Rx-Versandverbot

Selbsthilfe: Botenpflicht für Apotheken

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Berlin -

Mit der ABDA, BVDVA und EAMSP als Verbändern der Versandapotheken und der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG Selbsthilfe) haben sich weitere Verbände zum Rx-Versandverbot geäußert. Die Patientenorganisation verweist auf die Vorteile des Versandhandels für Chroniker und für Patienten mit besonderen Erkrankungen. Sollte die Politik dennoch ein Rx-Versandverbot aussprechen, müsse die Botendienstpflicht für Apotheken eingeführt werden. Die Versandapotheken plädieren erneut für eine Höchstpreisregelung für Arzneimittel. Und die ABDA staunt über die Grünen.

Als Dachverband von 120 Bundesverbänden der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen sowie von 13 Landesarbeitsgemeinschaften hält die BAG Selbsthilfe den Rx-Versandhandel für die Versorgung dieser Personengruppen auf dem Land für erforderlich. Gerade für mobilitätseingeschränkte Menschen seien Versandapotheken eine „wichtige Form“, insbesondere wenn „der Botendienst der örtlichen Apotheke nicht oder nicht in dem Maße vorhanden ist, in dem der Erkrankte diesen benötigt“. Es stehe den Apotheken derzeit frei, einen solchen Botendienst als Service anzubieten. „Insoweit kann ein Verbot des Versandhandels eine erhebliche Einschränkung für mobilitätseingeschränkte Menschen bedeuten“, so die BAG Selbsthilfe. Sollte die Politik ein Rx-Versandverbot aussprechen, fordert die Patientenorganisation eine Botendienstpflicht für Apotheken.

Auch für Patienten, die ihre Erkrankung nicht bekannt machen wollten und den Gang in die örtliche Apotheke daher scheuten, biete der Versandhandel einen „erheblichen Vorteil“. Zwar gebe es theoretisch und bereits jetzt vorgeschrieben die Möglichkeit, in einer Apotheke vor Ort eine Beratung in einem separaten Raum zu erhalten. „Dies wird jedoch in der Praxis noch viel zu selten umgesetzt“, kritisiert die BAG Selbsthilfe. Wegen der Rx-Boni und den günstigeren OTC-Preisen biete der Versandhandel zudem deutliche finanzielle Vorteile für chronisch Kranke.

Allerdings räumt die BAG Selbsthilfe ein, dass einige Mitgliedsverbände der Auffassung seien, dass die individuellen Kostenvorteile die gesamtgesellschaftliche Gefahren nicht aufwiegen und eine Zunahme des Rx-Versandhandels langfristig zu einer Schwächung der regionalen Versorgungsstruktur führen könne, ähnlich wie dies beim Einzelhandel der Fall sei. Es werde auch gesehen, dass die Vor-Ort-Apotheken für Menschen mit chronischer Erkrankung und Behinderung einen wichtigen Ansprechpartner darstellten.

Vor diesem Hintergrund fordert die BAG Selbsthilfe vor allem, dass die Anliegen von Menschen mit chronischen Erkrankungen berücksichtigt werden, die auf Spezialversender angewiesen sind. „So wären viele Spina-Bifida-Betroffene bezüglich der Oxybutinin-Instillationssets von dem Versandhandelsverbot betroffen, da diese von Spezialapotheken versendet werden. Auch die ambulante Betreuung von Mukoviszidose-Patienten wäre tangiert. Diese kann in aller Regel nicht von der normalen Vor-Ort-Apotheke abgedeckt werden“, schreibt die Patientenorganisation.

Die ABDA befürwortet den Antrag der Fraktion Die Linke für ein Rx-Versandverbot: Die Vorteile eines Rx-Versandverbots für die Preisbindung überwiegen demnach die Beeinträchtigung der Interessen der Versandapotheken, die ohnehin nur „wenige Betriebserlaubnisinhaber in einem vergleichsweise kleinen Geschäftsfeld hinnehmen müssten“.

Die Vorschläge der Grünen, Höchstpreise einzuführen und einer Expertenkommission einzusetzen, lehnt die ABDA ab. Gedeckelte Boni seien europa- und verfassungsrechtlich schwieriger umzusetzen als ein Versandverbot. Boni für alle verschärften das Problem für die Vor-Ort-Apotheken noch statt es zu lösen. Die Tatsache, dass die Kassen auf den Vorschlag angesprungen seien und Einzelverträge schließen wollten, zeige, dass „in all diesen Modellen die das Qualitätniveau und insbesondere die Versorgungssituation der Patienten vor Ort keine tragende Rolle spielen“. Der Gesetzgeber habe erkannt, dass keine Reserven im System seien und gerade das Rezepturhonorar angehoben; ein Preiswettbewerb würde Versandapotheken mit ihrem eingeschränkten Leistungsspektrum begünstigen und Apotheken vor Ort die benötigten Mittel entziehen.

