Apothekerhaus

Käufer-Casting für Mendelssohn-Palais Lothar Klein, 24.06.2016 12:01 Uhr

Berlin - 

Das ausrangierte Apothekerhaus in der Berliner Jägerstraße wird ab sofort in einem einer Versteigerung nicht unähnlichen Bieterverfahren angeboten. Die ABDA beauftragte mit der Auswahl des Käufers den Berliner Immobilienspezialisten Büro Dr. Vogel GmbH. Ab heute gibt es eine eigene Website für die Liegenschaft, in der sich zwischen 2002 und 2015 die Geschäftsstelle der ABDA befunden hat. Ein Mindestgebot ist nicht vorgesehen. Das Käufer-Casting soll bis zum Jahresende abgeschlossen sein.

Unter www.mendelssohn-palais.de können sich Kaufinteressenten über das geschichtsträchtige Gebäude informieren, das in den Jahren von 1891 bis 1893 in der Jägerstraße in unmittelbarer Nähe zum Gendarmenmarkt erbaut wurde. Die Seite gibt zudem Auskunft über die Modalitäten des Bieterverfahrens zur Veräußerung der Immobilie, das für das vierte Quartal 2016 vorgesehen ist.

Damit erfolgt der nächste Schritt zur Umsetzung der Beschlüsse der ABDA-Mitgliederversammlung vom vergangenen Jahr. Die ABDA hatte beschlossen, die Geschäftsstelle langfristig in einem neu zu errichtenden Bau in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofes unterzubringen. Bis zu dessen Fertigstellung sind die Mitarbeiter in einem angemieteten Bürokomplex in Berlin-Mitte untergebracht.

„Das geräumte Mendelssohn-Palais kann nun nach entsprechender Vorbereitung zu einem günstigen Zeitpunkt an den Markt gebracht werden“, teilte die ABDA mit. Der Berliner Immobilienmarkt boomt. Ob das allerdings auf für das Mendelssohn-Palais zutrifft, bleibt angesichts der wegen des Denkmalschutzes eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit offen. Laut ABDA-Verkaufsexposé verfügt das ehemalige Bankhaus über eine Nutzfläche von 3800 Quadratmeter und bietet je nach Nutzungskonzept Platz für 70 bis 250 Arbeitsplätze.

Durchgeführt wird der Verkauf mit einem „offenen, mehrstufigen Bieterverfahren“. Das Verfahren unterschiedet sich von einer Versteigerung dadurch, dass nicht automatisch der Höchstbietende den Zuschlag erhält. Versteigerung von Privat-Immobilien sind in Deutschland außerhalb von Zwangsversteigerungen nicht zulässig. Daher behält sich die ABDA die letzte Auswahl des Käufers mit dem Bieterverfahren vor.

Eigentümer und Verkäufer der Immobilie ist offizielle die ABDA-Tochter VGDA-Verwaltungsgesellschaft Deutscher Apotheker mbH. Das mit dem Verkauf betraute Büro Dr. Vogel GmbH tritt nicht als Makler auf. Daher erfolgt der Verkauft des Mendelssohn-Palais provisionsfrei.

47 Millionen D-Mark hatte die ABDA seinerzeit für das Objekt bezahlt, das sind umgerechnet rund 24 Millionen Euro. Von einer Maklerprovision in Höhe von rund 1,5 Millionen Mark war später die Rede – für ein Objekt, das bis dahin leer gestanden hatte. In die Bücher genommen wurde das Haus jedenfalls mit knapp 21 Millionen Euro. Nach den üblichen Abschreibungen waren davon Ende 2013 rund 17 Millionen Euro übrig.

Auf einen ähnlichen Betrag kam ein Verkehrswertgutachten, das die ABDA Ende 2010 auf Drängen einiger Mitgliedsorganisationen in Auftrag gegeben hatte, als über den Erwerb des Nachbargrundstücks gesprochen wurde. Vier beziehungsweise sieben Millionen Euro hatte das Objekt also in nur neun Jahren an Wert eingebüßt – eine ungewöhnliche Entwicklung in der Hauptstadt und am Gendarmenmarkt.

Auf 6 Millionen Euro veranschlagte ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz, der nach dem plötzlichen Abgang von Jürgen Siegemund die Bereiche Finanzen und Personal mit übernommen hat, die Kosten für Brandschutz und Rettungswege heute. Dazu kommen 2,5 Millionen Euro, die in die Haustechnik und die technische Gebäudeausrüstung investiert werden müssen.

Zusammen mit den Aufwendungen für die Risssanierung hätte die ABDA nach eigenen Berechnungen also mindestens 11,5 Millionen Euro in das Objekt investieren müssen, wenn die Apotheker das Gebäude weiter hätten nutzen wollen.

Neben dieser Summe hat die ABDA für das Mendelssohn-Palais tief in die Tasche gegriffen: Auf 3,7 Millionen Euro summieren sich die Ausgaben für die Immobilie in den vergangenen Jahren, 1,8 Millionen Euro waren es nicht nur der Umbau von Büros in der zweiten Etage: Rund 230.000 Euro kosteten etwa Schwingungsmessungen, Rissmonitoring und Gutachten zur Rissbildung, mindestens 60.000 Euro wurden für Brandschutzkonzepte und die Fluchtwegeplanung ausgegeben.

