Apothekervereine

Bundesweit tätige Filialapotheker Julia Pradel und Patrick Hollstein, 22.05.2012 12:50 Uhr

Berlin - 

Als unter den Apothekerverbänden noch über die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) gestritten wurde, da drohte der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK), Dr. Stefan Hartmann, der ABDA offen mit der Gründung einer Interessenvertretung speziell für die Inhaber von Filialverbünden (Bundesverband der Filialapotheker Deutschlands, BVDFA). Einen solchen Verein gibt es allerdings bereits: Unbemerkt von der Fachöffentlichkeit teilte der Verband bundesweit tätiger Filialapotheker (V.Fil.Apo) der Politik gleich zweimal seine Meinung zur ApBetrO mit.

 

Zunächst fällt der Verein schon durch seine Bezeichnung auf: Bundesweit tätig können Apotheker als Filialisten hierzulande nämlich gar nicht sein – auch wenn die gesetzliche Regelung, die Verbünde an benachbarte Kreise bindet, gelegentlich großzügig ausgelegt wird. Unglückliche Namenswahl also? Oder gut platzierte Botschaft?

Vielleicht ist die vermeintliche Unschärfe in der Nomenklatur ganz bewusst gewählt: Der V.Fil.Apo hat seinen Vereinssitz bei der Königstor Apotheke im nordrhein-westfälischen Minden; deren Inhaber Günter Stange ist Vorstand und derzeit einzig offiziell bekanntes Mitglied des Vereins.

Stange hatte es vor einigen Jahren mit seinem Standort- und Franchise-Konzept „Vivas“ bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) geschafft: Mit dem „wirtschaftlichen Fernziel“ einer Apothekenkette habe er sich ab Ende der 1980er Jahre deutschlandweit Standorte gesichert und diese an Apotheker mittels eines „Geflechts von wirtschaftlichen Vereinbarungen“ untervermietet, so der BGH 2002. Über Mieterhöhungen sowie Zahlungen für EDV, Schulungen sowie Marketing- und Beratungsleistungen habe er den kompletten Gewinn abzüglich der Garantieeinkünfte der Apotheker abgeschöpft. Später landete ein Teil der Standorte über Umwege bei der Anzag.

 

 

Zusammen mit sechs weiteren Apothekern aus Hamburg und Niedersachsen gründete Stange Anfang 2006 den V.Fil.Apo, der damals noch Bundesverband Deutscher Filialapotheker hieß. Mit dabei waren die ZytoService-Chefs Enno Scheel und Thomas D. Boner sowie deren niedersächsischer Kooperationspartner Jens Woost. Weitere Gründungsmitglieder waren Fertimed-Chef Frank Riemer und die Hamburger Apotheker Martin Hesse (Cranach Apotheke) und Anne-Kathrin Lentz (Elbgau Apotheke).

Wer von den Apothekern heute noch dabei ist und wie viele Mitglieder der V.Fil.Apo heute hat, ist nicht bekannt. „Deutlich weniger als 100“, sagt Stange dazu. Auch „pharmazieverbundene Unternehmen“ können Mitglied werden.

Nach eigenen Angaben vertritt der Verein „liberale apothekenrechtliche Standpunkte“: Dazu gehören der Erhalt der Freiberuflichkeit und die Bewahrung der Unabhängigkeit des Berufsstandes vor Fremdeinfluss. Konkret will der V.Fil.Apo eine „sichere und ökonomische Arzneimittelversorgung und -beratung durch die Optimierung des Mehrbetriebs von Apotheken unter Bewahrung des Fremdbetriebsverbots von Apotheken durch Berufsfremde“ fördern.

Schließĺich sollen „innovative [...] Kompetenzmodule in öffentlichen Filialapotheken“ nach vorne gebracht werden – und gleichzeitig Verstöße gegen die Regeln des lauteren Wettbewerbs verfolgt werden.

 

 

Eine entsprechende Handschrift tragen die beiden Stellungnahmen zur ApBetrO, deren Kabinettsentwurf Stange „weitestgehend in Ordnung“ fand. Der V.Fil.Apo sprach sich für die eigenverantwortliche Bündelung von Notdienst („bestmögliche Arzneimittelversorgung“ in „bestmöglicher Apotheke“) und Labor („Stichwort: 'Glasmuseum'“) innerhalb des Filialverbunds und in bestimmten geografischen Entfernungen aus.

Die Argumente der Berufsverbände der Apotheker seien „ersichtlich davon getragen, aus berufspolitischen Gründen nur einen Typus von Apotheke sehen zu wollen, ja geradezu zu beschwören“, so Stange. Dabei gebe es längst „rechtssystematisch zwei Apothekentypisierungen“: Haupt- und Filialapotheken sowie „höherwertige“ Spezialapotheken mit besonderen Ausstattungen.

Ansonsten machte sich Stange gegen Einschränkungen des Apothekensortiments („aktive Teilnahme am Gesundheitsmarkt“), für den Erhalt der derzeitigen Apothekengröße („Investitionsschutz“) und eine Genehmigungspflicht für Pick-up-Stellen („fantasievoll ausgedachte Rezept-Weiterleitungskonstruktionen“) stark.

 

 

Die vertrauliche Beratung sollte nur an einem speziell dafür eingerichteten Ort in der Apotheke zwingend ermöglicht werden – ansonsten müsse ein Kabinensystem aufgebaut werden. Beim Personal sollte alleine der Inhaber entscheiden, was „ausreichend“ ist, da sonst Auslegungsprobleme drohten. Notdienste sollten durch erfahrene PTA unter zeitnaher Hinzuziehung eines Approbierten geleistet werden können.

Nach eigenem Bekunden ist Stange für eine „kleine Portion Liberalisierung“. Denn zwischen dem, was berufspolitische wünschenswert wäre und dem, was praktisch notwendig sei, gebe es nun einmal Inkohärenzen: „Eine allzu dogmatische Berufspolitik sorgt in der Praxis für Probleme und bereitet dem Berufsstand zunehmend ökonomische Schwierigkeiten“, so Stange.

So fördere die Bildung von Schwerpunkten die Qualität, und die bestmögliche Versorgung sei schließlich berufsethisch vorgesehen. Außerdem ließen sich durch mehr Freiheiten ökonomische Probleme abschwächen. Tabuthemen dürfe es nicht geben: „Apotheker sollten nach Vernunftkriterien handeln.“