Krankenkassen

DAK: Nacktscan für Versicherte

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Berlin -

Die DAK-Gesundheit muss sich derzeit gegen den Vorwurf verteidigen, Patienten mit einem dubiosen Fragebogen unter Druck gesetzt zu haben. Dabei geht es um die häusliche Krankenpflege: Betroffen waren Patienten, die einfache Leistungen bezogen, wie etwa das An- und Ablegen von Kompressionsstrümpfen, das Auflegen von Kühlpacks oder das Stellen von Arzneimitteln. Sie sollten erklären, warum sie oder andere Personen die Leistung nicht selbst übernehmen können.

Die Fragebögen seien seit Anfang Juli an rund 15 Prozent der Patienten geschickt worden, die Leistungen beantragt hätten, erklärt ein DAK-Sprecher. „Der Anteil ist so gering, weil wir die Angaben nur benötigen, wenn sie uns noch nicht vorliegen, was bei vielen Versicherten natürlich der Fall ist, weil sie schon länger Leistungen von uns beziehen.“

In den Schreiben wurde die verordnete Leistung, etwa das Richten von Medikamenten im Dosimed, für einen kurzen Zeitraum genehmigt. Für die folgenden Wochen hingegen wurde den Versicherten mitgeteilt, dass die Kosten nicht übernommen würden. Zur Begründung hieß es: „Vor weiterer Bewilligung bitte den Fragebogen zurückgeben“.

Die Patienten sollten darin etwa „ausführlich“ schildern, warum sie die beantragte Maßnahme nicht selbst übernehmen könnten. Außerdem sollten sie angeben, welche Personen „in ihrem persönlichen Umfeld“ leben, also Angehörige, Freunde und Nachbarn, und schildern, welche Leistungen diese übernehmen könnten.

Falls sich Patienten oder ihre Bekannten unsicher fühlen, bietet die Kasse außerdem eine Schulung durch medizinisches Personal an. Darüber hinaus sollen die Patienten angeben, ob sie ihre Wohnung verlassen können, um eine Arztpraxis aufzusuchen, und warum die beantragten Maßnahmen nicht in der Arztpraxis erbracht werden können.

Das sah der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) kritisch und legte beim Bundesversicherungsamt (BVA) Beschwerde ein. „Die DAK suggeriert, dass die ärztliche Leistung nur genehmigt wird, wenn der Fragebogen ausgefüllt wurde“, so BPA-Geschäftsführer Bernd Tews. Er betont, dass der Arzt bereits vor der Verordnung prüfe, ob der Patient oder seine Angehörigen die Leistung erbringen könne.

Das BVA ist derzeit im Gespräch mit der DAK und erörtert eine Optimierung des Verfahrens. Dabei werden auch Datenschutzaspekte diskutiert. Zumindest in dieser Hinsicht zeigt sich die DAK einsichtig: „Berechtigte Kritik an einzelnen Formulierungen in dem von der DAK-Gesundheit eingesetzten Fragebogen hat die Kasse zum Anlass genommen, die Schreiben kurzfristig zu ändern und den Bogen in dieser Form nicht mehr einzusetzen“, so der Kassensprecher.

Inwieweit die Bögen abgeändert werden und ob dabei auch die latente Drohung, die Kosten nicht zu übernehmen, gestrichen wird, ist noch nicht absehbar. „Der Vorgang ist noch nicht abgeschlossen, das gilt sowohl für unsere internen Vorgänge als auch für den Dialog, den wir mit externen Stellen wie dem BVA darüber führen“, erklärt der DAK-Sprecher.

Ohnehin sei es nicht unüblich, zunächst nur die Kosten für einen befristeten Zeitraum zu übernehmen. „Wenn wir einen Leistungsantrag prüfen, bewilligen wir vorläufig für zwei Wochen, in der Praxis kann der Zeitraum aber auch mal länger werden“, so der Sprecher. Dies sei der Zeitraum, in dem Antragsteller die Möglichkeit hätten, Unterlagen auszufüllen und einzureichen.

Insgesamt weist die Kasse aber die Vorwürfe zurück: Im ersten Halbjahr habe die DAK mehr als 450.000 Anträge auf Leistungen häuslicher Krankenpflege erhalten – und 94 Prozent seien bewilligt worden. Die Gesamtausgaben hätten sich auf 514 Millionen Euro belaufen.

Zudem sei die DAK gesetzlich dazu verpflichtet, im Interesse ihrer Versicherten die Anträge zu prüfen. Die Verordnung des Arztes sei nur als Empfehlung zu verstehen und ersetze nicht die Prüfung durch die Kasse – und das habe das Bundessozialgericht (BSG) bestätigt.

In den vergangenen acht Jahren sind die Kosten in dem Bereich der häuslichen Krankenpflege laut DAK jährlich zwischen 10 und 20 Prozent gestiegen. „Das ist deutlich höher als in allen anderen Leistungsbereichen der Krankenkasse und kann nicht alleine mit Demografie und Morbidität erklärt werden“, so der Sprecher.

Hinzu kämen verstärkt Auffälligkeiten bei Abrechnungen von einzelnen Pflegediensten: Demnach wurden zum Teil Leistungen abgerechnet, die medizinisch nicht notwendig waren, etwa in bundesweit mehr als 10.000 Fällen das An- und Ablegen von Kompressionsstrümpfen. „Die DAK-Gesundheit prüft daher derzeit, ob sie bei nachgewiesenen Fällen von Abrechnungsmanipulation Strafanzeige gegen die Verantwortlichen stellt.“

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