Das jetzt gestartete Bieterverfahren steht allen Interessierten offen und ist in mehrere Phasen gegliedert: Es beginnt ab sofort mit der Registrierung. Die erste Phase hat am 24. Juni 2016 begonnen. Die ABDA wählt die Bieter aus. Zugelassene Bieter erhalten voraussichtlich ab Anfang August ein spezielles Exposé im geschützten Bereich des Internets. In der dritten Phase erfolgt die Abgabe eines Gebotes. Dafür ist eine Frist von vier Wochen vorgesehen. Die Angebote müssen ein Mindestgebot sowie belastbare Aussagen zu dem Finanzierungskonzept enthalten. Die Phase 3 startet voraussichtlich im vierten Quartal 2016.

In einer sich hier anschließenden vierten Phase behält sich die ABDA vor, gegebenenfalls Nachgebote der besten Bieter abzufordern. In der letzten Phase wählt die ABDA mehrere Bieter aus mit der Forderung, ein verbindliches notarielles Kaufangebot abzugeben. Diesen Bietern wird hierfür mit ausreichend zeitlichem Vorlauf vorab ein Kaufvertragsentwurf vorgelegt. Erst danach erhalten die Bieter „die Möglichkeit der vertiefenden, gegebenenfalls mehrmaligen Begehung des Gebäudes und eine vollständige Einsichtnahme in sämtliche Unterlagen, die der Verkäufer des Mendelssohn-Palais besitzt“, so die ABDA. Für diese Phase ist ein Zeitraum von sechs bis zwölf Wochen vorgesehen. Die ABDA will sämtlichen ausgewählten Bietern, die nicht zum Zuge kommen, die Kosten für die notarielle Beurkundung ihrer Angebote auf Nachweis erstatten.

Die ABDA weist darauf hin, dass das Bieterverfahren ist kein Vergabeverfahren nach dem Vergaberecht (GWB). Es besteht daher kein Rechtsanspruch auf Teilnahme an diesem Bieterverfahren. Die Auswahl der zugelassenen Bieter steht im freien Ermessen des Verkäufers. Zugelassene Bieter können jederzeit ohne Angabe von Gründen vom Bieterverfahren ausgeschlossen werden.

Die ABDA preist ihr ehemaliges Apothekerhaus auf der Internetseite an: Erbaut wurde das Mendelssohn-Palais für das Bankhaus Mendelssohn & Co. vom Architektenbüro Schmieden & Speer in den Jahren 1891 bis 1893. „Das Gebäude besticht durch sein äußerliche Klarheit und gleichzeitig zurückhaltende neoklassizistische Eleganz. Das Gebäude befand sich damals mitten im Berliner Bankenviertel, einer der Finanzmetropolen des 19. Jahrhunderts“, so die Ausschreibung.

Zunächst diente das Palais als Sitz der Mendelssohn Bank. Zwischenzeitlich nutzte die Deutsche Handelsbank AG das Gebäude. Ab 2002 diente das Mendelssohn-Palais als Sitz der ABDA in Berlin.

„Das Mendelssohn-Palais besticht durch einzigartige historische Räumlichkeiten, die in einem außergewöhnlich guten Zustand erhalten sind“, so die ABDA. Von Rissen im Gemäuer ist nichts zu lesen. Als ehemaliges Bankhaus spiegele sich die repräsentative Bedeutung des Mendelssohn-Palais in der detailreichen Innenarchitektur wider und vergegenwärtige die Geschichte des Gebäudes. Besonders deutlich zeige sich dies in der „prachtvollen Schalterhalle und dem ausladenden Aufgang zu den ehemaligen Direktionsräumen im ersten Geschoss“.

Einzeln aufgelistet werden folgende Merkmale: repräsentative Aufgangsbereiche, historische Treppenanlagen, prachtvolle Schalterhalle, Goldzimmer, Reliefs mit Handelsmotiven von Johann Gottfried Schadow, Tresorräume in EG und KG, holzvertäfelte Direktionsräume und pyramidenförmiges Kuppeldach über der Schalterhalle.

Mit der repräsentativen Wirkung des Gebäudes seien verschiedene Nutzungen denkbar, so die ABDA. Die historischen Räumlichkeiten wie die ehemalige lichtdurchflutete Schalterhalle im Zentrum des Gebäudes eigneten sich sowohl für die Repräsentation als auch für kulturelle Nutzungen. Ebenso denkbar seien kreative Nutzungen mit Shared-Workspaces. „Das Mendelssohn-Palais bietet in Verbindung mit einer modernen Einrichtung ebenfalls die Möglichkeit, außergewöhnliche Arbeitsplätze in einer einzigartigen Umgebung zu erschaffen.“

Die weitläufigen Räumlichkeiten im Erdgeschoss ermöglichten eine Vielzahl von Veranstaltungsformaten, „ob festliche Empfänge, kulturelle Veranstaltungen, Ausstellungen oder Konferenzen“. Gleichzeitig böte das Mendelssohn-Palais ausreichend Büroflächen, um als Unternehmenssitz oder Bürogebäude genutzt zu werden. Darüber hinaus existierten eine Vielzahl an Konferenzräumen, die sich für Besprechungen in einem außergewöhnlichen Ambiente anbieten.

Das Mendelssohn-Palais berge viele Potenziale, „sowohl bei den Nutzungsmöglichkeiten als auch für ein langfristiges Immobilieninvestment“. Die rückseitig gelegenen Räumlichkeiten ließen sich an den individuellen Bedarf anpassen. Denkbar seien sowohl Großraumbüros als auch – wie im aktuellen Zustand – Einzel- beziehungsweise kleinere Mehrpersonenbüros.

Das Mendelssohn-Palais stehe für eine Symbiose aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Als Nutzung denkt die ABDA an Botschaften, Stiftungs- oder Verbandssitze, Unternehmenssitze oder -repräsentanzen, Bürogebäude, Museum oder Galerie oder als Coworking-Space (Mietbüro).