Ärztemangel

Der Freiberuf zieht in die Stadt APOTHEKE ADHOC/dpa, 08.03.2016 14:10 Uhr

Berlin - 

Gesundheit ist in Deutschland überwiegend Frauensache: 90 Prozent der Mitarbeiter in Apotheken und 86 Prozent der Pfleger in Krankenhäusern sind weiblich. Bei den Apothekenleitern und den Ärzten sind noch die Männer in der Überzahl. Aber die Frauen sind auch in diesen Bereichen auf dem Vormarsch. Weil sich Frauen häufiger und lieber der Allgemeinmedizin zuwenden, könnten sie die Lösung für den Hausärztemangel auf dem Land sein. Dafür müssen Beruf und Familie aber besser in Einklang gebracht werden.

Bei den Apothekern bilden die Frauen schon lange die Mehrheit: Unter den Pharmazeuten im Praktikum (PhiP) waren 2014 laut ABDA 77 Prozent Frauen. Von den rund 33.500 angestellten Approbierten in öffentlichen Apotheken sind 83 Prozent weiblich. Und damit sind die Apotheker noch die „männlichste“ Gruppe unter den Angestellten: Bei Apothekerassistenten und Pharmazieingenieuren liegt der Frauenanteil bei 97 Prozent, bei PTA bei 98 Prozent und bei Helfern und PKA sogar bei knapp 99 Prozent.

Betrachtet man jedoch nur die Apothekenleiter, zeigt sich ein anderes Bild: 52 Prozent der Chefs sind Männer. Das spiegelt sich in der Berufspolitik: Unter den 34 Kammer- und Verbandschef sind nur sechs Frauen – die Verbandsvorsitzenden Dr. Andrea Lorenz (Brandenburg), Christiane Lutter (Bremen) und Claudia Berger (Saarland) sowie die Kammerpräsidentinnen Ursula Funke (Hessen), Magdalene Linz (Niedersachsen) und Gabriele Regina Overwiening (Westfalen-Lippe).

Die Ärztinnen sind noch nicht ganz so weit wie die Apothekerinnen, doch auch ihr Anteil an der Gesamtzahl der berufstätigen Ärzte steigt unaufhörlich: 2013 lag er bei 45 Prozent, ein Jahr später bei 45,5 Prozent. Zu Beginn des Medizinstudiums liegt heute der Anteil der Frauen bei fast zwei Dritteln. Dass sich mehr Frauen für diesen Beruf entscheiden, hat Auswirkungen auf die Ärzteschaft: Laut Bundesärztekammer (BÄK) sank die Zahl der selbstständigen niedergelassenen Ärzte 2014 um rund 2000 auf knapp 122.000. Zugleich stieg die Zahl der im ambulanten Bereich angestellten Ärzte um rund 4000 auf mehr als 26.000, eine Zunahme an die 18 Prozent.

Auch der angestellte Ärzte vertretende Marburger Bund stellt eine Tendenz fest, dass immer mehr junge Mediziner ein Anstellten-Arbeitsverhältnis suchen, anstatt das risikoreiche Einzelkämpfer-Leben eines freiberuflichen, niedergelassenen Arztes. In diesem Zusammenhang ist auch der Anstieg lokaler Medizinischer Versorgungszentren (MVZ) zu sehen, in denen man als angestellter Mediziner im Team arbeiten kann.

Nach einer Umfrage des Marburger Bundes kommt für mehr als die Hälfte der weiblichen Studierenden (52 Prozent) nach dem Studium eine Weiterbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin in Frage. Bei den Männern sind es 46 Prozent. Allerdings schlagen letztlich nur 10 Prozent nach dem Studium diese Fachrichtung ein. Von diesen 10 Prozent wiederum sind drei Viertel Frauen.

Die große Koalition will noch in dieser Legislaturperiode eine Reform des Medizinstudiums auf den Weg bringen. Sinn der Sache ist vor allem, mehr Hausärzte zur Versorgung der Bevölkerung auf dem Land zu gewinnen. Allerdings reicht es nicht aus, die Fachrichtung Allgemeinmedizin und damit den Beruf des Hausarztes attraktiver zu machen. Auch die Rahmenbedinungen müssen attraktiver werden: Geregelte Arbeitszeiten, bessere Verdienstmöglichkeiten und ein überschaubares Risiko seien nötig, sagt der Marburger Bund.

Denn mehr als ihre männlichen Kollegen denken Frauen auch an die Familienplanung. Ihnen kommt also die Tendenz zum Angestelltenverhältnis entgegen. Und sie denken in bestimmten Phasen ihres Lebens auch an Teilzeit. Nach einem Eckpunktepapier der CDU/CSU-Fraktion zum „Masterplan Medizinstudium 2020“ arbeiten heute 15 Prozent aller berufstätigen Ärztinnen und Ärzte (54.000) in Teilzeit. Das sei ein Anstieg seit 2001 um 74 Prozent. Frauen dürften den Löwenanteil der Teilzeitbeschäftigten ausmachen.

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) forderte zum Weltfrauentag eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In Bayern ist die Zahl der Ärztinnen seit 2000 um fast 82 Prozent gestiegen. „Ärztinnen sind für die Gesundheitsversorgung in Bayern unverzichtbar – in den Arztpraxen, in den Krankenhäusern und in den Gesundheitsämtern“, so Huml. In der alternden Gesellschaft werde die Nachfrage nach medizinischen Leistungen weiter steigen.

Mit Blick auf den wachsenden Frauenanteil betonte Huml, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch im Gesundheitsbereich weiter verbessert werden müsse. „Insbesondere für die medizinische Versorgung auf dem Land müssen Formen gefunden werden, die Ärztinnen mit Kindern ein Leben und Arbeiten dort erleichtern.“ Es brauche mehr innovative Konzepte mit flexiblen Arbeitszeiten. Sinnvoll seien auch Gemeinschaftspraxen und Teilzeitmodelle.

Bayern habe bereits viele Initiativen ergriffen, so Huml. So habe sich der Freistaat maßgeblich dafür eingesetzt, die gesetzlichen Vorgaben für Ärztinnen zu verbessern. Seit 2012 könnten sich niedergelassene Ärztinnen, die ein Kind bekommen haben, zwölf statt wie bisher sechs Monate lang vertreten lassen. Außerdem sei die Residenzpflicht für Vertragsärzte aufgehoben worden.

„Aber es sind auch die Arbeitgeber und die Träger der Selbstverwaltung aufgefordert, die Rahmenbedingungen für Ärztinnen weiter zu verbessern“, so Huml. Dazu gehöre, den Frauenanteil in den Führungspositionen der Krankenhäuser und der Ärzteschaft zu steigern.

Von den knapp 170.000 hauptamtlichen Krankenhausärzten in Deutschland sind laut Statistischem Bundesamt (Destatis) 46 Prozent Frauen. Bei den 928.000 Beschäftigten im nichtärztlichen Krankenhausdienst kommen die Frauen auf einen Anteil von 81 Prozent. Im Pflegedienst und im medizinisch-technischen Dienst sind sogar 86 Prozent der Mitarbeiter weiblich.