Modellprojekte Übersicht

E-Rezept-Update: 2. Stufe beim DAV – Barmer schließt sich TK an Lothar Klein, 07.05.2020 10:03 Uhr

Zwar ist das E-Rezept aufgrund der Corona-Krise thematisch in den Hintergrund getreten, im Markt hat sich dennoch einiges getan. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

In Zeiten der Corona-Krise sind andere wichtige Themen für die Apotheker in den Hintergrund getreten. So ist es auch dem E-Rezept ergangen. Bis zur Jahresmitte muss die Gematik die technischen Details festlegen. Dann wird es ernst. Die Abda ist mit ihrem Monopolanspruch zwar gescheitert, hat aber mit Gerda und dem Modellprojekt in Berlin zwei Eisen im Feuer. In der Hauptstadt soll in Kürze die 2. Stufe des DAV-Modellprojekts zünden. Aber auch andere Player bringen jetzt wieder Schwung in ihre E-Rezept-Modellprojekte. In Hamburg schließt sich die Barmer dem TK-Projekt an.

In der Corona-Krise ist man bei den verschiedenen Modellprojekten nicht wie geplant vorangekommen. Apotheker und Ärzte hatten anderes zu tun. Wie der nächste Schritt im Berliner E-Rezept-Modellprojekt des DAV aussehen wird, will die Abda noch nicht verraten. Hier mischt auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit. Dem Vernehmen nach soll das Berliner Projekt jetzt über die Stadtgrenzen hinaus nach Brandenburg ausgerollt werden. Andererseits gibt es Informationen, wonach das E-Rezept in Berlin nur schwer ans Laufen kommt, weil Ärzte wie Apotheker noch nicht in ausreichender Anzahl an die TI der Gematik angeschlossen sind. Die Abda will demnächst ihr Berliner E-Rezept-Geheimnis lüften.

Das Berliner E-Rezept-Projekt startete im November: Im Rahmen des Pilotprojektes werden zunächst aus­­schließlich Fertigarzneimittel auf E-Rezepten für Versicherte der AOK Nordost verordnet. Hilfsmittelrezepte, Betäubungsmittelrezepte, T-Rezepte, Sprechstundenbedarfsrezepte und Rezepte über patientenindividuell herzustellende Rezepturarzneimittel sind nicht eingeschlossen. Ein wesentliches Element des Modellprojekts ist das vom DAV entwickelte webbasierte E-Rezept.

Das Berliner Modellprojekt wird von einer zentralen Koordinierungsstelle im BMG betreut und von einem „Expertenbeirat“ fachlich begleitet. Ärzten wird danach bei der Erprobung digitaler Anwendungen, die zur Versorgung ihrer Patienten dienen, finanziell unter die Arme gegriffen, bevor die Apps und anderer Tests bundesweit eine Zulassung bekommen. 20 Millionen Euro stehen dafür bis Ende 2022 im Haushalt zur Verfügung.

Seitdem das Berliner Projekt aus der Taufe gehoben wurde, ist das vorherige Vorzeige-E-Rezept Gerda in Baden-Württemberg in den Hintergrund getreten. Gerda – der „Geschützte E-Rezept-Dienst der Apotheker“ – wurde von der Landesapothekerkammer (LAK) und dem Landesapothekerverband (LAV) angestoßen. Es ist angedockt an das Telemedizin-Modellprojekt DocDirekt, das die Kassenärztlichen Vereinigung (KV) initiiert hat und an dem als technischer Dienstleister Teleclinic beteiligt ist. Teleclinic bietet schon seit vergangenem Jahr elektronische Privatrezepte an und verbindet nun die DocDirekt-Ärzte mit Gerda.

