneut zu tun. Die Frage sollte trotzdem noch geklärt werden.

Wenn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) seine Pläne zur Neuregelung des Zyto-Bereichs durchsetzt, werden die Kassen bald ohnehin nicht mehr auf solche Informationen angewiesen sein. Sie sollen selbst Rabattverträge mit den Herstellern schließen dürfen. Die Apotheken sollen dann nur noch eine Pauschale von 110 Euro für die Herstellung erhalten. In ihrer Stellungnahme zum Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) fordert die ABDA eine Erhöhung auf 129 Euro sowie einen Zuschlag von 3 Prozent auf den Einkaufspreis, um Untergang, Verderb und Verfall sowie die notwendige Vorfinanzierung des Warenlagers, auszugleichen. Den Kassen ist schon der vorgesehene Betrag zu hoch.

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