Doppelter Virus-Herbst

Ärzte zu Grippeimpfung: Risikogruppen zuerst! APOTHEKE ADHOC, 24.09.2020 13:03 Uhr

Zweite Welle: Weil nicht genügend Grippe-Impfstoff vorhanden ist, sollen vor allem Risikogruppen geimpft werden. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Für eine Erhöhung der Grippe-Impfquote setzt sich die Ärzteschaft in Westfalen-Lippe ein – insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass im Herbst ein Zusammentreffen der zweiten Corona- mit der jährlichen Grippewelle zu erwarten ist. Die Ausdehnung der Grippeschutzimpfung auf die gesamte Bevölkerung lehnen Ärztekammer (ÄKWL) und Kassenärztliche Vereinigung (KVWL) jedoch ab: Weil nicht genügend Grippeimpfstoff vorhanden ist, sollen vor allem Risikogruppen geimpft werden.

„Wir müssen bei der Grippeschutzimpfung vorrangig die Bevölkerungsgruppen ins Auge fassen, die ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe einer Influenza oder von Covid-19 haben“, sagt Kammerpräsident Dr. Hans-Albert Gehle. Dies seien etwa Bewohner von Senioren-, Alters- und Pflegeheimen, chronisch Kranke, Schwangere oder auch beruflich besonders exponierte wie Ärzte, Pfleger und medizinisches Personal. Denn 2020/21 würden laut Ständiger Impfkommission (STIKO) wahrscheinlich etwa 25 Millionen Impfdosen zur Verfügung stehen. Für die vollständige Versorgung der Risikopersonen allein würden laut STIKO aber bereits 40 Millionen Einheiten benötigt.

Man müsse eine Unterversorgung der Risikopatienten durch eine falsche Verteilung des Impfstoffes unbedingt vermeiden, so Gehle. Es sei notwendig, bereits jetzt die richtigen Weichen für die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu stellen, wenn zum Ende des Jahres die alljährliche Grippewelle auf die zweite Phase der Corona-Pandemie trifft. „Der doppelte Virus-Herbst wird eine besondere Herausforderung für die Patientenversorgung.“

„In diesem ersten Herbst und Winter unter Pandemiebedingungen werden die niedergelassenen Ärzte neben den alljährlichen Grippepatienten zusätzlich auch Corona-Verdachtsfälle betreuen und behandeln. Eine hohe Impfrate bei der Grippeschutzimpfung, vor allem bei älteren und chronisch kranken Personen, ist deshalb in diesem Jahr besonders wichtig. Auf diese Weise kann eine doppelte Belastung durch das Influenza- und Coronavirus für Patienten und Praxen so gering wie möglich gehalten werden“, erklärt Dr. Volker Schrage, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KVWL und selbst niedergelassener Hausarzt. „Wichtig bei einer Grippeimpfung ist auch der richtige Zeitpunkt. Der Körper benötigt nach der Impfung zwei bis drei Wochen, bis genügend Antikörper gebildet wurden, um wirksam vor einer Influenzainfektion zu schützen. Daher empfehlen wir eine Impfung im Oktober.“

„Die KVWL hat den Vertragsärzten in Westfalen-Lippe im Frühjahr die Möglichkeit gegeben, ihre Impfstoffbestellungen für die Saison 2020/21 noch einmal anzupassen, um auf eine zu erwartende höhere Nachfrage nach der Grippeschutzimpfung vorbereitet zu sein. Dieses Vorgehen wurde auch vom Robert Koch-Institut empfohlen“, ergänzt Thomas Müller, Vorstand der KVWL. „Patienten, die sich impfen lassen möchten, sollten sich vorab an ihren Hausarzt wenden und sich individuell dazu beraten lassen.“

Einig sind sich die westfälisch-lippischen Ärztevertretungen in ihren Bemühungen, die bestehenden Impflücken in der Bevölkerung zu schließen und eine höhere Durchimpfungsrate zu erreichen. Impfungen gehören nach Ansicht von ÄKWL und KVWL zu den einfachsten und wirkungsvollsten Präventivmaßnahmen gegen Infektionskrankheiten und deren schwerwiegende Folgen. Impflücken seien ein „gesamtgesellschaftliches Problem“.

Für Gehle ist es dringend notwendig, das Verantwortungsbewusstsein in der Bevölkerung zu stärken und damit die Impfmotivation zu verbessern. „Weil viele Infektionskrankheiten allmählich aus dem Bewusstsein der Menschen verschwinden, sinkt die Motivation, sich zu schützen. Aber für die Bevölkerung muss Impfschutz eine Selbstverständlichkeit werden. Denn Impfen ist die wirksamste Form von Krankheitsbekämpfung.“