Anti-Korruptionsgesetz

OTC-Rabatt unter Korruptionsverdacht Alexander Müller, 16.10.2015 10:42 Uhr

Berlin - 

In vielen Apotheken stehen zurzeit die Jahresgespräche an. Doch die Hersteller treibt eine Sorge um: das Anti-Korruptionsgesetz. OTC-Rabatte könnten – so die Befürchtung – strafrechtlich problematisch werden, wenn man die Grenze der Einflussnahme ganz scharf zieht. Die Branche ist verunsichert.

Nach den derzeitigen Plänen des Gesetzgebers machen sich Apotheker, Ärzte und andere Heilberufler – verkürzt dargestellt – künftig strafbar, wenn sie in ihrem Beruf als Gegenleistung für ein bestimmtes Verordnungs- oder Abgabeverhalten Vorteile fordern, annehmen oder sich versprechen lassen und dabei Wettbewerber behindern oder gegen ihre freiberufliche Unabhängigkeit verstoßen.

Einige Hersteller befürchten, dass Einkaufsrabatte als versuchte Einflussnahme gewertet werden können – und Bestechung wird vom Gesetz wie Bestechlichkeit behandelt. Die Industrie ist vorsichtig, vor allem gegenüber umsatzgestaffelten Rabatten gibt es Vorbehalte. Zur Sicherheit planen einige Unternehmen Vereinbarungen mit kurzen Kündigungsfristen. Damit hätten beide Seiten die Möglichkeit des schnellen Ausstiegs, sollte sich der Vertrag nach Inkrafttreten des Anti-Korruptionsgesetzes als problematisch herausstellen.

In der Begründung des Entwurfs heißt es, dass es bei branchenüblichen und allgemein gewährten Rabatten und Skonti bereits an der Unrechtsvereinbarung fehlen kann, „da diese nicht als Gegenleistung für eine konkrete Bezugsentscheidung gewährt, sondern allgemein gegenüber jedermann angeboten werden.“ Wenn es an einer Unrechtsvereinbarung fehlen kann, heißt das im Umkehrschluss, dass es auch eine geben kann.

Und genau hier beginnt die Grauzone: Wenn ein Apotheker laut Vereinbarung zusätzliche Rabatte bei Erreichen einer Umsatz- oder Absatzschwelle erhält, könnte ihn das bei seinem Abgabeverhalten bereits beeinflussen. Das gilt nach dieser strengen Auslegung umso mehr, je schmaler das Sortiment des Herstellers ist. Bei einem einzigen relevanten Präparat ist der Bezug zur Abgabe unmittelbarer als bei eine breiten Produktpalette. Aus diesem Grund wird das Thema aktuell bei Herstellern heißer diskutiert als unter den Großhändlern.

Verträge im OTC-Markt sind so vielfältig wie die Marken in der Sichtwahl selbst: Die Großhändler verhandeln meist pauschale Prozentsätze, allerdings mit Ausschlusslisten. Die Hersteller rabattieren einzelne Präparate zur Markteinführung oder das gesamte Sortiment. Gerade Markenhersteller wie Bayer oder Engelhard haben Umsatzstaffeln eingebaut. Verträge werden mit einzelnen Apotheken geschlossen oder mit Kooperationen und Einkaufsgemeinschaften ausgehandelt.

Seriös lässt sich derzeit nicht vorhersagen, welche Auswirkungen das Anti-Korruptionsgesetz auf diesen Bereich haben wird, schon weil es noch gar nicht final verabschiedet wurde. Aber selbst nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt kommt es darauf an, was wie angegriffen und bewertet wird. Die Firmen treibt die Angst um, dass ihre Mitarbeiter sich unmittelbar strafbar machen.

Laut Begründung des Gesetzesentwurfs ist der Einkauf grundsätzlich relevant, da Vorteile bei der späteren Entscheidung über die Abgabe des Mittels fortwirken können. Dabei geht es nicht nur um die unlautere Bevorzugung im Wettbewerb, sondern um die heilberuflichen Unabhängigkeit gemäß dem jeweiligen Berufsrecht. Denn eine Bezugsentscheidungen könne auch wegen Verstößen gegen Preis- und Rabattvorschriften unlauter sein, „bei denen es an einem korruptionsspezifischen Unrechtsgehalt sowie an einer Beeinträchtigung des Vertrauens in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen fehlt“, heißt es.

Ein Verstoß gegen das Berufsrecht liegt etwa vor, wenn der Einkauf von der Vorteilszuwendung abhängig gemacht wird und die Interessen des Vorteilsgebers über das Wohl des Patienten gestellt werden. Problematisch sind demnach vor allem „Preisnachlässe, die gezielt in verdeckter Form gewährt werden, um sie dem Patienten vorzuenthalten“. Auch dabei muss aber die Unabhängigkeit der Beratung durch die Vereinbarung eingeschränkt sein.

Die aktuellen Probleme wurzeln in der Vorgeschichte des Gesetzes. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte 2012 entschieden, dass sich korrupte Ärzte nach damals geltendem Recht nicht strafbar machen. Denn ein niedergelassene Vertragsarzt sei weder als Amtsträger noch als Beauftragter der Krankenkassen zu behandeln, so die Begründung. Zwei Fälle wurden in Karlsruhe verhandelt: Ratiopharm mit der Beteiligung von Ärzten am verordneten Umsatz und eine Firma, die Ärzten die Kosten für hochwertige Reizstromgeräte in ihren Praxen erlassen hatte.

Der BGH hatte dem Gesetzgeber indirekt aufgetragen, diese Lücke zu schließen. Während die schwarz-gelbe Regierung mit ihrem nach Expertenmeinung unausgegorenen Vorstoß im Bundesrat gescheitert war, steht Justizminister Heiko Maas (SPD) nun kurz vor dem Abschluss. Sein Ende Januar vorgelegter Gesetzentwurf sieht eine Ergänzung des Strafgesetzbuchs (StGB) um § 299a und 299b vor: Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen.

Die Ärzte haben seit dem Karlsruher Urteilsspruch dafür gekämpft, dass es kein Spezialgesetz für korrupte Ärzte gibt, das den ganzen Berufsstand unter Generalverdacht stellen würde. Tatsächlich werden im Anti-Korruptionsgesetz alle Heilberufler angesprochen. In der konkreten Ausgestaltung hatten die Verfasser des Entwurfs aber offenbar doch vor allem die Mediziner im Blick.

Das führt dazu, dass sich Apotheker in ihrer Eigenschaft als Kaufleute schnell in rechtlich unsicherem Terrain bewegen, selbst wenn dieses Verhalten nichts mit Korruption zu tun hat. Die ABDA hat in ihren bisherigen Stellungnahmen zum Gesetz wiederholt eingefordert, dass es für Apotheker mehr Klarheit geben müsste, was künftig verboten ist und was nicht. Beim Skonto ist nach einer Überarbeitung des Gesetzesentwurfs anscheinend gelungen, vom Tisch ist das Thema Einkaufsvorteile aber noch nicht.