SPD-Parteitag

GroKo-Aus an Nikolaus?

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Berlin -

Der SPD-Parteitag wird eine definitive Entscheidung über das Bündnis mit der Union wohl vermeiden. Unmittelbar vor dem Beginn mahnt eine bislang wichtige Stimme: Ewig hinziehen sollte sich die Hängepartie nicht.

„Die GroKo kann eine wirklich ordentliche Bilanz vorweisen“: Vor Beginn des SPD-Parteitags an diesem Freitag haben die Gewerkschaften die Sozialdemokraten eindringlich vor einem Ausstieg aus der großen Koalition gewarnt. Der DGB-Vorsitzende Michael Hoffmann, von dem das Zitat stammt, verwies zur Begründung auf umgesetzte Koalitionsprojekte wie die „Stabilisierung der Renten“ und die Rückkehr zur gleichen Höhe der Krankenkassen-Beiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Auch IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis schrieb in einem Brief an die Führungsebene seiner Industriegewerkschaft, den Arbeitnehmern wäre nicht gedient, sollte die Bundesregierung ihre Arbeit beenden.

Die SPD will auf dem dreitägigen Parteitag ihre neue Spitze wählen und ihren Kurs in der Koalition bestimmen. Lange stand im Raum, dass die Partei dann auch eine definitive Entscheidung über das ungeliebte Bündnis mit der Union fällt. Der Leitantrag des Vorstands für das Treffen befasst sich auch mit der künftigen Aufstellung der SPD in der Koalition, vermeidet aber eine Empfehlung. Stattdessen werden Forderungen aufgestellt, was die SPD der Union an politischen Zugeständnissen abringen soll.

DGB-Chef Hoffmann sagte der „Augsburger Allgemeinen“ mit Blick auf das bislang Erreichte: „Das sollte man innerhalb der SPD auch einmal selbstbewusst anerkennen – wissend, dass es in einer Koalition immer auch um Kompromisse geht.“ Vassiliadis schrieb in seinem Brief: „Es wäre gut, wenn die Partei weiter der Linie folgen würde, die sie bereits in der Vergangenheit ausgezeichnet hat. Sozialdemokratische Politik ist immer konkret und arbeitnehmerorientiert. Das muss weiter gelten, insbesondere wenn die Partei mit einem neuen Gestaltungsanspruch neue Themen in die Koalition einbringen will.“

Auf der anderen Seite warnte die Klimaschutzbewegung Fridays For Future die SPD davor, sich beim Klimaschutz mit zu wenig zufrieden zu geben. In einem offenen Brief an den Parteitag forderte die Bewegung, „im Zweifel die Zukunft der Koalition in Frage zu stellen“. Die Klimaschützer planen am Rande des Parteitags auch Protestaktionen.

Viel Zeit für Verhandlungen mit der Union über Nachbesserungen am Koalitionsvertrag sieht Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig allerdings nicht. „Die ständige Debatte ‚GroKo ja oder nein?‘ muss ein Ende haben“, sagte Schwesig, die sich krankheitsbedingt vom kommissarischen Parteivorsitz zurückgezogen hatte, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Diese Entscheidung sollte die SPD nicht herauszögern.“ Die Bürger würden der SPD nur vertrauen, wenn sie den Kurs der Partei erkennen könnten.

Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) verlangte vom SPD-Parteitag ein klares Signal für die Stabilisierung der Koalition. „Ansonsten kann es nicht weitergehen“, sagte das CDU-Präsidiumsmitglied. Für die Union sei klar: „Wir werden auf gar keinen Fall nachverhandeln mit Blick auf den Koalitionsvertrag.“

Der Parteitagsantrag des Vorstands fordert für die Verhandlungen mit der Union perspektivisch die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro und spricht beim Klimaschutz davon, „einen höheren CO2-Preis zu ermöglichen“. Er sieht vor, dass staatliche Milliardeninvestitionen nicht „an dogmatischen Positionen“ wie der schwarzen Null, also einem ausgeglichenen Bundeshaushalt, scheitern. Eine Aufgabe der schwarzen Null fordert das Führungsgremium nicht direkt.

Die designierte Vorsitzende Saskia Esken sagte der „Süddeutschen Zeitung“ aber: „Damit ist die schwarze Null Makulatur.“ Mit Blick auf den Bundesfinanzminister, der Verfechter der strikten Haushaltsdisziplin ist, fügte sie hinzu: „Es geht darum, dass Olaf Scholz künftig noch mehr davon umsetzt, was die Partei will.“

Vizekanzler Scholz hatte sich im Rennen um den SPD-Vorsitz als klarer Koalitionsbefürworter positioniert. Zusammen mit seiner Bewerbungspartnerin Klara Geywitz unterlag er in der SPD-Mitgliederbefragung aber dem Duo aus der Bundestagsabgeordneten Esken und dem früheren nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans. Beide bedürfen formal noch der Bestätigung durch die rund 600 Parteitagsdelegierten.

Als Stellvertreter sollen Geywitz und die saarländische SPD-Chefin Anke Rehlinger gewählt werden. Um den dritten Vize-Posten könnte es eine Kampfabstimmung geben. Juso-Chef Kevin Kühnert, der den Widerstand gegen die Koalition angeführt und auch maßgeblich zum Sieg Eskens und Walter-Borjans' beigetragen hatte, tritt dafür ebenso an wie Arbeitsminister Hubertus Heil. Bisher ist eine Reduzierung der Vizeposten von sechs auf drei geplant. Der Parteitag könnte sich aber auch für vier Stellvertreter entscheiden.

Vassiliadis sprach sich dafür aus, diejenigen in der SPD zu stärken, die in der Regierung für eine „arbeitnehmerorientierte Politik und für industriepolitische Kompetenz“ stünden. Das zielt auf die beiden Minister Scholz und Heil.

Der Industrieverband BDI kritisierte die Forderungen des SPD-Leitantrags. Der CO2-Preis werde „rein nach sozialpolitischen Aspekten“ behandelt, ohne die Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Industrie zu berücksichtigen, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

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