Ärzteatlas 2016

Viele Ärzte, aber schlecht verteilt APOTHEKE ADHOC, 19.07.2016 13:21 Uhr

Berlin - 

Wo der Arzt fehlt, ist auch die Existenz der Apotheke in Gefahr. Angesichts der im internationalen Vergleich überdurchschnittlichen Quote von 4,1 Ärzten pro 1000 Einwohnern in Deutschland sollten sich die Apotheker daher keine großen Sorgen machen müssen. Allerdings weist der aktuelle Ärzteatlas 2016 deutliche regionale Unterschiede aus. In abgelegenen Regionen gibt es bereits medizinische Versorgungslücken. Dort wird es auch für Apotheker schwer.

Mit 4,1 Ärzten pro 1000 Einwohner steht Deutschland bei der Arztdichte im internationalen Vergleich auf einem Spitzenplatz. Nur in Griechenland, Österreich, Norwegen und Portugal gibt es mehr. Damit liegt Deutschland knapp ein Viertel über dem internationalen Durchschnittswert von 3,3 Ärzten pro 1000 Einwohner. Der aktuelle Ärzteatlas 2016 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zeigt zudem, dass die Arztdichte in Deutschland zwischen 1991 und 2015 um knapp 50 Prozent zugenommen hat. Allerdings drängeln sich die meisten Ärzte in den Ballungsgebieten.

„Die Versorgungslage ist durch eine steigende Arztdichte, aber auch durch erhebliche Verteilungsprobleme gekennzeichnet. Die Überversorgung in einigen Regionen bindet Ressourcen, die anderswo fehlen“, so Helmut Schröder, stellvertretender WIdO-Geschäftsführer. Der Gesamtversorgungsgrad liege bei sämtlichen Fachrichtungen deutlich über dem Soll. Selbst im vieldiskutierten hausärztlichen Bereich ergibt sich 2015 bundesweit ein Gesamtversorgungsgrad von knapp 110 Prozent. Auch bezogen auf die Ebene der Kassenärztlichen Vereinigungen gebe es nirgendwo eine Unterdeckung.

Insgesamt sind 44 Prozent aller Planungsbereiche bei Hausärzten rechnerisch überversorgt. Es gibt also insgesamt mehr Hausärzte, als im Rahmen der Bedarfsplanung nötig wären. „Allerdings zeigen sich“, so Schröder, „zum Teil enorme regionale Unterschiede: Einer Unterversorgung oder drohenden Unterversorgung in einigen Landstrichen steht eine deutliche Überversorgung insbesondere in Ballungsgebieten und für Ärzte attraktiven Regionen gegenüber.“

In Sachen-Anhalt, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg liegen die Versorgungsquoten im Landesschnitt mit 101,5 bis 103,5 Prozent am unteren Ende. In einzelnen Regionen dieser Bundesländer ist die ambulante medizinische Versorgung mit Versorgungsquoten unter 90 Prozent aber bereits gefährdet. Bei Fachinternisten ist der bundesweite Versorgungsgrad mit 221,1 dagegen doppelt so hoch wie erforderlich. Radiologen, Chirurgen und Anästhesisten liegen ebenfalls deutlich über dem Versorgungssoll.

Vor allem im hausärztlichen Bereich wird sich die Lage aber verschärfen. Hier gibt es eine große Zahl an älteren Ärzten, die vermutlich auf absehbare Zeit Praxisnachfolger suchen werden oder dies bereits tun. Bundesweit ist ein Drittel der Hausärzte 60 Jahre oder älter.

Zwar muss, insbesondere in den überversorgten Städten und Kreisen, nicht jeder frei werdende Arztsitz wieder besetzt werden. Kritischer stellt sich die Lage allerdings dort dar, wo ungünstige Faktoren zusammenkommen: Niedriger Versorgungsgrad, hoher Altersanteil bei den Ärzten und Schwierigkeiten mit der Wiederbesetzung. „Ärztlicher Nachwuchs wird in den kommenden Jahren vor allem im hausärztlichen Bereich benötigt“, so Schröder.

Im Jahr 2015 wurden mit 456 berufstätigen Ärzten je 100.000 Einwohner deutschlandweit fast 50 Prozent mehr Mediziner gezählt als noch im Jahr 1991 mit 304 Ärzten. Dabei verzeichneten alle Bundesländer deutliche Zuwächse. Seit 1980 hat sich die Arztdichte in Deutschland sogar mehr als verdoppelt.

Die Arztzahlen liegen bei allen Arztgruppen über dem „Soll“. Nach den Regeln der aktuellen Bedarfsplanung für die ambulante vertragsärztliche Versorgung liegt in Deutschland insgesamt kein Ärztemangel vor, vielmehr wird das Plansoll über alle Arztgruppen hinweg bundesweit um fast ein Drittel übertroffen.

Um ein realistisches Bild der Situation zu zeigen, sei es sinnvoll, die ärztliche Versorgung und den Bedarf in Zukunft verstärkt sektorenübergreifend zu betrachten, betont Schröder: „Die Versorgungsrealität lässt sich besser abbilden, wenn zum Beispiel bei der Versorgung mit Kinder- und Jugendpsychiatern auch der stationäre Bereich mit einbezogen wird.“ Das WIdO werde sich daher verstärkt der Frage widmen, ob und wie eine sektorenübergreifende Transparenz über die ärztliche Versorgung gelingen kann.