Großhandelskonditionen

BMG: Wir nehmen Apothekern nichts weg

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Berlin -

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sein „Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung“ (TSVG) vorgelegt. Im „Omnibus“-Gesetz verpflichtet Spahn nicht nur die Ärzte, mehr Praxisstunden für Kassenpatienten anzubieten. Das Großhandels-Fixum von 70 Cent wird festgeschrieben und für Rabatte an die Apotheken gesperrt. Bei Grippeimpfstoffen müssen die Krankenkassen künftig die beiden günstigsten Impfstoffe bezahlen. Das TSVG soll zum 1. April 2019 in Kraft treten.

Eine Erhöhung der Großhandelsmarge ist im Gesetz nicht vorgesehen. Mit dem Rabattverbot für die 70 Cent reagiert das BMG auf das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) im sogenannten AEP-Prozess. Dieser war aus den Reihen des Großhandels angestoßen und von der Wettbewerbszentrale geführt worden, weil AEP je nach Packungspreis 2 bis 3 Prozent Rabatt sowie bei Einhaltung der Zahlungsfrist 2,5 Prozent Skonto auf Rx-Produkte gewährt. Die Wettbewerbszentrale hatte darin einen Verstoß gegen die Preisbindung gesehen, da es sich beim Skonto um einen versteckten Rabatt handele.

Beim Großhandelshonorar handele es sich um eine Klarstellung, hieß es aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG): „Wir nehmen den Apothekern nichts weg.“ Der BGH habe mit seinem Urteil das Fixum in Frage gestellt. Man stelle die vom Gesetzgeber gewollte und vorher gültige Rechtslage wieder her.

Die BGH-Richter hatten dagegen geurteilt, die in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) vorgesehenen Großhandelszuschläge legten nur eine Preisobergrenze, aber keine preisliche Untergrenze fest. Mit der Klarstellung im Gesetz wird das BGH-Urteil ausgehebelt.

Einzelheiten zur Regelung für Impfstoffe sind noch nicht bekannt. Der Gesetzentwurf wird laut BMG erst am Dienstagabend veröffentlicht.

Mit dem TSVG werden die Kassen zudem verpflichtet, bis Ende 2021 allen Patienten eine elektronische Patientenakte (ePA) anzubieten. Krankenkassen wie die AOK, die TK und ein Verbund um die DAK haben bereits ePA entwickelt. Dafür fehlt jedoch der rechtlich verbindliche Rahmen, diese ePA im Rahmen der Gematik einsetzen zu können. Die ePA soll über Smartphones und Tablets abrufbar sein. Die Einwilligung der Patienten zur Datennutzung soll vereinfacht werden.

Kern des Gesetzes zur ambulanten Versorgung ist die Verkürzung von Wartezeiten in Arztpraxen. Dazu sollen die vorgeschriebenen Mindest-Sprechstunden für gesetzlich Versicherte von 20 auf 25 pro Woche erhöht werden. Hausbesuche werden auf die 25-Stunden-Vorgabe angerechnet. Haus-, Kinder-, Augen- Frauen- und HNO-Ärzte müssen künftig zudem wöchentlich 5 Praxisstunden für Patienten ohne Termin anbieten. Die Extra-Stunden werden außerhalb des bisherigen Budgets honoriert. Die Kosten veranschlagt das BMG dafür auf 500 bis 600 Millionen Euro.

Die Terminservicestellen der Ärzte sollen zu einem Rund-um-die-Uhr-Service ausgebaut werden. Die bundeseinheitliche Bereitschaftsdienstnummer 116117 soll 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche erreichbar sein. Die Nummer 116117 ist bereits seit mehreren Jahren bundesweit geschaltet, aber nur wenig bekannt. Außerdem steht sie nur außerhalb der Praxisöffnungszeiten zur Verfügung. Das Angebot soll auch im Internet und per App abrufbar sein. Die Nummer 116177 soll mit der Notrufnummer 112 zusammengelegt werden. Darüber sollen Patienten in Notfällen auch während der Sprechstundenzeiten an Arztpraxen oder Notfallambulanzen vermittelt werden.

Landärzte sollen künftig einen regionalen Zuschlag auf das Honorar erhalten. Die Strukturfonds der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) im Kampf gegen Ärztemangel auf dem Land werden auf 0,2 Prozent der Gesamtvergütung verdoppelt. Die KVen werden verpflichtet, in unterversorgten Regionen Praxen zu eröffnen oder Versorgungsalternativen wie Patientenbusse, mobile Praxen oder digitale Sprechstunden anzubieten. Bislang ist das eine Kann-Regelung.

In einem Extra-Gesetz soll die Problematik der überfüllten Notfallambulanzen in Kliniken angegangen werden, hieß es aus dem BMG. Man halte aber nicht von Extra-Gebühren für die Nutzung von Notfallambulanzen. Die Lösung solle nach dem Prinzip „ein Tresen, eine Triage, eine Nummer“ erfolgen. Seit einiger Zeit suchen immer mehr Patienten die ambulanten Notfallversorgungen der Kliniken auf, weil sie nur schwer einen Termin beim Arzt erhalten. Viele dieser Fälle müssten aber nicht in Notfallambulanzen behandelt werden.

Umgesetzt wird im Gesetz auch der im Koalitionsvertrag versprochene höhere Zuschuss für Zahnersatz. Dieser soll von 50 auf 60 Prozent der Kosten steigen. Diese Regelung kostet weitere 600 Millionen Euro und soll erst 2021 in Kraft treten.

Wie bereits zuletzt angekündigt, erhalten Patienten mit einem erhöhten HIV-Infektionsrisiko Anspruch auf Präexpositionsprophylaxe (PrEP). Die Beratung und Arzneimittel werden von den Kassen erstattet. Erweitert wird zudem der Anspruch auf künstliche Befruchtung um die Kryokonservierung von Keimzellengewebe, Ei- und Samenzellen in Fällen, in denen Krebserkrankungen zu Fertilitätsverlust führen. Nach einer Genesung kann so eine künstliche Befruchtung ermöglicht werden. In der ambulanten Pflege sollen künftig auch sogenannte Betreuungsdienste für Haushaltshilfen, beim Einkaufen und Vorlesen ihre Dienstleitungen anbieten können. Bislang können dies nur die Pflegedienst anbieten.

Aus Sicht des BMG sind die mit dem TSVG verbundenen Mehrkosten für die Kassen „verantwortbar“. Man erwartet keine Auswirkungen auf den Beitragssatz.

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