Modellprojekte

Impfung in Apotheke: Westfalen will APOTHEKE ADHOC, 05.06.2020 12:31 Uhr

Berlin - 

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erwartet, dass die Apotheker im Herbst erste Modellprojekte zur Grippeimpfung am Start haben. Das hatte er Gabriele Regina Overwiening beim Live-Talk „Zusammen gegen Corona“ noch einmal ins Stammbuch geschrieben. Die Kammerpräsidentin aus Westfalen-Lippe, die Abda-Präsidentin werden will, hat sich jetzt das Plazet ihrer Mitglieder geholt.

Die Kammerversammlung fand wegen der Corona-Krise virtuell statt – als digitaler Ersatz für die Frühjahrssitzung des Apothekerparlamentes im März. Rund 200 Kollegenen folgten dem 90-minütigen Programm – und stimmten live auch über das Thema Grippeimpfung ab: 71 Prozent sind dabei, 10 Prozent lehnen das Impfen ab und 19 Prozent sind noch unentschlossen.

„Dass Apotheker jetzt in Modellvorhaben impfen können, ist geregelt. Die Frage ist, ob sie es auch flächendeckend umsetzen möchten“, sagte Overwiening. Mit 68 Ja-Stimmen und nur einer Nein-Stimme machten die Delegierten auch formal den Weg für Grippeschutzimpfungen in der Apotheke frei. Schon im Herbst könnte es durch die Aufnahme der Impfungen in die Berufsordnung der AKWL zu Modellvorhaben in Westfalen-Lippe kommen, die wiederum vom Apothekerverband (AVWL) zu organisieren seien.

Dort feilt man bereits an einem Vertragsentwurf, um damit in Gespräche mit Krankenkassen zu gehen. Erste Vorabgespräche haben bereits stattgefunden. Der AVWL sei bereit, den Willen des Gesetzgebers umzusetzen und ein solches Modellprojekt zu starten, um so dazu beizutragen, über die von den Ärzten durchgeführten Schutzimpfungen hinaus die Impfquote zu erhöhen. „Der AVWL bemüht sich um eine möglichst breite Beteiligung an dem Projekt.“

Mit dem Masernschutzgesetz hatten Apotheker die Möglichkeit erhalten, ihre Kompetenzen im Rahmen von Modellprojekten für Grippeschutzimpfungen zu erweitern. In vielen Kammerbezirken gab es diesbezüglich aber noch nicht einmal Kontakte mit Krankenkassen. In Nordrhein steht Verbandschef Thomas Preis kurz vor einem Abschluss mit der AOK.

Drei Themen standen im Fokus des Präsidentinnenberichts von Overwiening: die Sicherstellung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung, die Anbindung der Apotheken an die Telematik-Infrastruktur und die aktuellen Herausforderungen für die Abda. Zum letzten Punkt versprach sie, sich voll und ganz einzubringen: „Ich will sehr gerne Stimme und Gesicht der Apothekerschaft sein. Wir müssen als freie Heilberufler sichtbar sein und als unabhängige Partner auf Augenhöhe – für Ärzte und Krankenkassen, für Verbände und Politik – wahrgenommen werden.“

Mit Blick auf die Entwicklung der Apothekenzahlen befinde man sich in Westfalen-Lippe in einem Dilemma, so Overwiening. So wie der Hauptdarsteller im Film „… und täglich grüßt das Murmeltier“ in einer Art Zeitschleife festsitze, so müsse die AKWL seit 15 Jahren immer wieder aufs Neue einen Rückgang der Apothekenzahlen vermelden. Dieser fiel 2019 mit einem Minus von 54 Apotheken stärker aus als jemals zuvor in der 75-jährigen Historie der Kammer. Auch die ersten fünf Monate im Jahr 2020 führten zu einem Minus, wenn auch der starke Rückgang ein wenig eingebremst wurde: „Zum Jahresende 2019 haben wir 1868 Apotheken gezählt. Aktuell sind es noch 1858“, so Overwiening. Weil 476 Apotheken als Filialen geführt werden, verbergen sich hinter den 1868 Apotheken nur noch 1382 Inhaber. „Und das sind 1000 Selbstständige weniger als vor 15 Jahren und inzwischen der niedrigste Wert seit dem Jahr 1969.“

„Für uns als Kammer verbirgt sich hinter diesen Zahlen eine ganz zentrale Herausforderung: Wir müssen mehr denn je für bessere Rahmenbedingungen für die Apotheke eintreten, damit der Rückgang gestoppt wird, bevor die flächendeckende Versorgung nicht mehr sichergestellt werden kann“, so Overwiening. „Wir haben das nicht allein in der Hand, aber Politik und Kostenträger müssen verstehen, dass wir nicht nur vom Lob des Gesundheitsministers und unserer Patienten allein leben können.“ Die Corona-Krise habe noch einmal deutlich aufgezeigt, wie wichtig eine wohnortnahe, flächendeckende Arzneimittelversorgung sei.