Arztstatistik 2016

Ärzte: Schicht statt Selbstständigkeit

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Berlin -

Gibt der Arzt auf, ist auch die Apotheke in Gefahr. Diese Gleichung gilt in der Politik vielfach als Erklärung für den seit Jahren anhaltenden Rückgang der Apothekenzahlen in Deutschland. Die aktuelle Statistik der Bundesärztekammer (BÄK) zeigt zwar insgesamt einen gegenläufigen Trend: Die Zahl der Mediziner steigt – aber nur in Krankenhäusern. Dagegen sank 2016 die Zahl der niedergelassenen Ärzte leicht.

„Wer nur die leicht steigenden Arztzahlen betrachtet, verschließt die Augen vor der ganzen Wahrheit. Tatsächlich öffnet sich die Schere zwischen Behandlungsbedarf und Behandlungskapazitäten immer weiter. Schon heute klaffen bei der ärztlichen Versorgung in vielen Regionen große Lücken“, kommentiert BÄK-Präsident Professor Dr. Frank Ulrich Montgomery. Wie aus den Daten hervorgeht, erhöhte sich die Zahl der bei den Landesärztekammern gemeldeten Ärzte um 2,1 Prozent.

Damit waren im Jahr 2016 im Bundesgebiet 378.607 Ärzte tätig, 7305 mehr als im Vorjahr. Von ihnen arbeiten 194.401 im Krankenhaus. Kleiner ist die Gruppe der ambulant tätigen Ärzte mit 151.989. Die Zahl der niedergelassenen Ärzte dagegen sank um 0,9 Prozent auf 119.641. Hinzu kommen 32.217 Mediziner, die bei Behörden, Körperschaften und in sonstigen Bereichen beschäftigt sind. Ihr Anteil blieb im Vergleich zum Vorjahr mit 8,5 Prozent unverändert.

Der Zuwachs relativiert sich laut BÄK, wenn man die enorm hohen Behandlungszahlen in Praxen und Kliniken betrachtet. Allein in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung kommt es jährlich zu mehr als einer Milliarde Arzt-Patienten-Kontakten. In den Krankenhäusern erhöhte sich die Zahl der Behandlungsfälle in den letzten zehn Jahren um mehr als 2,5 Millionen auf fast 19,8 Millionen. Da die Deutschen immer älter würden, sei ein Ende dieser Entwicklung nicht in Sicht, glaubt die BÄK. Wissenschaftler prognostizierten bis 2030 einen Anstieg der Lebenserwartung bei Männern in Deutschland von 78 auf fast 82 Jahre und bei Frauen von 83 auf 86 Jahre.

Und auch die Ärzte plagen Nachwuchssorgen: „Unsere Gesellschaft altert, und die Ärzteschaft altert mit. Fast jeder vierte niedergelassene Arzt plant, in den nächsten fünf Jahren seine Praxis aufzugeben", warnt der BÄK-Präsident. Zwar stieg im Jahr 2016 die Zahl der unter 35-jährigen berufstätigen Ärzte (plus 2334). Dem steht aber in den Altersgruppen der 50- bis 59-Jährigen ein Zuwachs von 1600, bei den 60- bis 65-Jährigen von 1172 und bei den über 65-Jährigen von 2463 Ärztinnen und Ärzten gegenüber.

Nach wie vor steigt auch der Anteil der Ärztinnen an der Gesamtzahl der berufstätigen Ärzte. Er beträgt jetzt 46,5 Prozent. Im Jahr 1991 lag der Frauenanteil noch bei einem knappen Drittel. Seitdem hat er sich um 38,4 Prozent erhöht. Auf dem Arbeitsmarkt sind Mediziner weiterhin äußerst gefragt. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) meldete 1943 offene Stellen für Ärzte (Vorjahr: 1807). „Damit herrscht praktisch Vollbeschäftigung – das ist eine gute Nachricht für die Mediziner, aber aus der Versorgungsperspektive ein deutliches Warnsignal“, so die BÄK.

Weiterhin ungebrochen ist der Trend zur Festanstellung im ambulanten Bereich. Im Jahr 2016 betrug der Zuwachs hier 10,1 Prozent. Die Gesamtzahl der im ambulanten Bereich angestellten Ärztinnen und Ärzte erhöhte sich auf 32.348. Damit hat sich ihre Zahl seit 1993 fast versechsfacht. Bemerkenswert ist der hohe Frauenanteil von 62,7 Prozent in dieser Gruppe.

Immer mehr angestellte Ärzte entscheiden sich gegen eine Vollzeitstelle. Allein im Jahr 2015 stieg der Anteil der Ärzte und Psychotherapeuten in Teilzeitanstellung nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) um 10,6 Prozent. Für die Versorgung der Patienten bedeutet dies aber, dass mehr Köpfe gebraucht werden, um die gleiche Menge an Arbeit zu leisten.

„Die Politik muss diesen Zusammenhang zwischen mehr Teilzeitarbeit und weniger Arztstunden endlich anerkennen und die Zahl der Studienplätze erhöhen“, fordert Montgomery. Notwendig sei eine Steigerung um 10 Prozent. Ein wenig entschärft wird der Ärztemangel laut BÄK durch die Zuwanderung aus dem Ausland. Die Zahl der in Deutschland gemeldeten ausländischen Ärzte stieg im letzten Jahr um 9,7 Prozent auf 46.721. Damit besitzen 11 Prozent der in Deutschland berufstätigen Ärztinnen und Ärzte eine ausländische Staatsbürgerschaft.

Die stärksten Zuwächse gab es mit 746 Ärztinnen und Ärzten aus Syrien, es folgen Rumänien(+223), Serbien (+218), die Ukraine (+160), Russland (+109) und Aserbaidschan (+108). Die meisten ausländischen Ärzte stammen damit aus Rumänien (4285), Griechenland (3118) und Syrien (2895), gefolgt von Österreich (2600). Ihnen stehen 2050 Kolleginnen und Kollegen gegenüber, die Deutschland im Jahr 2016 den Rücken gekehrt haben. Die beliebtesten Auswanderungsländer waren, wie schon in den vergangenen Jahren, die Schweiz (677), Österreich (295) und die USA (112). Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte ohne ärztliche Tätigkeit hat sich im vergangenen Jahr um 2,7 Prozent erhöht.

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