Digitalisierung

ABDA gegen Spahn: E-Rezept ist DAV-Sache Lothar Klein, 11.02.2020 10:56 Uhr

Berlin - 

Bei der Einführung des E-Rezepts setzt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) klar auf Wettbewerb: Die Gematik soll eine eigene E-Rezept-App entwickeln, die als technische Grundlage für alle Wettbewerber dient. Das sieht der Referentenentwurf für ein Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) vor. In einem aktuellen Positionspapier pocht die ABDA aber weiterhin auf einer staatlichen Monopolstellung der Web-App des DAV: „Die Gewährleistung eines diskriminierungs- und beeinflussungsfreien Zugriffs des Patienten auf sein E-Rezept ist nur als hoheitliche Aufgabe umsetzbar.“ Die Apothekerschaft biete an, diese einheitliche technische Lösung gematik-konform für die Versichertengemeinschaft umzusetzen.

Die Gewährleistung eines diskriminierungs- und beeinflussungsfreien Zugriffs des Patienten auf sein E-Rezept sei nur als hoheitliche Aufgabe umsetzbar, so die ABDA. Der Staat müsse die erforderliche Infrastruktur selbst oder im Wege der Beleihung eines vertrauenswürdigen Dritten ohne Partikularinteressen zur Verfügung stellen. Apotheker- und Ärzteschaft genössen aufgrund der mit „ihrer Berufsausübung verbundenen Verschwiegenheitspflicht großes Vertrauen“. Ihre Berufsorganisationen repräsentierten zugleich jeweils alle an der Versorgung beteiligten Heilberufler, argumentiert die ABDA: „Eine diskriminierungsfreie Infrastruktur für den Patienten könnte daher durch eine Verbändelösung garantiert werden.“

Der DAV entwickele bereits eine webbasierte Anwendung zum Handling des E-Rezepts durch den Patienten. „Die WebApp des DAV gestaltet die technischen Prozesse zwischen Patient und Heilberufler kostengünstig und diskriminierungsfrei, zeitlich effizient sowie mit höchstem Patientennutzen“, so das Selbstlob. Sie biete als zentrales und bundesweit einheitlich strukturiertes System für alle Patienten gleiche Chancen und Möglichkeiten der Teilhabe an der digitalen Gesundheitsversorgung – unabhängig davon, wie hoch die persönliche digitale Kompetenz sei.

Diese einheitliche Lösung solle übergreifend für alle GKV-Kassen und auch andere Kassenarten funktionsfähig sein. Sie garantiere Wettbewerbsneutralität und diskriminierungsfreien Zugang für alle inländischen und ausländischen Apotheken. Sie stelle zudem sicher, dass Patienten ihre Rezeptverwaltung ohne Beeinflussung durch Dritte – ohne Werbung, Makeln, oder Manipulation – durchführen könnten. Um all dies zu gewährlisten, bedürfe es „neben dem Makelverbot eines soliden rechtlichen Rahmens, der eine entsprechende Beauftragung des DAV oder eine Beleihung ermöglicht“.

Grundsätzlich begrüßt die ABDA in ihrem Positionspapier die für 2021 geplante Einführung des E-Rezepts. Voraussetzung für die erfolgreiche Einführung sei die Akzeptanz vor allem der Versicherten, aber auch der Heilberufler. Die eigentliche Herausforderung liege darin, das Handling des E-Rezepts für den Patienten so zu gestalten, „dass er dem System vertraut, es versteht und einfach anwenden kann“. Von der Verordnung bis hin zur Abgabe von Medikamenten, müsse die volle Patientensouveränität gewährleistet bleiben. Dazu hat die ABDA folgende Kernpunkte aufgestellt:

  • Der Versicherte muss ohne Beteiligung Dritter seine E-Rezepte einsehen können.
  • Er muss seine E-Rezepte verwalten, transportieren und gegebenenfalls eigenhändig vernichten können.
  • Es muss jedem Versicherten möglich sein, eine unverbindliche und anonyme Verfügbarkeitsanfrage in einer Apotheke seiner Wahl zu platzieren.
  • Das E-Rezept muss persönlich oder digital in jeder Apotheke seiner Wahl eingelöst werden können, ohne dass dem Versicherten im Vergleich zur analogen Vergangenheit Nachteile entstehen. Das bedeutet auch, dass die Nutzung des E-Rezepts ohne Smartphone möglich sein muss.

Das E-Rezept müsse nicht nur die freie Apothekenwahl sichern, außerdem müsse es „manipulationsgeschützt und werbefrei sein“. Krankenkassen dürften nicht erfahren, was einem Patienten verordnet wurde, bevor er die Verordnung eingelöst habe. Werbung für zusätzliche Produkte, die aus den Indikationen der verschriebenen Präparate abgeleitet werde, müsse „unbedingt unterbleiben“. Lockangebote müssten konsequent ausgeschlossen sein. Das E-Rezept müsse für die Patienten kostenfrei sein, fordert die ABDA. Der Patient müsse das E-Rezept selbst einsehen können und frei entscheiden, was mit der Verordnung weiter geschehen soll. „Auch das Nichteinlösen des E-Rezepts muss eine Entscheidungsoption sein“, so das Positionspapier. Es dürfe keine Situation entstehen, in der der Patient unterschiedliche Apps auf dem Smartphone installieren muss, um seine Arzneimittelversorgung wie gewünscht zu organisieren.

Auch den Datenschutz nimmt die ABDA ernst: Das E-Rezept „muss gegen Angriffe von außen so sicher wie möglich gemacht werden“. Das erfordere eine zentrale, bundeseinheitliche Infrastruktur mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Ein Wettbewerb um die Generierung von Gesundheitsdaten stünde diesem Anspruch entgegen. Gesundheitsdaten dürften nicht „wie andere Konsumentendaten betrachtet werden“.

Die ABDA fordert Spahn auf, auf zwei Ebenen handeln: „Auf regulatorischer Ebene muss ein konsequentes Makelverbot für Verordnungen installiert werden, um Geschäftsmodelle zu Lasten von Patienten und/oder versorgenden Heilberuflern zu verhindern. Auf technischer Ebene sind Mechanismen erforderlich, die das Makeln von E-Rezepten auch faktisch unmöglich machen und den Patienten in seinen Rechten schützen.“

Die bisherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen gehen der ABDA nicht weit genug, es fehlten klare Vorgaben: Lasse Spahn wie beabsichtigt „wettbewerbliche Marktlösungen in Form unterschiedlicher Apps zu“, komme es zu einer Flut konkurrierender Angebote an anwendungs- und sicherheitstechnischen Varianten, „die häufig die zentralen, vorstehend beschriebenen Anforderungen nicht erfüllen werden“. Schon heute zeigten sich Partikularinteressen einzelner Player mit entsprechenden Steuerungsversuchen. „Ein zersplitterter Markt wäre für den Patienten nicht überschaubar und würde sich negativ auf das Vertrauen der Patienten auswirken“, kritisiert die ABDA. Ein Wettbewerb unterschiedlicher Applikationen sollte laut ABDA erst einsetzen können, wenn „der Patient sein E-Rezept eingelöst hat und weitergehende Mehrwertlösungen sucht, die ihn unterstützen“.