Bundesverwaltungsgericht

Zwangsbeiträge: Kammern unter Druck

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Berlin -

Dass Kammern und Verbände gemeinsame Sache machen, ist richterlich abgesegnet. Vor 13 Jahren hatte der baden-württembergische Apotheker Dietmar Frensemeyer vergeblich versucht, seine Kammer gerichtlich zum Austritt aus der ABDA zu zwingen. Möglicherweise verstößt aber die Verwendung der Zwangsbeiträge der Landesapothekerkammern (LAK) gegen ein aktuelles höchstrichterliches Urteil. Wegen der Brisanz befasst sich am kommenden Mittwoch der Gesundheitsausschuss des Bundestages mit den Folgen.

In einem Verfahren gegen den Deutschen Industrie- und Handelkammertag (DIHK) hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) den Handlungsspielraum der regionalen Kammern eng begrenzt. Bei Verstößen können Kammermitglieder den Austritt ihrer Kammer aus dem Dachverband verlangen. Der DIHK hat bereits eine Satzungsänderung ins Auge gefasst.

Wie in den Apotherkammern für Apotheker gilt auch für Handel- und Gewerbetreibende eine Pflichtmitgliedschaft in den regionalen Industrie- und Handelskammern (IHK). Diese haben sich in einem Dachverband zur gemeinsamen Intersesensvertreung zussammengeschlossen. Im aktuellen Verfahren vor dem BVerwG ging es um politische Aussagen des DIHK. Dem BVerwG gingen einige Statements zu weit; die Richter sahen die Kompetenz des DIHK überschritten.

Dem klagenden Zwangsmitglied billigten die Richter den Anspruch zu, den Austritt seiner IHK aus dem DIHK zu verlangen. Betätige sich der Dachverband in einer Weise, die „faktisch seine Aufgaben und zugleich den Kammerkompetenzrahmen seiner Mitgliedskammer überschreitet“, ergebe sich aus dem Grundgesetz ein Anspruch jedes Kammermitglieds auf Austritt seiner Kammer aus dem Dachverband, heißt es im Urteil.

Allenfalls „Ausreißer“ könnten toleriert werden. Die regionalen Kammern dürften sich zwar zur Wahrnehmung gemeinsamer Interessen zusammenschließen, jede Kammer bleibe aber für die „Wahrung ihrer Kompetenzgrenzen“ verantwortlich.

Anhand mehrerer Beispiele zeigen die Richter dem DIHK seine Grenzen auf: So gehen allgemeine Stellungnahmen des DIHK zur Themen der Energiepolitik nicht über den Aufgabenkreis hinaus. Einseitige Aussagen gegen eine Erhöhung des Marktanteils von erneuerbaren Energien oder Statements gegen den Ausstieg aus der Atomkraft sprengen jedoch aus Sicht der Richter den Rahmen des Zulässigen.

Für unzulässig hält das Gericht auch Aussagen zu bildungs- steuer-, und rentenpolitischen Fragen, zum Hochwasserschutz und zur Situation in der Republik Südafrika nach dem Tod des ehemaligen Staatspräsidenten Nelson Mandela. Solche Aussagen seien durch den berufsständischen Kammerauftrag nicht gedeckt.

Nun besteht angesichts der kommunikativen Zurückhaltung der Apothekervertretungen keine Gefahr, in diesem Punkt anzuecken. In Komibation mit einem weiteren Urteil des BVerwG aus dem Jahr 2010 kommen aber auch die Finanzen ins Spiel. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit des Zzusammenschlusses in einer Dachorganisation war für die Richter damals, „dass durch einen solchen Zusammenschluss die Kompetenzen der Beklagten nicht erweitert werden“. Das bedeutet nach Einschätzung von Experten, dass auch Finanzmittel, die aus Pflichtbeiträgen der Mitglieder an die Dachorganisation weitergeleitet werden, nur im engen Rahmen der für regionale Kammer zulässigen Aufgaben verwendet werden dürfen.

„Die Regel, dass sich Kammern und ihre Verbände nur im Rahmen des geltenden Rechts bewegen dürfen, gilt in gleicher Weise für das operative Geschäft“, sagt Kai Boeddinghaus vom Bundesverband für freie Kammern (BffK), der an der Klage beteiligt war.

Hier seien insbesondere die vielfältigen gewerblichen Aktivitäten unter dem Dach der ABDA, „die wohl zumindest in Teilen aus Zwangsbeiträgen finanziert oder abgesichert werden, in den Blick zu nehmen“. Auf der Bundesebene herrsche eine kaum nachvollziehbare Verflechtung zwischen ABDA, Deutschem Apothekerverband (DAV) und Bundesapothekenkammer. „Soweit hier eine rechtswidrige Verwendung von Mitteln – womöglich strukturell – nachweisbar wäre, könnte dies einen vergleichbaren Austrittsanspruch begründen“, so Boeddinghaus.

Es gelte nämlich für Zusammenschlüsse auf überregionaler Ebene, dass mit diesen eben nicht zusätzlich Aufgaben wahrgenommen werden dürften, die außerhalb des Kompetenzrahmens einer einzelnen Landesapothekerkammern (LAK) lägen. Dabei spiele nicht nur eine Rolle, ob dies auf der Ebene der Satzung eingehalten werde, „sondern auch ob es realiter im Einklang steht“. Mindestens bestehe bei der ABDA ein Bedarf, die Dachverbandssatzung so anzupassen, dass auch für den Bereich der Apotheken ein Kontrollanspruch einzelner Zwangsmitglieder gegenüber der BAK möglich werde.

Der ABDA-Haushalt speist sich bekanntlich aus einer Umlage der Kammern und Verbände. Die Verwenung der Kammermittel ist jedoch nicht einzelnen Aufgaben zuzuordnen. Daraus könnten sich nun Probleme ergeben.

Wie weitreichend die Auswirkungen des aktuellen Urteils auf die Apothekerkammern tatsächlich sind, bleibt abzuwarten. Die Bundesregierung jedenfalls sieht Handlungsbedarf: Auf der Tagsordnung des Gesundheitsausschusses des Bundestages steht in der kommenden Woche jedenfalls ein Bericht der Bundesregierung über die Auswirkungen des aktuellen BVerwG-Urteils auf „die Beteiligung von Kammer-Dachverbänden im Gesundheitswesen bei der politischen Meinungs- und Entscheidungsfindung“.

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