EU will sich von USA abnabeln

Gesundheitsdaten: Minister wollen eigene Cloud

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Berlin -

Es gibt kaum Daten, die so sensibel sind wie Gesundheitsdaten. Gerade deshalb stellt die Abhängigkeit von US-Anbietern mit ihren unterschiedlichen Datenschutzstandards die deutsche Digital-Health-Branche immer wieder vor Probleme – zuletzt durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), mit dem die Richter den das Privacy-Shield-Abkommen kippten. Auch wegen derartiger Unwägbarkeiten hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bereits vor einem knappen Jahr den Aufbau einer europäischen Datencloud mit dem Namen Gaia-X gefordert. Nun scheint das Projekt Form anzunehmen: Die EU-Telekommunikationsminister wollen das Projekt am 15. Oktober beschließen. 11 Milliarden Euro soll das die EU und ihre Mitgliedstaaten kosten.

Die digitale Infrastruktur Europas muss unabhängiger von den USA werden, wird in Politik und Wirtschaft immer wieder gefordert. Insbesondere in sensiblen Bereichen wie Gesundheit und kritischer Infrastruktur sei die Abhängigkeit zu groß: Die meisten Daten landen auf US-Servern, die in vielen Fällen den europäischen Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und anderer Regelwerke nicht genügen. Das hat erst kürzlich die Anbieter von Digitalen Gesundheitsanwednungen (DiGA) vor neue Probleme gestellt. Der EuGH hatte nämlich die europäisch-amerikanische Datenschutzvereinbarung Privacy Shield gekippt und es dadurch für europäische Anbieter von Gesundheits-Apps unmöglich gemacht, mit Dienstleistern zusammenzuarbeiten, die Daten in den USA hosten.

Das Problem: Vor allem in der technischen Infrastruktur hinter den Apps sind die US-Konzerne tun das fast alle von ihnen. Sie müssen nun schauen, dass sie für Hintergrunddienste wie Crash Management, Tracking oder andere wichtige Systemdienste europäische Anbieter finden. Denn bisher waren das vor allem Konzerne wie Microsoft, Apple oder Google.

Die Herausforderungen sind nicht neu, bereits im vergangenen Herbst hatte Altmaier auf dem Digitalgipfel in Dortmund seine Vision einer europäischen Datencloud unter dem Namen Gaia-X vorgestellt. Diese soll nun zur Grundlage einer gemeinsamen europäischen Dateninfrastruktur werden. Dem Handelsblatt liegt eine Erklärung vor, die die EU-Telekommunikationsminister demnach bei einem Treffen am 15. Oktober in Baden-Baden unterzeichnen wollen. Darin bekennen sie sich zum Aufbau einer europäischen Cloud-Infrastruktur und stellen Gelder dafür in Aussicht. Europäische Unternehmen sollen demnach nicht mehr gezwungen sein, bei amerikanischen Anbietern ihre Daten zu speichern – denn deren Dominanz berge die Gefahr eines „Lock-in-Effekts“, der vermieden werden müsse: „Eine gemeinsame europäische Anstrengung ist nötig, um diesen Trend umzukehren“, so die Erklärung.

Als einziges Referenzprojekt wird darin Altmaiers Gaia-X genannt. Gleiches hatte EU-Kommissiospräsidentin Ursula von der Leyen bereits vergangene Woche vor dem Europaparlament deutlich gemacht und dabei ebenfalls auf Gaia-X verwiesen. Auch Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton hakte am Montag bei einem Berlin-Besuch ein: „Europäische Daten müssen in Europa gespeichert und ausgewertet werden – zum Nutzen der Europäer“, so Breton. Dabei sollten besonders hohe Standards für Sicherheit und Vertraulichkeit der Daten gelten, aber auch für den Energieverbrauch der Rechenzentren. Wie genau sie das tun, das soll künftig in einem sogenannten „Cloud-Regelbuch“ festgehalten werden.

Den Aufbau will sich die EU auch etwas kosten lassen: Auf etwa elf Milliarden Euro pro Jahr beziffert die Kommission die entsprechende Investitionslücke. Zwei Milliarden davon will die Kommission aus dem EU-Budget zusteuern, der Rest soll von den Mitgliedstaaten kommen. Eines der ersten Projekte, die angegangen werden sollen, sind sogenannte Datenpools im Gesundheitssektor.

Bereits zuvor hatte das Projekt Gaia-X, das künftig den rechtlichen und technischen Rahmen für die europäische Dateninfrastruktur liefern soll, an Fahrt aufgenommen: Vor den anderen EU-Staaten waren bereits Deutschland und Frankreich an Bord. Vergangene Woche unterzeichneten 22 Unternehmen aus beiden Ländern – darunter die Telekom, SAP, Siemens und BMW – die Verträge für die Gründung der Dachgesellschaft. Bereits Anfang nächsten Jahres wolle die Telekom-Tochter T-Systems – im deutschen Gesundheitswesen unter anderem als Konnektorenanbieter präsent – und das französische Unternehmen OHV Cloud eine Plattform für Behörden und Ministerien auf den Markt bringen. Sie betonen, dass die nicht in den Geltungsbereich des „US Cloud Act“ fallen werde – also die US-Justiz anders als bei dortigen Servern kein Zugriffsrecht auf die gespeicherten Daten hat.

 

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