Wenn man – wie offensichtlich auch die Grünen – richtigerweise davon ausgehe, dass gegenwärtig in Deutschland keine Überversorgung durch Apotheken bestehe, sei nicht erklärlich, warum zunächst eine Absenkung des Versorgungniveaus hingenommen werden solle, um anschließend Maßnahmen zu erörtern, wie es unter anderem mit neuen Preisbildungsmodellen wieder gehoben werden könne, so die ABDA.

Auch die Kritik der Grünen, es gebe zu wenige Zahlen zur Entwicklung der Apotheken, lässt die ABDA nicht gelten: Regelmäßig würden umfangreiche Statistiken veröffentlicht – wenn weitere Daten gewünscht seien, müsse man das Interesse unter dem Aspekt des Datenschutzes und der rechtlichen Grundlage im Einzelfall prüfen. Für Diskussionen über eine Weiterentwicklung des Apothekenhonorars sei man offen, so die ABDA.

Beim EU-Versandapothekenverband stoßen die Forderungen der Grünen nach Höchstpreisen dagegen auf offene Ohren. Gegenüber der Linksfraktion weisen die EU-Versender darauf hin, dass auch sie beraten – telefonisch und per Video – und dass die einen „empirisch belegbaren Beitrag zur Adhärenz“ leisteten. Ja, man leiste keinen Notdienst in Deutschland – Schuld daran sie aber das Fremdbesitzverbot. Dann folgt die Stellungnahme zu dem Entwurf von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe.

Im März hatte der EAMSP 54 Seiten Argumente gegen das Rx-Versandverbot geliefert. Es war ein großer Rundumschlag, in dem so ziemlich jeder sein Fett weg bekam: Den Genossenschaften Noweda und Sanacorp etwa wurde unterstellt, nur der Profitgier der deutschen Apotheker zu dienen. Und dass es in den Apotheken an Nachwuchs fehle, liege nicht nur an Fehlallokation, Demographie und Zurückhaltung der Apotheker – sondern auch an der „Empfehlungspolitik der Standesorganisationen“, so der EAMSP mit Verweis auf die Einlassungen von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt aus dem Jahr 2013 zu kleinen Apotheken.

Auch der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) wiederholt in seiner Stellungnahme die bekannten Argumente: Der BVDVA lehnt ein Rx-Versandverbot „aus juristischen, wirtschaftlichen und vor allem sachlichen Erwägungen“ ab. Der ebenfalls in der Anhörung zur Diskussion stehende Antrag der Grünen zur Reform des Apothekenhonorars enthalte hingegen „viele überlegenswerte Punkte“.

Ein Verbot oder eine Einschränkung verschlechtere die flächendeckende Versorgung, weil der Rx-Versandhandel bereits heute das Angebot der Vor-Ort-Apotheken ergänze. Apotheken auf dem Land schlössen wegen Nachfolgeproblemen beziehungsweise weil der Arzt vor Ort nicht mehr praktiziere. Außerdem gebe es klare Indizien dafür, dass die Versorgungsstrukturen gerade mit Einführung der Versandapotheken nicht gelitten hätten, sondern sogar stabiler geworden seien.

Deutschland sei Vorreiter im Bereich des Arzneimittelversandhandels in Kontinentaleuropa. Aktuelle Zahlen aus Skandinavien zeigten, dass ein moderater Wettbewerb zu mehr Qualität bei Service und Angebot führten, insbesondere weil mehr investiert werde. Der Preis sei nicht alleiniger Treiber, wenn eine entsprechende Qualität angeboten werde. Dann komme es, wie die Erfahrungen aus Dänemark und Schweden belegten, auch nicht zu Abwanderung in andere Bereiche. „Eine maßvolle, wettbewerbliche Öffnung für alle Apotheken mit vorgegebenen Leitplanken wäre auch in Deutschland wünschenswert“, so der BVDVA. Verkrustete Strukturen lähmten Innovation und zementieren nur den Status Quo.

Eine Preisbindung für Arzneimittel sei beispielsweise auch nicht in der Versorgung von Krankenhäusern oder bei Rettungswachen gegeben und trotzdem gebe es keinen Mangel an Apotheken, die diese Einrichtungen adäquat versorgten. Höchstpreise für Arzneimittel könnten den Wettbewerb und die flächendeckende Versorgung stärken. Moderater Wettbewerb würde die Abhängigkeit der Apotheke von Arztpraxen und Ärztehäusern sogar lösen. Außerdem habe der EuGH festgestellt, dass nicht nachweisbar sei, dass mit einheitlichen Abgabepreisen eine bessere geografische Verteilung der Offizinapotheken sichergestellt werde.

Abschließend lasse sich feststellen, dass ein Versandverbot „kein geeignetes und angemessenes Mittel“ sei, um auf das EuGH-Urteil zu reagieren. Vielmehr sollte die Chance genutzt werden, die Arzneimittelpreisverordnung hin zu einer Höchstpreisverordnung zu entwickeln und mit wettbewerblichen Elementen chronisch Kranke und die Krankenkassen zu entlasten, so der BVDVA.

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