Influenza und Corona

Grippeimpfung: Wochen der Entscheidung

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Berlin -

Die anstehende Grippesaison wird zur Gratwanderung: Auf der einen Seite sollen sich möglichst viele Menschen – vor allem aus den Risikogruppen – impfen lassen, auf der anderen Seite soll es keine Verunsicherung oder gar Panik geben. Die Hersteller beginnen jetzt mit der Auslieferung. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob der Balanceakt gelingt.

25 Millionen Impfdosen sollen in diesem Jahr in Deutschland verteilt werden – vier Millionen mehr als im Vorjahr und damit so viele wie noch nie. Nachproduziert werden kann aufgrund des Verfahrens nicht; geliefert werden kann daher nur, was bis Ende April bestellt wurde. Danach geht es nur noch um Umverteilung. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte daher nicht nur den Ärzten erlaubt, 30 Prozent mehr zu ordern als in der vorangegangenen Saison, sondern auch noch selbst Grippeimpfstoff für die sogenannte nationale Reserve bestellt.

Ende Juli hat das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) die ersten Impfdosen freigegeben, mittlerweile sind es 13,6 Millionen. Hersteller wie Seqirus, Mylan und GlaxoSmithKline (GSK) haben bereits mit der Auslieferung an Großhandel und Apotheken begonnen, bei Sanofi soll es in Kürze losgehen.

Sieben Impfstoffe stehen in diesem Jahr zur Verfügung:

  • Afluria Tetra (Seqirus): hühnereibasierter tetravalenter Grippeimpfstoff, ab 18 Jahren
  • Flucelvax Tetra (Seqirus): zellkulturbasierter tetravalenter Grippeimpfstoff, ab 9 Jahren
  • Influsplit Tetra (GSK): hühnereibasierter tetravalenter Grippeimpfstoff, ab 6 Monaten
  • Influvac Tetra (Mylan): hühnereibasierter tetravalenter Grippeimpfstoff, ab 3 Jahren
  • Xanaflu Tetra (Mylan): hühnereibasierter tetravalenter Grippeimpfstoff, ab 3 Jahren
  • Vaxigrip Tetra (Sanofi Pasteur): hühnereibasierter tetravalenter Grippeimpfstoff, ab 6 Monaten
  • Fluenz Tetra (AstraZeneca): nasal zu applizierender, hühnereibasierter tetravalenter Grippeimpfstoff, ab 2 bis 17 Jahren

Alle Impfstoffe enthalten vier Virusstämme, hühnereibasierter und zellkulturbasierter Impfstoff unterscheiden sich in einem Stamm.

Hühnereibasierte Impfstoffe

  • A/Guangdong-Maonan/SWL1536/2019 (H1N1) pdm09-ähnlicher Stamm
  • A/Hong Kong/2671/2019 (H3N2)-ähnlicher Stamm
  • B/Washington/02/2019 (B/Victoria/2/87-Linie)-ähnlicher Stamm
  • B/Phuket/3073/2013 – ähnlicher Stamm (B/Yamagata/16/88-Linie) (entfällt bei trivalenten Impfstoffen)

Zellbasierte Impfstoffe

  • A/Hawaii/70/2019 (H1N1) pdm09-ähnlicher Stamm
  • A/Hong Kong/2671/2019 (H3N2)-ähnlicher Stamm
  • B/Washington/02/2019 (B/Victoria/2/87-Linie)-ähnlicher Stamm
  • B/Phuket/3073/2013 – ähnlicher Stamm (B/Yamagata/16/88-Linie) (entfällt bei trivalenten Impfstoffen)

Experten rechnen damit, dass sich wegen Corona in diesem Jahr zahlreiche Menschen gegen Grippe impfen lassen wollen – einer Umfrage der Augsburger Allgemeinen zufolge zieht dies jeder zweite Bundesbürger in Erwägung. Die positive Resonanz ist einerseits gewollt, damit nicht Grippe- und Corona-Patienten um Behandlungskapazitäten konkurrieren und das Gesundheitssystem an seine Belastungsgrenze bringen.

