Kommentar

Ampel: Abschied von der Standardapotheke

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Berlin -

Die Ampel macht Ernst. Apotheken sollen gestärkt werden – aber nur solche, die sich auch für die Versorgung ins Zeug legen und neuen Aufgaben übernehmen. Das Abschlusspapier der Arbeitsgruppe Gesundheit trägt die Handschrift der Grünen und zeigt, dass es für die „Standardapotheke“ ungemütlicher wird.

Schon in der Corona-Krise zeigte sich, dass die Politik den Apotheken mehr zutraut, dass diese aber auch aktiv mitarbeiten müssen. Masken durften noch alle Apotheken verteilen, doch bei den Bürgertests mussten sie sich aktiv um den Status als beauftragte Leistungserbringer bemühen. Auch Impfstoffe durften zunächst alle Apotheken ausliefern, jetzt sollen zumindest die Impfteams direkt versorgt werden. Und Impfungen in Apotheken stoßen bei weiten Teilen des Berufsstands auf Skepsis, sodass jeder Inhaber selbst die Entscheidung treffen muss, ob er bei den Modellprojekten mitmachen will.

Unter der Ampel, das zeigt das Abschlusspapier der Arbeitsgruppe Gesundheit, dürfte sich diese Spaltung weiter beschleunigen. „Wir novellieren das ‚Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken‘, um pharmazeutische Dienstleistungen besser zu honorieren und Effizienzgewinne innerhalb des Finanzierungssystems zu nutzen“, heißt es da. Mit anderen Worten: Die Packungspauschale wird zusammengestrichen, damit neue Services honoriert werden können. Das stärkt zwar die Apotheken gegenüber dem Versandhandel und Standorten, an denen viele Rezepte abgegriffen werden – und schließt damit auch ein Stückweit die Schere zwischern großen und kleinen Apotheken. Es ist aber eben kein Freifahrtschein, sondern eine aus Sicht der Politik gewollte Aufspaltung in diversifizierte und weniger diversifizierte Apotheken.

Auch im Notdienst und der Versorgung auf dem Land soll sich laut SPD, Grünen und FDP einiges ändern: „Die Arzneimittelversorgung durch Apotheken an integrierten Notfallzentren in unterversorgten Gebieten verbessern wir durch flexiblere Vorgaben in der Apothekenbetriebsordnung“, heißt es dazu. Übersetzt: Wenn Notfallpraxen an Kliniken angesiedelt sind, muss der bisherige Apothekennotdienst reformiert werden. Und auf dem Land sollen Erleichterungen gelten, etwa was Kooperationen unter Apothekenbetreibern oder die Anzahl der Filialen angeht, das hatte Janosch Dahmen (Grüne) schon vor der Wahl angedeutet.

Überhaupt sollen Apotheken auf dem Land gestärkt werden, und zwar auf Kosten ihrer Kollegen aus der Stadt, auch dies ist seit einem entsprechenden Gesetzesvorschlag der Grünen aus dem Jahr 2019 als Gegenentwurf zum VOASG kein gesundheitspolitisches Geheimnis mehr. „Wir entwickeln den Nacht- und Notdienstfonds zu einem Sicherstellungsfonds weiter und schaffen eine Verordnungsfähigkeit für Notfallbotendienste in der ambulanten Notfallversorgung“, heißt es dazu. Mit anderen Worten: Der NNF selbst soll das Geld dorthin verteilen, wo es gebraucht wird.

Auch das Beispiel Cannabis zeigt, dass die Ampel weniger in den bisherigen Kategorien wie apothekenpflichtig, apothekenexklusiv oder apothekenüblich denkt und nicht mehr mit der Gießkanne verteilen will. Zugegeben, die Apotheker haben sich nicht darum gerissen. Doch es entspricht ohnehin viel mehr dem Stil von SPD, Grünen und FDP, solche Aufträge an „lizenzierte Geschäfte“ zu vergeben.

Die Apotheken müssen sich darauf einstellen, dass ein Teil des Geschäfts außerhalb des Standardkatalogs läuft. Wer mitspielen will, muss sich fit machen und bewerben. Das ist Chance und Risiko gleichermaßen, denn es reduziert die Abhängigkeit vom GKV-Bereich und eröffnet neue Spielfelder, fordert aber auch Eigeninitiative und Engagement in diesem Bereich. Die wird sich nicht jede Apotheke leisten können: Gerade die kleinen Betriebe in ländlichen Regionen, die ja eigentlich gestärkt werden sollen, haben oft gar keine Ressourcen für solch zusätzliches Engagement – allein schon, weil vielerorts das Personal dafür fehlt. Die Schere könnte also trotz allem weiter auseinandergehen, das Apothekensterben dürfte anhalten.

Unter der Ampel läuft alles auf integrierte und selektive Versorgungsformen hinaus, dieses Leitmotiv zieht sich durch das gesamte Arbeitspapier: „Durch den Ausbau multiprofessioneller, integrierter Gesundheits- und Notfallzentren stellen wir eine wohnortnahe, bedarfsgerechte, ambulante und kurzstationäre Versorgung sicher und fördern diese durch spezifische Vergütungsstrukturen. Zudem erhöhen wir die Attraktivität von bevölkerungsbezogenen Versorgungsverträgen (Gesundheitsregionen) und weiten den gesetzlichen Spielraum für Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern aus, um innovative Versorgungsformen zu stärken.“

Die Pharmahersteller haben dagegen weniger Grund zu Optimisimus. Ob die Mehrwertsteuer als Kostenblock tatsächlich gesenkt wird, bleibt abzuwarten. Hier werden die Haushaltspolitiker ein Wörtchen mitreden wollen. Fest dürfte dagegen stehen, dass die AMNOG-Schrauben noch einmal angezogen werden; mit Herstellerrabatt, Preismoratorium und Erstattungspreis bereits nach sieben Monaten.

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