EuGH-Urteil

Die Basis macht mobil

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Berlin -

Die anfängliche Schockstarre nach der EuGH-Entscheidung zu Rx-Boni weicht bei vielen Apothekern vor Ort der Wut. In offenen Briefen werfen sie ihren Standesvertretern Versagen vor und fordern sie auf, den Worten endlich Taten folgen zu lassen.

Christian Redmann ist stinksauer. Der Inhaber der Stadt-Apotheke in Ebermannstadt empfindet die Appelle der Apothekenkammern und Berufsverbände, Ruhe zu bewahren und sich weiterhin an das Gesetz zu halten, als Zeichen der Hilflosigkeit und Tatenlosigkeit. „An der Front herrscht Chaos aus Angst“, schreibt er in einem offenen Brief an Dr. Hans Peter Hubmann, Vorsitzender des Bayerischen Apothekenverbandes. Angst, die zu einem großen Teil im Versagen der Standesvertretung und der Politik begründet liege.

Spätestens wenn die ersten Patienten abzuwandern drohten, werde sich ohnehin kaum einer an die Arzneimittelpreisverordnung halten, prophezeit Redmann. Wer hoffe, dass sich Apotheker angesichts der befürchteten Rabattschlachten gesetzestreu blieben, „der mag auch an den Weihnachtsmann oder die Zahnfee“ glauben. Die breite Masse der Kollegen werde mittelfristig durch ihre schiere Anzahl Fakten schaffen, ist der Apotheker überzeugt: „Unrecht wird zu Recht, einfach weil es genug machen.“

Redmann fordert seine Standesvertreter auf, „mehr zu tun als nur zu beruhigen oder allseits bekannte ineffektive Maßnahmen wie Streiks, Plakataktionen oder Medienkampagnien anzukurbeln“. Stattdessen müsse eine politische Entscheidung aktiv angestrebt und erzwungen werden. Auch mögliche rechtliche Schritte müsse der BAV prüfen. Der Apotheker ruft außerdem seine Kollegen auf, „massiv aktiv“ zu werden. „Es darf in dieser Situation kein hilfloses Schulterzucken, kein ‚Es hätte schlimmer kommen können’ geben“, appelliert Redmann.

Erik Modrack, Apotheker aus Schwalbach am Taunus, warnt vor Nachteilen für Patienten und dem Verlust von Arbeitsplätzen. „Die deutschen Apotheken sind ausschließlich kleine Familienbetriebe, die in Deutschland Arbeitsplätze schaffen und hier Steuern zahlen“, schreibt er. „Wenn meine europäische Konkurrenz mit Rabatten einkaufen darf, steht mir das auch zu.“ Wenn die Versandapotheken keinen Notdienst, keine Rezepturen- und Betäubungsmittelversorgung sicherstellen können, müssten sie hierfür einen Ausgleich zahlen. Man dürfe nicht zulassen, dass ausländische Konzerne zulasten des deutschen Sozialsystems, der deutschen Familienunternehmen und deren Mitarbeitern sowie des Steuerzahlers Gewinne erwirtschafteten.

Vor einer massiven Umsatzverschiebung zugunsten ausländischer Versandapotheken warnt auch Dr. Armin Welker aus Herzogenaurach in seinem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), seine bayerische Amtskollegin Melanie Huml (CSU) und ABDA-Präsident Friedemann Schmidt. Die traditionelle Apotheke mit hohem Anteil Stammkundschaft und folglich hohem Rezeptanteil werde besonders schwer von den Folgen der EuGH-Entscheidung getroffen.

Dadurch würde sich außerdem der Arbeitskräftemangel verstärken. „Die Politik in Deutschland entscheidet somit ganz konkret über den Arbeitsplatz und die Gehaltsentwicklung von 150.000 Apothekenmitarbeitern in Deutschland, wobei 89 Prozent der Arbeitskräfte Frauen sind“, schreibt er. Damit richte sich die Entscheidung der EuGH nicht nur gegen die öffentliche Apotheke vor Ort, sondern vor allem gegen berufstätige Frauen in Deutschland und qualifiziertes Apothekenpersonal.

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