Apobank

„Apotheker, lasst das Klagen sein!“

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Berlin -

Was machen Apotheker und Ärzte im Jahr 2030? Bei Studien mit beunruhigenden Ergebnissen gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man verdrängt die Prognosen oder man schreitet zur Tat. Ulrich Sommer und Daniel Zehnich von der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (Apobank) raten zum Handeln – und zwar genau jetzt.

„Wenn 43 Prozent der männlichen und 49 Prozent der weiblichen Apotheker glauben, dass sie nicht mehr kurativ arbeiten werden, stellt das die Versorgungssicherheit in Frage“, sagt Apobank-Vorstandsvize Sommer. „Man muss sich fragen, wie im Jahr 2030 die medizinische Versorgung aussehen wird.“

Eines steht für ihn fest: Der Apotheker – das ist die gute Nachricht – wird überleben. Apotheken werden auch 2030 noch Apotheken sein. Wer krank ist, darf darauf vertrauen, dass auch in 13 Jahren noch Menschen in der Offizin stehen, weil sie genau das immer machen wollten. Und genau das ist auch das Problem: Visionen müssen her, wie der Beruf weiterentwickelt werden kann. Es reicht nicht mehr aus, Digitalisierung und fehlendes kaufmännisches Wissen nur zu beklagen.

„Der Kern der Apotheke, wie wir sie heute kennen, wird auch 2030 noch vorhanden sein“, sagt Sommer. „Der Apotheker muss aber aus seiner ‚tradierten Apothekenecke‘ heraustreten und sich den Herausforderungen stellen. Heute gibt es Blutdruckmessen, morgen vielleicht ein Zentrum für die frühzeitige Erkennung von Erkrankungen.“ Apotheken könnten künftig auch Fettmessung oder kleine EKG anbieten. „Warum sollte das der Arzt machen, das kann auch der Apotheker.“ Die Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker wird, da ist er sicher, ausgebaut. Dies könne auch beispielsweise via Skype geschehen, das elektronische Rezept kommt sowieso.

Der Optimismus der beiden Banker ist ansteckend: „Man muss Ideen entwickeln. Es geht nicht mehr um den reinen Verkauf, es wird neue Themen geben.“ Sommer zählt auf: „Präventivmedizin, Medikationsplan, Demenz, alleinstehende Menschen – alles Themen- und Geschäftsfelder, die für innovative Apotheker interessant sind. Und es noch zunehmend werden.“

„Wir sehen ein großes Feld für Apotheker. Es ist eine gewisse Resignation zu verspüren, die nicht angebracht ist“, so Sommer. Apotheker sollten das Klagen sein lassen. „Sie müssen Visionen entwickeln, sehen, wo Tätigkeiten ausgebaut werden können, sich zum Beispiel fragen, wie die Digitalisierung in ihrer Apotheke Eingang finden kann.“

Zehnich, Direktor Gesundheitsmärkte und -politik, sagt: „Die Apobank unterstützt ihre Kunden zum Beispiel mit Studien wie dieser, will aufrütteln, das Bewusstsein für Probleme schaffen. Wir sehen uns da als Informations- und Diskussionstreiber. Im vergangenen Jahr haben wir das Thema Digitalisierung fokussiert. Wir haben die Zukunft aufgezeigt und gesagt: Wenn ihr nichts tut, wird es so sein. Jetzt haben alle die gemeinsame Chance, die Rahmenbedingungen zu ändern.“

Zehnich erläutert: „Früher wurden die Apotheker als Heilgötter in Weiß gesehen, heute sagen sie: ‚Wir sehen uns eher als Dienstleister. In dem Vertrauen, das uns entgegengebracht wird, sehen wir unsere Chance.‘ Viele erkennen, dass sie mit Hilfe des Vertrauens der Patienten ihr Arbeitsfeld erweitern können.“

Beide Bankexperten rechnen mit einer umfassenden Veränderung der Rahmenbedingungen: „Die befragten Apotheker sehen eine große Unsicherheit, sie glauben, dass es keine Preisbindung mehr geben und das Mehrbesitzverbot nicht mehr bestehen wird.“ All das führt zu Existenzängsten, viele junge Apotheker retten sich da lieber in die Industrie: „Wir versuchen, intensiv gegenzuhalten. Man muss Ideen entwickeln.“

Auch Stadt & Land bleiben ein Thema. „In Großstädten werden die Veränderungen nicht so auffallen, in der Fläche schon. Die Politik versucht, eine wohnortnahe Versorgung zu erreichen. Es wird eine anspruchsvolle Aufgabe, dieses Ziel zu erreichen“, sagt Sommer. Aus seiner Sicht ist die Angst unbegründet: „Auch außerhalb der großen Zentren ist der Bedarf an Apotheken da. Auf dem Land ist der Wettbewerb zudem nicht so ausgeprägt. Man man eine Apotheke also durchaus lukrativ betreiben. Der Schlüssel liegt darin,dass man sie nicht so führen kann wie in den vergangenen hundert Jahren.“

Der Kampf ums Geld wird härter werden: „Viele Patienten sind durchaus bereit, für ihre Gesundheit Geld auszugeben. Man muss sich als Apotheker darum kümmern, wie man etwas vom Kuchen abbekommt“, sagt Zehnich. Als Vorbild für Apotheker könnten die Zahnärzte dienen. Sie haben in den vergangenen Jahren bewältigt, was den Apothekern noch bevorsteht. „Ihre Vergütungen kommen mittlerweile zu 50 Prozent nicht mehr aus dem GKV-Bereich“, so Sommer.

Die Chance sehen beide im Handeln: „Apotheker sind Heilberufler. Aber wenn ich das Kaufmännische ablehne und auch das Marketing, darf ich mich nicht beschweren, wenn ich wenig Geld in der Kasse habe. Darin liegt der Schlüssel.“ Auch die Standesorganisationen fordert er zum Handeln auf: „Sie müssen ein Zukunftsbild aufzeigen, damit der Apotheker ein entsprechendes Bild entwickeln kann. Das hilft besser, als sich über die aktuelle Situation zu beklagen.“

All das dient auch dem Selbsterhalt. Denn als genossenschaftliches Institut braucht die Apobank Mitglieder, denen es gut geht – mit Konzernen allein könnte man in Düsseldorf kein Geschäft machen. Eine geschlossene Apotheke ist also für die Apobank eine schlechte Apotheke. Und ein Apotheker, der nicht den Sprung in die Selbständigkeit wagt, sondern lieber angestellt arbeitet und nur ein Gehalt bezieht, ein Stückweit auch. „Wir sind von den Apothekern gegründet worden, wir wollen sie natürlich auch erhalten“, sagt Sommer.

So bietet die Bank seit Jahren erfolgreich Seminare in Betriebswirtschaft an, ein Themenfeld, das im Studium selten bis gar nicht vorkommt. 20 Prozent der befragten Männer und 11 Prozent der Frauen glauben, dass sie 2030 eine selbständige Tätigkeit mit mehr als einer Apotheke ausüben werden. An die Einzelapotheke glauben nur 3 Prozent der Männer und 9 Prozent der befragten Frauen. Zehnich: „Sie haben Sorge vor dem finanziellen Risiko und geben an, betriebswirtschaftlich nicht ausreichend ausgebildet zu werden.“ Personalführung sei ebenfalls ein wichtiges Thema, insbesondere wenn man mehrere Apotheken betreibe. „Wir führen auch regelmäßig Existenzgründungsanalysen durch und beraten in Sachen Digitalisierung.“

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