Die Avoxa-Tochter NGDA (Netzgesellschaft Deutscher Apotheker) hat für die Software-Entwicklung externen Sachverstand hinzugezogen, die Entwicklungsleistungen wurden in einem Pflichtenheft definiert. Bei der begrenzten Ausschreibung kamen drei Dienstleister in die engere Wahl, Noventi HealthCare (NHC) erhielt den Zuschlag. Gerda kann für sich in Anspruch nehmen, am weitesten zu sein: Im November gab Noventi bekannt, erstmals ein GKV-E-Rezept abgerechnet zu haben – zum ersten Mal hat eine elektronische Verordnung damit ihren gesamten Lebenszyklus abgeschlossen.

Laut LAK Baden-Württemberg zeigt die Pilotphase von Gerda, dass alle Schnittstellen und Anbindungen von GERDA problemlos funktionieren. Die ausgestellten E-Rezepte würden erfolgreich und sicher über den Gerda-Rezeptspeicher vom Arzt über den Patienten zur Apotheke und weiter bis zur Abrechnung übermittelt, teilte die LAK mit. Die Patienten hätten weiterhin die freie Arzt- und Apothekenwahl: „Gerda wird von den Patienten und den örtlichen Apotheken gut angenommen.“

Vorangekommen ist Deutschlands größte Krankenkasse TK: Seit dem 28. April 2020 bietet die TK Versicherten mit Corona-Infektion oder Corona-Verdacht eine ärztliche Fernbehandlung an, in deren Rahmen auch ein E-Rezept ausgestellt werden kann. Die Versicherten erhalten das elektronische Rezept über die TK-Doc-App. Für den direkten E-Rezept-Anschluss an die Apotheken kooperiert die TK mit dem Gesundheitsdienstleister Noventi. Es wurde eine gemeinsame Schnittstelle entwickelt, mit der bundesweit bis zu 7000 Apotheken E-Rezepte erhalten und mit der TK abrechnen können. Das Projekt ist für weitere Partner offen und wird Schritt für Schritt ausgebaut, so die TK. Die technische Umsetzung des E-Rezepts liegt bei der Firma eHealth-Tec, einer DocMorris Tochterfirma.

Auch das anfangs belächelte Pilotprojekt zum E-Rezept im Hamburger Stadtteil Wandsbek mausert sich und läuft nun seit rund einem Jahr. Ziel ist, weiter Erfahrungen mit dem E-Rezept zu sammeln. Mit dabei sind das Diabetes Zentrum Wandsbek mit fünf Ärzten sowie die Privilegierte Adler Apotheke und die Easy-Apotheke in Hamburg-Wandsbek. Im Sommer 2019 ist die Hanseatischen Krankenkasse (HEK) dem Projekt beigetreten. Und ganz aktuell hat sich jetzt auch die Barmer dem Projekt angeschlossen. Das Modell ist laut TK offen für weitere Partner. Technikpartner sind die LifeTime GmbH, das Software-Dienstleistungsunternehmen König IDV GmbH und die Firma ethealth-tec.

„Die Rückmeldungen von unseren Projektpartnern sind durchweg sehr positiv, weil das Projekt Prozesse erleichtert und reibungslos läuft – das zeigen auch die Zahlen. Nach unseren Informationen wurden in keinem anderen Projekt mehr Rezepte abgerechnet als in Hamburg-Wandsbek; so die TK. Derzeit nähmen knapp 130 TK-Versicherte an dem Pilotprojekt in Wandsbek teil, bis Ende Februar wurden mehr als 320 Rezepte vollständig verarbeitet. „Für uns ist besonders erfreulich, dass die elektronische Verordnung regelmäßig genutzt und so zum Standardprozess wird und außerdem die Zahlen kontinuierlich steigen“, so die TK weiter. Das E-Rezept werde sowohl für Erst- als auch für Folgeverordnungen genutzt.

Die Corona-Pandemie zeigt für die TK „nun sehr drastisch“, welche Chancen und Lösungen die Digitalisierung für die Versorgung biete. Das E-Rezept sei ein gutes Beispiel, da es Kontakte reduziere, indem die Apotheke das Medikament kontaktlos durch einen Botendienst ausliefere.

