Festbeträge

BAH: Freibrief für Flüssigmedikamente

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Berlin -

Der Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) hat an die kommende Bundesregierung appelliert, die nächsten vier Jahre die Weichen für eine zukunftsorientierte Arzneimittelversorgung zu stellen: „Nutzen Sie die neue Legislaturperiode, um angemessene Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige Arzneimittelversorgung zu schaffen“, erklärte Dr. Hermann Kortland, stellvertretender BAH-Hauptgeschäftsführer, zur Bundestagwahl. Der BAH will altersgerechte Darreichungsformen voranbringen und fordert Gleichberechtigung für Homöopathie.

In seinem Positionspapier fordert der BAH, dem demografischen Wandel, der mit einer immer älter werdenden Bevölkerung und einer damit steigenden Morbidität verbunden ist, Rechnung zu tragen. So könnten altersgerechte Darreichungsformen – wie zum Beispiel Säfte oder transdermale Pflaster – die Arzneimitteltherapie älterer und dementer Patienten, die häufig auf Pflege und Betreuung angewiesen sind, wesentlich vereinfachen. Zudem könnten sie zu einer Verbesserung der Therapietreue beitragen.

Eine wichtige Voraussetzung hierfür sei, dass die Besonderheit altersgerechter Darreichungsformen anerkannt wird. Das müsse sich auch bei der Bildung von Festbetragsgruppen sowie im Festbetrag, also dem von den gesetzlichen Krankenkassen erstatteten Preis, widerspiegeln. „Denn nur dann ist eine solche Entwicklung für Arzneimittelhersteller auch wirtschaftlich vertretbar“, so Kortland.

„Was wir der Politik auch unbedingt mit auf den Weg geben wollen ist: Bringen Sie die Digitalisierung voran. Denn damit lassen sich die Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Arzneimittels unterstützen und verbessern. Die Informations- und Kommunikationstechnologie halten wir – auch über die Gesundheitspolitik hinaus – für so wichtig, dass wir anregen, ein neues Bundesministerium für Digitales zu schaffen. So würden wir dem Thema den Stellenwert geben, den es verdient hat, und mehr Ressourcen für seine Bearbeitung bereitstellen“, ergänzte Kortland.

Der BAH fordert von der neuen Bundesregierung, die Vielfalt im Arzneimittelmarkt fördern. So sollten bei Rabattverträgen pro Los Zuschläge an mindestens drei Hersteller erfolgen. Die Versorgungssicherheit bei einem essenziellen Gut wie dem Arzneimittel genieße ein großes gesellschaftliches Interesse und verdiene – nicht zuletzt auch wegen ihrer Komplexität – besondere Beachtung. Krankenkassen sollten laut BAH mehr in die Verantwortung eingebunden werden. Sie sollten keine Rabattverträge mehr bei versorgungskritischen Wirkstoffen abschließen dürfen. Zudem sollte die Möglichkeit der Aussetzung oder Aufhebung von Festbeträgen bestehen, um die Lieferfähigkeit zu sichern. Der BAH fordert die Abschaffung der Hersteller- und Generikaabschläge sowie des Preismoratoriums.

Reformen fordert der BAH für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) als höchstem Selbstverwaltungsgremium. Die neue Bundesregierung sollte die Beteiligungsrechte der Betroffenen ausweiten und die Transparenz des Verfahrens erhöhen. Zudem seien das Verfahren zur frühen Nutzenbewertung und die anschließenden Erstattungspreisverhandlungen strukturell und institutionell voneinander zu trennen.

Gestärkt wissen will der BAH die Selbstmedikation. Sie führe bereits heute zu erheblichen Entlastungseffekten, nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für Kostenträger und Arbeitgeber. Gemeinsam mit mehr Prävention und Gesundheitserziehung sollte die Selbstmedikation daher als zentrale Säule der Gesundheitsversorgung weiter an Stellenwert gewinnen. Hierzu gehöre unter anderem die Stärkung der Apothekenpflicht, die Förderung von OTC-Switches sowie eine umfassende Weiterentwicklung des Evidenzgedankens mit Hinblick auf die Besonderheiten der Selbstmedikation.

Zudem sollten laut BAH für die Selbstmedikation entwickelte neue pflanzliche Arzneimittel von der frühen Nutzenbewertung ausgenommen werden. Dazu sollte die neue Bundesregierung sicherstellen, dass pflanzliche, homöopathische und anthroposophische Arzneimittel einen gleichberechtigten Stellenwert in der gesundheitlichen Versorgung erhalten.

Um den Stellenwert der Homöopathie wurde zuletzt eine intensive Debatte gaführt. Josef Hecken, Vorsitzender des G-BA, hatte ein Erstattungsverbot gefordert. Mit der Homöopathie auf Kundenfang zu gehen, sei nicht mit der Verantwortung der Krankenkassen gegenüber ihren Versicherten vereinbar. Ein Nutzennachweis für die alternative Heilmethode fehle, man solle die Kostenübernahme nicht nutzen, um die Kunden in die Kasse zu kriegen. Auch in der Union hatte es eine Debatte über die Nutzung von homöopathischen Mitteln gegeben. Ersatzkassen wie die Barmer und die TK wollen Homöopathie dagegen weiter bezahlen.

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