Kommentar

Apothekengesetz: Die Zitterpartie beginnt

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Berlin -

Das Rx-Versandverbot ist verloren, die Gleichpreisigkeit durchlöchert – das sogenannte Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nach bald drei Jahren EuGH-Urteil eine Minimallösung, die den Schaden in Grenzen hält. Besser als nichts, wird die ABDA jetzt erklären müssen, weil ihre unhaltbaren Forderungen geplatzt sind. Allerdings: Noch ist das VOASG längst nicht in „trockenen Tüchern“. Jetzt beginnt für die Apotheker die parlamentarische Zitterpartie, kommentiert Lothar Klein.

Da nur wenige Gesetzes den Bundestag unverändert passieren, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch das Apothekenstärkungsgesetz noch Korrekturen erfährt. Das birgt Risiken für die Apotheker. Ein Risiko trägt den Namen Karl Lauterbach. Der SPD-Fraktionsvize hat seine Kandidatur für den SPD-Vorsitz angekündigt. Wer SPD-Chef werden will, muss glaubwürdig sein und seiner Basis seine klare Politik zusichern. Das Herumgeeiere der letzen SPD-Führungen bei vielen politischen Fragen hat die Sozialdemokraten an den Rand ihrer politischen Existenz geführt.

Lauterbach wird also beweisen müssen, dass er tut was er sagt. Und da hat der SPD-Politiker seit geraumer Zeit ein Problem mit sich selbst. Kurz vor der Verabschiedung des Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) erklärte Lauterbach die Importförderung für überholt und kündigte das Nein der SPD dazu an. Daraus geworden ist bekanntermaßen ein fauler Kompromiss. Mehrfach hat Lauterbach zudem eigene Gegenentwürfe zum Apothekenthema angekündigt. Auch daraus wurde nichts. Und zuletzt erklärte Lauterbach Spahns Boni-Verbot im SGB V für europarechtlich zum Scheitern verurteilt: „Es kommt so, wie ich es befürchtet hatte, die Regeln sind europarechtlich und verfassungsrechtlich nicht haltbar“, so Lauterbach. Die von Spahn vorgeschlagene Übertragung des Rx-Boni-Verbots vom Arzneimittelgesetz (AMG) ins Sozialgesetzbuch (SGB V) sei „komplett unlogisch“.

In vielen Statements fordert Lauterbach stets eine Politik der klaren Kante. Wie geht der Professor in den anstehenden Beratungen des Bundestages zum Apothekengesetz jetzt mit seinen eigenen Widersprüchen um? Wartet Lauterbach auf ein Nein aus Brüssel? Mit der Fortsetzung solcher Politik macht sich die SPD selbst überflüssig. Also steht Lauterbach auf dem Weg zur SPD-Chef unter besonderer Beobachtung aus den eigenen Reihen. Sonst so wenig beachtete Fragen der Apothekenpolitik spielen dabei plötzlich eine andere Rolle.

Ein Risiko für die Zukunft des Apothekenstärkungsgesetzes stellen auch die Landtagswahlen am 1. September in Brandenburg in Sachsen dar. Wie lange hält die große Koalition in Berlin noch, falls wie die Prognosen vorhersagen CDU und SPD erneut herbe Verlust hinnehmen müssen. Selbst wenn sich in Brandenburg die SPD und die CDU in Sachsen in den Regierungen irgendwie halten können, ist der Fortbestand keineswegs gesichert. Reicht die Zeit für das Apothekenstärkungsgesetz noch aus?

Und dann wäre da noch Brüssel: Spahn hat der EU-Kommission die Vorlage seines Apothekengesetzes bereits zugesagt. Auch ohne formale Notifizierung wird sich Brüssel das Boni-Verbot also genau ansehen. Ob Spahn mit seiner Begründung durchkommt, die in Teilen sehr an die gescheiterte Argumentation der Bundesregierung vor dem EuGH erinnert, ist sehr fraglich.

Der morgige Kabinettsbeschluss ist also nur der erste Schritt und der Auftakt zu einer politischen Zitterpartie. Die gut 200 Millionen Euro für die Apotheken – im Durchschnitt 10.000 Euro pro Apotheke – sind noch längst nicht in der Kasse. Die ABDA muss in den kommenden Wochen und Monaten daher mit Bedacht agieren und die zuletzt harsche Kritik aus den eigenen Reihen am Gesetzentwurf bändigen. Für unhaltbare Forderungen ist jetzt kein Platz mehr. Spahns VOASG ist das letzte Angebot der Politik und bietet mit den pharmazeutischen Dienstleistungen zumindest eine reale Zukunftschance.

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