E-Health-Gesetz

Bundestag beschließt Medikationsplan

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Berlin -

Der Bundestag hat in zweiter und dritter Lesung das Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen (E-Health-Gesetz) beschlossen. Union und SPD stimmten dafür, Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich, die Linke stimmte dagegen.

Dr. Katja Leikert (CDU) sprach von einem „sehr schönen Gesetz”, mit dem die Weichen für schnellere und sichere Kommunikation im Gesundheitswesen gestellt würden: „Die Zeiten von Fax und Karteikarten werden überwunden, die Selbstbestimmung des Patienten wird gestärkt, und es wird mehr Wirtschaftlichkeit und Effizienz geben.“

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) habe nach zehn Jahren des Stillstands wieder den nötigen Schwung in dieses wichtige Digitalisierungsprojekt gebracht, das viele schon für verloren gehalten hätte. „Dies ist einer der größten Fortschritte im Gesundheitswesen der vergangenen Jahre.“ Ein wichtiger Bestandteil sei der Medikationsplan: „Es gibt mehr Tote durch Wechselwirkungen als im Straßenverkehr, das wollen wir nicht länger hinnehmen.“

Man wolle aber nur Anwendungen mit GKV-Mitteln finanzieren, wenn Interoparabilität gewährleistet sei. „Ein Kauderwelsch, wie es jahrelang zwischen Apple und Microsoft bestand, können wir uns im Gesundheitswesen nicht leisten.“ Wer die Fristen nicht einhalte, müsse mit Sanktionen rechnen.

Laut Kathrin Vogler (Linke) geht das Gesetz in die falsche Richtung, weil weiterhin das Prinzip verfolgt wird, in einer Telematikinfrastruktur große Datenmengen zu vernetzen. „Datensicherheit ist in einem solchen komplexen System nur schwer sicherzustellen, daher wird es teuer, ohne erkennbaren Nutzen.“ Sie sagte Gröhe eine „fürchterliche Bruchlandung“ auf Kosten der Versicherten voraus.

Kritisch sieht Vogler auch die Zwangsmaßnahmen bei Verweigerung der Daten: „Es ist ein Skandal, dass Menschen, die ihre Beiträge bezahlt haben, von allen Leistungen ausgeschlossen werden, wenn sie die elektronische Gesundheitskarte nicht wollten. Die Daten sollten dezentral nur auf den Rechnern der Leistungserbringer verwaltet werden, der Patient sollte selbst entscheiden können, wer Zugriff hat: „Gesundheit ist keine Ware, und meine Daten gehören mir.“

Dirk Heidenblut (SPD) widersprach: Die Daten blieben da, wo sie seien. „Wir sorgen nur dafür, dass der Patient rankommt und dass die Daten kurzzeitig aggregiert werden können.“ Aus seiner Sicht bringt das Gesetz „endlich so richtig Schwung rein in das Thema E-Gesundheit“.

Zwar habe man einige sehr ambitionierte Fristen gesetzt, doch im Zweifelsfall könne das Ministerium ja reagieren, so Heidenblut. „Wir meinen es ernst, wir wollen mit E-Health weiterkommen.“ Man schaffe Sanktionen und Anreize, um Blockaden aufzubrechen. Ein echter Mehrwert für die Patienten sei der Medikationsplan – die Papierform sei die Grundlage für die spätere elektronische Form. Sehr bewusst habe man daher in den Änderungsanträgen deutlich gemacht, dass er in seiner Systematik mit den Projekten zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) kompatibel sein müsse.

Die Videosprechstunde werde den Arzt nicht ersetzen, schaffe aber auch Versorgungssicherheit in entlegenen Gegenden, so Heidenblut. „Da kann noch viel mehr kommen. Dieses Gesetz ist der Ausgangspunkt, um richtig Drive in die E-Health-Strategie zu bringen.“

Maria Klein-Schmeink (Grüne) monierte, dass die Politik seit 2003 viel zu viel Zeit verloren habe. Reiner Meier (CSU) lobte dagegen, dass auch Apotheker auf Wunsch des Patienten einen wesentlichen Beitrag in Sachen AMTS leisten könnten. Die Beteiligung der Apotheker sei auch wichtig, weil sie die Selbstmedikation kennen.

Ab Oktober 2016 sollen Menschen, die drei oder mehr Arzneimittel einnehmen, Anspruch auf einen Medikationsplan haben. „Das ist vor allem für ältere und alleinlebende Menschen eine große Hilfe“, lobt sich das BMG. Der Arzt müsse die Versicherten über ihren Anspruch informieren und den Plan erstellen. Apotheker müssen ihn auf Wunsch des Patienten aktualisieren. Zunächst gibt es den Plan in Papierform, aber ab 2018 soll er auch von der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) abrufbar sein.