Gute Chancen sieht man auch bei Noweda: Grundsätzlich gelte zwar, dass allein die Gematik entscheiden werde, wie das E-Rezept technisch aussehe, so ein Sprecher: „Die Programmierung von ihreapotheken.de (ia.de) ist auf diese Entscheidung vorbereitet. Alle Apotheker, die sich dem Zukunftspakt angeschlossen haben, brauchen sich keine Gedanken zu machen, wie das E-Rezept im Ergebnis aussehen wird.“ ia.de sei darauf ausgelegt, über die bereits vorgesehenen Schnittstellen jede technische Lösung für das E-Rezept anzudocken, wenn die gesetzlichen Regelungen dies vorsähen und zuließen: „Der Zukunftspakt ist zukunftssicher.“

Bereits heute nutzten tausende Kunden von ia.de die Möglichkeit, ihr reguläres Papierrezept online ganz einfach einzulösen. „Während Sie bei den bekannten Versendern mit Sitz in den Niederlanden noch analog einen Brief nach Venlo oder Heerlen schicken müssen, fotografieren Sie bei uns ihr Rezept einfach mit dem Smartphone ab und holen es anschließend in Ihrer vertrauten Apotheke um die Ecke ab“, so Noweda. Damit verbinde der Zukunftspakt die persönliche, verlässliche und kompetente Beratungsleistung der Apotheke von nebenan mit den bequemen Vorzügen einer digitalen Plattform, auf der man Medikamente online vorbestellen und innerhalb kurzer Zeit in einer Apotheke in der Nähe abholen könne.

DocMorris ist in zwei E-Rezept-Projekten selbst aktiv: Gemeinsam mit dem schwedischen Telemedizin-Unternehmen Kry bietet DocMorris seit Dezember 2019 auf den deutschen Markt elektronische Verordnungen an – bisher allerdings nur Privatrezepte. Für GKV-E-Rezepte wolle man allerdings nicht auf die DocMorris-Lösung setzen. Dafür hat DocMorris bereits einige Partnerschaften geschlossen, die die nötige Marktdurchdringung sicherstellen sollen: neben den Tele-Ärzten von Kry vor allem mit dem Spitzenverband der Fachärzte Deutschlands (SpiFa) sowie dem Deutsche Hausärzteverband und dem Hausärzteverband Westfalen-Lippe. Dort soll eine E-Rezept-App von DocMorris getestet werden. Ob das Projekt überhaupt schon gestartet ist, ist nicht bekannt. Bei den Hausärzten gibt man sich schmallippig: „Da es sich hier um ein laufendes Modellprojekt handelt, können wir keine Zwischenstände berichten. Daher kann Ihnen in dieser Angelegenheit zum jetzigen Zeitpunkt leider nichts Näheres sagen.“

Spannend bleibt die Frage, wie die E-Rezept-Lösung von Pro AvO aussehen wird. Noch ist nichts vorgelegt, aber das digitale Versorgungsnetzwerk, an dem die Initiative von Noventi, Sanacorp, Gehe, BD Rowa und dem Wort & Bild Verlag teilnimmt, will sein gemeinsames Portal spätestens mit der Einführung des E-Rezepts starten. Zuletzt hat Pro AvO bei ihren Gesellschaftern Geld eingesammelt, um ihre Plattform vorstellen zu können. Noventi hat dabei den Lead übernommen. Der große Aufschlag verzögert sich wegen der Corona-Krise allerdings etwas. Bislang hielten alle fünf Mitglieder 20 Prozent, nach der Kapitalerhöhung haben sich die Verhältnisse verschoben: Noventi hält jetzt 28 Prozent der Anteile, die anderen Partner entsprechend 18 Prozent. „Mit der Kapitalerhöhung treiben alle Gesellschafter von Pro AvO gleichermaßen ein Ziel weiter voran: Wir wollen das E-Rezept in alle über 19.000 Apotheken vor Ort tragen“, erklärte Geschäftsführer Peter Menk. Vorgelegt hat Pro AvO bislang noch nicht.