Andererseits sollen laut Ständiger Impfkommission (Stiko) vor allem die Risikogruppen geimpft werden, zu denen Senioren und Menschen mit chronischen Grunderkrankungen zählen, gegen Grippe geimpft werden. Hier lag die Impfquote nach Schätzungen zuletzt bei 35 Prozent – die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt insgesamt eine Durchimpfungsrate von 75 Prozent.

Sanofi Pasteur will Mitte September mit der Auslieferung beginnen. Der Konzern hat in diesem Jahr die Produktion an seinem Standort in Frankreich deutlich erhöht – von 200 auf 250 Millionen Impfstoffdosen weltweit. Der Prozess ist abgeschlossen, aufgrund der Produktionszeiten und der weltweit erhöhten Nachfrage seien Nachlieferungen für den deutschen Markt nicht möglich, so eine Sprecherin. „Wir werden alle Vorbestellungen vollumfänglich ausliefern und zusätzlich den Großhandel mit Lagerware versorgen. Die Gesamtmenge liegt deutlich über dem Niveau des Vorjahres.“

Seqirus hat mit der Auslieferung bereits begonnen; der Spezialist hält die Grippeimpfung vor dem Hintergrund, dass die Corona-Pandemie in den Wintermonaten andauern oder wieder ausbrechen könnte, für wichtiger denn je. „Sie wird dazu beitragen, die Bevölkerung zu schützen, die Belastung durch die Influenza auf das Gesundheitssystem zu minimieren und so die Kapazitäten für Covid-19-Patienten sichern“, so Deutschlandchefin Deborah DiSalvo.

„Unsere zellkultur- und eibasierten Impfstofftechnologien sind darauf ausgelegt, die Herausforderungen der Grippe-Prävention zu bewältigen und unsere Verpflichtung zu erfüllen, Menschen und die Gemeinschaft vor der saisonalen Influenza zu schützen. Wir sind stolz darauf, an vorderster Front mit Gesundheitsdienstleistern zusammenzuarbeiten, um frühzeitig Impfstoffe während einer Grippesaison zur Verfügung zu stellen, die wie keine andere ist.“

Seqirus produziert Grippeimpfstoffe über sein globales Produktionsnetzwerk, zu dem Standorte in den USA, Großbritannien und Australien zählen. Das Unternehmen verzeichnet nach eigenen Angaben ebenfalls eine Rekordnachfrage nach Grippeimpfstoffen auf allen Märkten und hat die Produktion in seinen drei Fertigungsstätten ausgeweitet, um das Angebot zu optimieren.

Bei GSK erwartet man ebenfalls eine erhöhte Impfbereitschaft aufgrund der Corona-Pandemie. Die Grippeimpfung schütze zwar nicht vor Covid-19, könne aber Doppelinfektion minimieren. „Gerade für diese Herbst/Winter-Saison sollte daher sehr zeitnah in der infektarmen Spätsommerzeit mit der Impfung begonnen werden, um möglichst viele Menschen zu erreichen und gegen pneumologische Erkrankungen schützen zu können“, teilt der Konzern mit.

GSK stellt seinen Impfstoff in Dresden her; rund 750 Mitarbeiter arbeiten am Standort, dem Spahn vor einem Jahr einen Besuch abstattete. Die Vakzine werden in rund 50 Länder vertrieben – im Frühjahr und Sommer saisonalen Grippeimpfstoff für die Nordhalbkugel, im Winter für die Südhalbkugel.

Laut Robert Koch-Institut (RKI) verursachen die saisonalen Grippewellen zwischen einer und sieben Millionen zusätzliche Arztkonsultationen, in Jahren mit ausgeprägter Saison auch deutlich mehr. Nach Schätzungen erkranken pro Jahr zwischen zwei und 14 Millionen Menschen an Influenza. Da wie bei Corona nicht jeder Infizierte erkrankt wird die Zahl der Infektionen sogar auf 4 bis 16 Millionen Menschen geschätzt, was 5 bis 20 Prozent der Bevölkerung entspricht. Die Zahl der Todesfälle schwankt je nach Ausprägung stark, von mehreren hundert bis über 20.000.

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