Lobbyismus

Abgeordnetenwatch kritisiert Schreibtischwechsel Tobias Lau, 15.01.2019 17:43 Uhr

Guter Draht zum alten Chef? Die Plattform Abgeordnetenwatch kritisiert, dass ein Referent von CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich jetzt das Hauptstadtbüro von Roche leitet. Foto: Andreas Domma
Berlin - 

Die Lobby-Kontroll-Plattform Abgeordnetenwatch kritisiert den Wechsel eines Mitarbeiters von CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich zum Pharmahersteller Roche. Mit seinem Wechsel zum Schweizer Konzern trage der ehemalige Hennrich-Referent Thomas Hugendubel dazu bei, die Nähe der Industrie zu politischen Entscheidungsträgern zu erhöhen.

Thomas Hugendubel leitet seit Jahresbeginn das Hauptstadtbüro von Roche. Der 31-Jährige, einst Referent für politische Kommunikation bei der CDU Baden-Württemberg, war zuvor Referent und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestagsbüro von Michael Hennrich. „Der wirklich interessante Aspekt“ ist laut Abgeordnetenwatch, dass Hennrich bei der CDU für den Bereich Arzneimittel zuständig ist. „Für den Cheflobbyisten eines Pharmaunternehmens ist das äußerst praktisch – ein Anruf bei seinem Ex-Chef, und er ist mit dem Arzneimittelexperten der Regierungsfraktion verbunden“, schlussfolgert die NGO. „Einen besseren Zugang zu einem politischen Entscheider kann es nicht geben.“

Tatsächlich ist Hennrich Mitglied des Bundesgesundheitsausschusses sowie dessen Obmann und in der CDU für die Themen Arzneimittel und Apotheken zuständig. Abgeordnetenwatch nimmt den Fall zum Anlass, auch auf andere Wechsel von Bundestagsmitarbeitern unterhalb der Abgeordnetenebene hinzuweisen – allesamt aus der Union. So hatte Hennrich bereits vor gut zwei Jahren einen Mitarbeiter an die Industrie verloren: Im Oktober 2016 war Sebastian Schütz, wissenschaftlicher Mitarbeiter zu Arzneimittelpolitik in Hennrichs Büro, zum Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) gewechselt, um dort die politische Kommunikation zu übernehmen.

Im gleichen Jahr war Ulf Birke, Referent des CSU-Gesundheitspolitikers Georg Nüßlein, zum Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) gewechselt. Ebenfalls aus einem CDU-Bundestagsbüro zum vfa gewechselt ist Christoph Dien. Der ehemalige Bürochef des Abgeordneten Dietrich Monstadt, Mitglied im Gesundheitsausschuss und Berichterstatter für die Themen Medizinprodukte, Diabetes, Adipositas und Zahnärzte, leitet den Bereich „Gesundheitssysteme“ beim vfa.

Konkrete Fälle von Einflussnahme im Interesse von Arzneimittelherstellern oder gar Rechtsbrüche wirft Abgeordnetenwatch weder Hugendubel noch Hennrich oder anderen in die Industrie gewechselten Bundestagsmitarbeitern vor. „Ob diese ihren direkten Draht ins Parlament nutzen, um die Interessen ihres Interessenverbandes oder Unternehmens durchzusetzen, ist nicht bekannt“, heißt es auf der Plattform. Jedoch verdeutliche das Muster – das es so auch in anderen Wirtschaftsbereichen gebe – die Notwendigkeit einer zentralen Registrierung und Auskunftspflicht. „Abhilfe schaffen könnte ein umfassendes, verpflichtendes und öffentliches Lobbyregister, in dem Interessenvertreter ihre Kontaktaufnahmen in die Politik aufführen müssten – auch die zu ihren Ex-Chefs.“

Denn Seitenwechsel wie die von Hugendubel „laufen in aller Regel unter dem öffentlichen Radar ab“, weil die Namen von Referenten oder Büroleitern der Öffentlichkeit in der Regel nicht geläufig sind. Das sei zwar nachvollziehbar, „andererseits aber höchst erstaunlich“, weil „große Konzerne und Lobbyverbände sich auf diese Weise einen direkten Zugang zu politischen Entscheidungsträgern einkaufen“. Angesichts der streng regulierten Milliardenmärkte im Arzneimittelbereich „liegt es geradezu auf der Hand, dass Lobbyverbände und Konzerne Interesse am engen beruflichen Umfeld dieser Abgeordneten entwickeln“, fasst Abgeordnetenwatch zusammen.

Zuletzt erregte ein ähnlicher Seitenwechsel öffentliches Aufsehen: Der ehemalige Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium, Matthias Berninger, war zum Jahreswechsel zu Bayer gewechselt. Er übernimmt dort die Leitung der Public and Governmental Affairs. Vor allem vor dem Hintergrund der Monsanto-Übernahme und der Rechtsstreitigkeiten um den Unkrautvernichter Glyphosat steht das in der öffentlichen Wahrnehmung im krassen Gegensatz zu seinem Parteibuch, denn Berninger ist bei den Grünen.