Um die Beteiligung der Apotheker am Medikationsplan wurde lange gestritten. Erst Anfang der Woche haben sich Union und SPD darauf verständigt, dass die Apotheker den Plan nicht erstellen dürfen, aber aktualisieren müssen. Ein Honorar ist nicht vorgesehen. Aus Sicht von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt verpasst die Politik damit die Chance, durch eine konsequente Einbindung der Apotheker einen echten Medikationsplan für Patienten zu erstellen. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) betonte hingegen: „Apotheker sind von Anfang an einbezogen“.

Gröhe erklärte im Vorfeld der Bundestagssitzung, dass Patientennutzen und Datenschutz im Mittelpunkt des Gesetzes stünden. „Eine sichere digitale Infrastruktur verbessert die Gesundheitsversorgung und stärkt die Selbstbestimmung der Patienten – das bringt echten Nutzen für die Versicherten.“ Ärzte, Kassen und Industrie stünden jetzt gleichermaßen in der Pflicht, die gesetzlichen Vorgaben im Sinne der Patienten zügig umzusetzen. Das Gesetz, das nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, soll Anfang 2016 in Kraft treten.

Mit der Neuregelung soll die Telemedizin gefördert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen die Ärzte Videosprechstunden und die Beurteilung von Röntgenaufnahmen aus der Ferne abrechnen können. Ein entsprechendes Telematik-Honorar hatten Union und SPD erst mit einem Änderungsantrag in das Gesetz geschrieben. Die Konsultationen sollen auf Patienten beschränkt sein, die dem Arzt bekannt sind. „Das wird Patienten die Kontaktaufnahme mit dem Arzt deutlich erleichtern, gerade bei Nachsorge- und Kontrollterminen“, so das BMG.

Außerdem wird im E-Health-Gesetz ein Zeitfenster für die Einführung der Telematik-Infrastruktur (TI) festgelegt. Bis Mitte 2018 sollen Ärzte und Kliniken flächendeckend an die TI angeschlossen sein. „Wir erwarten von allen Beteiligten, – der Industrie, genauso wie den Ärzten und Kassen –, dass sie mit Hochdruck daran arbeiten, Arztpraxen und Krankenhäuser an das neue Netz anzuschließen, damit die Telematik-Infrastruktur endlich den Patientinnen und Patienten zugutekommt“, so das BMG.

Die erste Online-Anwendung der eGK, das Stammdatenmanagement, soll bis Mitte 2018 eingeführt werden. Zugleich werden damit die Strukturen für weitere medizinische Anwendungen geschaffen. Ärzte, die sich ab Juli 2018 nicht an der Online-Prüfung der Stammdaten beteiligen, müssen mit Sanktionen rechnen. Ab dann sollen auf Wunsch des Versicherten auch medizinische Notfalldaten auf der eGK gespeichert werden, etwa Informationen über Allergien oder Vorerkrankungen. Ärzte, die sich schon vorher um einen elektronischen Heilberufsausweis bemühen und damit online Arztbriefe verschicken, werden gefördert. Für das Jahr 2017 sollen sie eine Anschubfinanzierung erhalten.

Bis Ende 2018 sollen die Voraussetzungen für die elektronische Patientenakte geschaffen werden. Patienten sollen selbst darüber entscheiden dürfen, welche medizinischen Daten auf der eGK gespeichert werden und wer darauf zugreifen darf. Bis Ende 2018 muss die Gematik die Voraussetzungen für ein Patientenfach schaffen, auf das Patienten mit ihrer eGK auch außerhalb der Arztpraxis zugreifen können. Dort sollen sie eigene Daten hinterlegen dürfen, etwa ein Tagebuch über Blutdruckmessungen oder Daten von Fitnessarmbändern.

Schließlich wird die Gematik mit dem E-Health-Gesetz verpflichtet, ein Interoperabilitätsverzeichnis zu erstellen. Damit soll sichergestellt werden, dass verschiedene IT-Systeme miteinander kommunizieren und sinnvoll Anwendungen in die Fläche getragen werden können. Dieses Verzeichnis muss bereits Mitte 2017 vorliegen. Neue Anwendungen sollen dann nur noch aus den Mitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden, wenn sie nach den Vorgaben kompatibel sind.

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