Kontraste-Bericht

Fall Lunapharm: Welche Vorwürfe treffen zu? Lothar Klein, 13.06.2019 15:04 Uhr

50 : 50-Urteil: Das Landgericht Berlin zog im Fall Lunapharm die Grenzen der Verdachtsberichterstattung. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Im Rechtsstreit zwischen dem inzwischen stillgelegten Brandenburger Pharmahändler Lunapharm und dem ARD-Magazin Kontraste über die Zulässigkeit und Grenzen der sogenannten Verdachtsberichterstattung hat das Landgericht Berlin jetzt ein Urteil verkündet. Danach waren die von Kontraste erhobenen Kriminalitätsvorwürfe zu weitgehend. Von der Verdachtsberichterstattung gedeckt sind hingegen Berichte über möglicherweise mindere Qualität der gehandelten Arzneimittel.

In seinem Bericht vom 11. Oktober hatte Kontraste in einer Grafik Lunapharm ins Zentrum eines weitverzweigten europäischen kriminellen Netzwerkes gerückt. Kontraste zeigte auf, wie dubios die Vernetzungen von Lunapharm in ganz Europa sein sollen. Der Bericht bezog sich auf ein exklusives Dokument der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), das belegen soll, wie verzweigt das internationale Geflecht um Lunapharm ist. Quer durch Europa sei ein verdächtiger illegaler Handel zu erkennen. Der Ursprung des Handels liege bei einer griechischen Apotheke, die bereits seit 2013 mit aus Krankenhäusern gestohlenen Arzneimitteln gehandelt haben soll.

In dieser Kontraste-Darstellung sah Lunapharms PR-Berater Klaus Kocks insbesondere die Grenzen der Verdachtsberichterstattung verletzt. Darin gab das Gericht dem Kläger recht. Dies sei eine unbegründete Vorverurteilung. Kocks zeigte sich „hocherfreut“ über diesen Aspekt des Urteils. Beim RBB betont man wiederum, dass das Urteil nicht die gesamten Erkenntnisse von Panorama infrage gestellt habe. „Das Gericht hat der Klage von Lunapharm nur in Teilen stattgegeben und die Schadensersatzforderung komplett zurückgewiesen“, heißt es vom Sender. „Wir sind weiter von der Richtigkeit unserer Recherchen überzeugt, werden das Urteil eingehend prüfen und behalten uns explizit vor, Berufung einzulegen. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Potsdam gegen Lunapharm laufen weiter. “

Seit Mitte Juli 2018 sorgte der Brandenburger Pharmahändler Lunapharm bundesweit für negative Schlagzeilen. Laut einem Bericht des ARD-Magazins Kontraste soll das Unternehmen mutmaßlich in Griechenland aus Kliniken gestohlene Arzneimittel weiterverkauft haben. Beim Transport sollen die Arzneimittel zudem unsachgemäß gelagert worden sein. Angeblich wurden die Arzneimittel in einen Athener Fischmarkt zwischengelagert. Nach anfänglichem Zögern schloss das Landesgesundheitsministerium eine Gefährdung von Patienten nicht mehr aus.

Die zuständigen Aufsichtsbehörden verboten Lunapharm daraufhin den Handel, die Potsdamer Staatsanwaltschaft ermittelt. Das Unternehmen bestreitet die Vorwürfe – und zog gegen Kontraste vor Gericht und reichte Unterlassungsklage ein. Die Klageschrift enthielt 38 Zitate aus Kontraste-Berichten und Veröffentlichungen auf rbb24.de. Die Lunapharm-Anwälte verlangten von Kontraste, nicht mehr den Eindruck zu erwecken, Lunapharm habe wissentlich mit gestohlenen Arzneimitteln gehandelt oder zu behaupten, Lunapharm unterhalte Handelsbeziehungen zu einer Firma in Sofia.

Von der Verdachtsberichterstattung gedeckt sind laut Urteil die Kontraste-Berichte über die möglicherweise mindere Qualität der von Lunapharm gehandelten Arzneimittel. Das Informationsinteresse der Bevölkerung sei in diesen Fällen höher einzustufen als das Schutzbedürfnis von Lunapharm. Außerdem habe sich Kontraste in seinen Berichten als Quelle auf den griechischen Gesundheitsminister bezogen. Nicht entschieden hat das Gericht über von Lunapharm geltend gemachte Schadenersatzansprüche. Das spiele im presserechtlichen Streit keine Rolle, so das Gericht.

Am 25. Juli will sich Lunapharm-Inhaberin Susanne Krautz-Zeitel „zur gesamten Angelegenheit öffentlich äußern“. Bis dahin soll auch die angekündigte Klage gegen die brandenburgische Landesbehörde eingereicht sein. Hierin soll es um die Zulässigkeit des Entzugs der Großhandels- und Herstellererlaubnis und um Schadensersatz gehen.