Versandapotheken

DocMorris: Heimat ist, wohin das Päckchen kommt

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Berlin -

Laptop und Lederhose gehören in Bayern schon lange zum Selbstverständnis. Es wird Zeit, dass diese Grundeinstellung auch im Gesundheitswesen breiteren Raum gewinnt. Darin waren sich die Teilnehmer einer Diskussionsrunde im Rahmen des Deutschen Kongresses für Versorgungsforschung einig. Nur die Digitalisierung ist in der Lage, die Gesundheitsversorgung auf dem Land aufrecht zu erhalten. „Dafür reichen die finanziellen Mittel und die Bereitschaft der Heilberufler, auf dem Land tätig zu werden, vermutlich nicht aus“, sagte DocMorris-Vorstand Max Müller.

Der von der Politik gerne vor Bundestagswahlen bemühte Begriff „Heimat“ lasse sich nur mit der Digitalisierung mit Leben füllen, so Müller. „Wir müssen Wege finden, dass Apotheker und Digitalisierung zusammen wachsen. Die Mehrheit der Apotheker würde gerne mehr tun, weil sie mehr tun können, aber sie dürfen nicht, ihnen fehlt die Unterstützung“, sagte Müller und kritisierte die ABDA für ihre zurückhaltende Position bei der Digitalisierung.

2013 habe sich die ABDA gegen den Apothekenbus gewehrt. 2017 bekämpfe die ABDA den DocMorris-Arzneimittelautomaten in Hüffenhardt. „Mittlerweile kennt jeder deutsche Apotheker den kleinen Ort in Baden-Württemberg“, so Müller. Die ABDA reagiere auf moderne Angebote zur Arzneimittelversorgung auf dem Land stets mit reflexartigen Abwehrmechanismen. „Natürlich ist auch der Versandhandel mit Arzneimitteln auf der letzten Meile nicht digital“, sagte Müller. Aber es sei ein Angebot an mobilitätseingeschränkte Patienten. Und die Unterschiede zum Botendienst der Vor-Ort-Apotheken seinen hauptsächlich juristischer Natur.

Weitgehend unbestritten seien doch mittlerweile die Versorgungsprobleme im ländlichen Raum. Dafür müssten Lösungen gefunden werden. DocMorris nehme diese Probleme ernst. Die ABDA negiere hingegen diese Probleme oder reagiere darauf mit Rezeptsammelbriefkästen.

Raschere Fortschritte beim Einsatz der Telemedizin forderte auch Dr. Klaus Strömer, Präsident des Berufsverbandes der Dermatologen. Ein Drittel der Ärzte führe seine Patientenkarteien noch auf Papier, kristisierte Strömer. Die Hälfte der Notizen in der Praxis werde ebenfalls noch in Papierform verwaltet. Und 80 Prozent der Ärzte glaubten, dass die Telemedizin zu mehr Fehlbehandlungen führe. Diese Ängste seien aber keineswegs belegt.

Notwendig seien „Guidelines“ für Ärzte, die die Einsatzmöglichkeiten der Telemedizin evidenzbasiert auflisteten und die rechtlichen Fragen klärten. „Die Digitalisierung geht nicht mehr weg, lernen sie, damit umzugehen“, forderte Strömer seine Kollegen auf. Für die Hautärzte habe sein Verband entsprechende Guidelines bereits weitgehend erstellt.

Strömer sieht die Einsatzmöglichkeiten vor allem in der Wundbehandlung, allerdings weniger in der Abklärung von Hautveränderungen. Eine fehlerhafte Analyse per Online-Sprechstunde könne hier für die Patienten zu folgenschweren Konsequenzen führen.

Dr. Florian Frensch von Telemedizinanbieter Philips sieht erhebliche Einsatzmöglichkeiten für digitale Anwendungen zur medizinischen Versorgung von Patienten. In den USA habe der Einsatz von Tele-Intensivmedizin die Todesrate auf Intensivstationen um 26 Prozent verringert und gleichzeitig die Behandlungskosten um 90 Prozent gesenkt. Hier beobachtet und überwacht ein Tele-Intensivmediziner die Vitaldaten von circa 200 Patienten ergänzend zur Arbeit auf der Intensivstation. Dies könne auch als Modell für die Betreuung von Intensivpatienten in Landkliniken dienen.

Gleiches gelte für digitale Pathologie oder Teleradiologie. Auch der Datenaustausch über Clouds helfe bei der Versorgung auf dem Land. Als Beispiel führte Frensch das „HerzEffekt“-Modellprojekt in Mecklenburg-Vorpommern zur Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz an.

Entlastung sei auch bei der häuslichen und stationären Pflege machbar. In den Niederlande stehe bereits der Dispensierautomat „Medido“ in 1000 Haushalten. Dieser gebe ferngesteuert zur richtigen Tageszeit die richtige Arzneimitteldosis ab. Damit könne zudem die Adhärenz der Patienten kontrolliert werden. Frensch: „Für viele Anwendungen gibt es die Technik bereits. Wir müssen sie nur einsetzen. Damit können wir Spitzenversorgung auf dem Land sichern.“

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