Nacht- und Notdienst in Herford

„Ich weiß nicht, womit ich mich blamiert haben soll“ Lothar Klein, 02.09.2020 12:33 Uhr

Der Nacht- und Notdienst in Herford ist durch den SPD-Fraktionsvorsitzenden des Stadtrates Horst Heining in die Schlagzeilen geraten. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

In die Schlagzeilen geraten ist der Nacht- und Notdienst in Herford durch Horst Heining. Der SPD-Fraktionsvorsitzende des Stadtrates hatte den Stein ins Rollen gebracht mit einer Anfrage, ob es der Verwaltung bekannt sei, „dass zumindest an einzelnen Tagen keine der Herforder Apotheken einen Nacht-/Notdienst anbietet“ und ob die Stadtverwaltung eine Vereinbarung treffen könne, dass mindestens eine Apotheke pro Nacht im Herforder Stadtgebiet einen Nacht- und Notdienst anbiete. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL) sieht dafür keine Notwendigkeit, weil sich sonst niemand über den Nacht- und Notdienstplan beschwert.

„Ich glaube, dass es nicht sein kann, dass in einer Stadt wie Herford mit fast 70.000 Einwohnern keine einzige Apotheke nachts geöffnet hat und man einen mehrere 10-km-langen Weg zurücklegen muss, um gegebenenfalls ein dringend benötigtes Rezept einlösen zu können“, schrieb Heining und schilderte sein persönliches Erlebnis mit der Suche nach einer geöffneten Apotheke in der Nacht des 18. Augusts: „Aus eigenem Erleben habe ich festgestellt, dass es passieren kann, dass man an einzelnen Tagen nachts in Herford keine einzige Apotheke findet, die einen Not-/Nachtdienst anbietet.“

Wegen eines akuten Notfalls in der Familie musste Heining abends erst ins Klinikum und wollte dann gegen 1 Uhr morgens ein Rezept einlösen. „Bei uns war es nicht dringend geboten und wir konnten mit entsprechenden Schmerzen bis zum nächsten Morgen warten, aber was machen Menschen, die das Rezept sehr viel dringender benötigen.“ Aber im Stadtrat thematisieren wollte der SPD das aus seiner Sicht bestehende Problem schon.

Die AKWL nahm das zum Anlass, dem SPD-Politiker die Nacht- und Notdienstproblematik ausführlich zu erläutern: „Am 18.8.2020 befand sich die nächstgelegene Apotheke vom Ortsmittelpunkt Herford in einer Entfernung von 8,7 km (Schwanen-Apotheke, Löhne), 13,9 km (Stifts-Apotheke, Bielefeld) und 16,9 km (Stifts-Apotheke, Kirchlengern)“, teile sie Heining mit. Die durchschnittliche Entfernung zur notdiensthabenden Apotheke betrage, über das gesamte Jahr gerechnet, für Herforder Bevölkerung 5,5 km, die maximale Entfernung 14,8 km. Das liege jeweils deutlich unter den gesetzlich zulässigen Werten von 20 km.

„Abgesehen von Ihrer Rückmeldung haben uns aus dem Kreis Herford in den letzten Jahren keine Beschwerden erreicht, trotz des anstehenden Kommunalwahltermins in zwei Wochen“, so die Kammer mit einem Hinweis auf die mögliche Motivationslage für Heinings Anfrage. Der Kreis Herford umfasse neun Städte und Gemeinden. Die Anzahl der Apotheken im Kreis insgesamt habe sich seit dem Jahr 2012 um 20 Prozent von 65 auf nur noch 52 Apotheken verringert. Am stärksten hiervon betroffen gewesen sei die Stadt Herford mit fünf Schließungen, einem Rückgang von 18 auf nur noch 13 Apotheken.

„Würde man Ihrem Wunsch folgen, dann müsste jede Apotheken in Herford im Durchschnitt 28 bis 29 Notdienste pro Jahr leisten. Wir versuchen, hier stets eine gute Balance zwischen einer guten Versorgung der Patienten zu finden und der Beanspruchung der Apotheken vor Ort. Diese versorgen ja 95 Prozent ihrer Patienten außerhalb des Notdienstes, und wir haben gerade in der Woche eine Reihe von Notdiensten mit sehr geringer Frequenz“, so die AKWL an Heining. Da im Nacht- und Notdienst 24 Stunden lang ein approbierter Apotheker vor Ort sein müsse, sei es wichtig, diesen „mit Augenmaß“ zu planen: „Schließlich wollen wir ja nicht noch, dass es zu weiteren Apothekenschließungen kommt und damit das Versorgungsnetz auch über Tag weiter ausdünnt.“

Rein statistisch gesehen suche jeder Einwohner in NRW den Nacht- und Notdienst nur alle 15 bis 20 Jahre einmal auf, seine Apotheke zu den üblichen Öffnungszeiten aber ein bis zweimal im Monat. Für die Versorgung der Patienten sei es – natürlich neben einem gut funktionierenden Notdienst – wichtig, dass die Apotheker insbesondere dann ansprechbar sind, wenn die Patienten sie auch wirklich aufsuchten.

Heining fühlt sich mit seiner Anfrage missverstanden: Er habe niemanden beschimpft oder angeklagt, „sondern in meiner Anfrage nur um Aufklärung gebeten habe, ob der Stadt Herford die in meine Augen unbefriedigende Situation bekannt ist und sie eventuell Gespräche mit der Apothekenkammer führen will, um die Situation zu verbessern. Ich weiß also nicht, wo ich mich in Ihren Augen blamiert haben soll.“