Medizinprodukterecht

ABDA: Entschädigung für Apothekenstichproben

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Berlin -

Ende Mai 2020 tritt die EU-Verordnung über Medizinprodukte in Kraft. Daher müssen auf nationaler Ebene Gesetzesanpassungen erfolgen. Zum gleichen Zeitpunkt tritt auch die EU-Verordnung über In-Vitro-Diagnostika in Kraft. Hierfür werden Vorfestlegungen getroffen, die allerdings erst 2022 gültig werden. Das sogenannte Medizinprodukteanpassungsgesetz (MPAnpG-EU), das heute vom Bundeskabinett verabschiedet wird, übernimmt im Wesentlichen die EU-weit gültigen Vorgaben der EU-Verordnungen in deutsches Recht. Von diesen Änderungen sind laut ABDA auch die Apotheken betroffen, die regelmäßig Medizinprodukte betreiben, anwenden und auf dem Markt bereitstellen. Es können kostenlose Stichproben genommen werden.  

Mit dem MPAnpG-EU werden nämlich die mit der Überwachung von Betrieben beauftragen Personen befugt, kostenfrei Produktstichproben zu entnehmen oder kostenfreien Zugang zu den Produkten zu verlangen. Zu den vom MPAnpG-EU erfassten Betrieben zählen laut ABDA auch Apotheken. Der Überwachung durch die zuständigen Behörden, zumeist auf Länderebene, unterliegen: Betriebe und Einrichtungen, in denen Produkte hergestellt, klinisch geprüft, einer Leistungsstudie unterzogen, angepasst, verpackt, ausgestellt, in den Verkehr gebracht, auf dem Markt bereitgestellt, errichtet, betrieben, angewendet, aufbereitet werden Produkte, die bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommen.

Die kostenfreie Entnahme von Produktstichproben führe in der Regel zu einer wirtschaftlichen Belastung der Apotheken, kritisiert die ABDA in ihrer Stellungnahme. Dies gelte insbesondere für jene Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika (IVD), deren „Integrität für die Überprüfung beschädigt werden muss und nicht wiederhergestellt werden kann“. Dazu gehören laut ABDA sämtliche stofflichen Medizinprodukte wie gelbildende Lutschtabletten bei Heiserkeit, Speichelersatzflüssigkeiten, Simeticon bei Blähungen, Macrogol-Pulver zur Stuhlaufweichung, Ultraschallkontaktgel und sämtliche Produkte, die in steriler Form in Verkehr gebracht werden und die nicht zur Wiederaufbereitung vorgesehen sind. Dazu gehören beispielsweise befeuchtende Augentropfen, befeuchtenden Nasentopfen/-sprays aber auch sterile Verbandstoffe, Infusionsbeutel und einige Blutzuckerteststreifen.

Doch auch die Entnahme von Stichproben nicht stofflicher Medizinprodukten, die in der Apotheke betrieben oder verliehen werden, könne die Apotheke finanziell belasten, fürchtet die ABDA. Für gewöhnlich würden in Apotheken nur so viele Produkte für den Verleih bereitgehalten, wie für die durchschnittliche Nachfrage erforderlich seien, beispielsweise bei Druckluftverneblern für die Inhalation von flüssigen Arzneimitteln, Milchpumpen und Babywaagen. Dabei werde berücksichtigt, dass während der Aufbereitung nach Rückgabe (Säuberung, Funktionsprüfung) dieses Produkt vorübergehend nicht für den Verleih zur Verfügung steht.

Medizinprodukte, die in der Apotheke betrieben würden, seien in den meisten Fällen jeweils nur einmal vorhanden. Würden diese Produkte als Stichprobe entnommen, könnten bestimmte Dienstleistungen bis zur Rückgabe durch die Prüfstelle nicht mehr angeboten werden, etwa die Messung des Blutdrucks, des Blutzuckers und anderer Blutwerte. Dies bedeutete für die betroffene Apotheke nicht nur Mindereinnahmen, sondern könne auch zu Versorgungsengpässen bei Patienten führen. „Wir erachten es daher als zielführend, eine Regelung in das MPAnpG-EU aufzunehmen, die für den Fall der Stichprobenentnahme, die nicht beim Hersteller erfolgt, eine angemessene Entschädigung vorsieht“, schreibt die ABDA und verweist auf die Regelung für Arzneimittelstichproben im Arzneimittelgesetz (AMG) getroffen. Demnach sind für Proben, die nicht beim Hersteller entnommen werden, durch den Hersteller eine angemessene Entschädigung zu leisten, soweit nicht ausdrücklich darauf verzichtet wird.

Hauptsächlich werden mit dem MPAnpG-EU das bestehende Medizinprodukte-Gesetz (MPG) und Tatbestände aus weiteren schon bestehenden Regelwerken zu Medizinprodukten wie die Medzininprodukt-Sicherheitsverordnung (MPSV) in ein Gesetz zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften betreffend Medizinprodukte, Medizinprodukte-Durchführungsgesetz (MDG) überführt. Zusätzlich werden mit diesem Gesetz Regelungen aus dem Übereinkommen des Europarates über die Fälschung von Arzneimittelprodukten und ähnlichen Verbrechen, die eine Bedrohung der öffentlichen Gesundheit darstellen (Medcrime-Konvention), umgesetzt.

Eine für Deutschland wesentliche Änderung ist die durch die EU-Verordnung implizit vorgegebene Umgestaltung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern insbesondere bei der Anordnung und Umsetzung von Maßnahmen bei auffälliger Risikobewertung durch eine „zentrale“ Stelle. Auch bei der Absprache mit entsprechenden Institutionen anderer EU-Länder oder bei fehlerhaften oder betrügerischen Anträgen bekommt diese zentrale Stelle eine bedeutende Rolle. Die Europäische Datenbank für Medizinprodukte (Eudamed) wird im Zuge der EU-Verordnungen zur Informationsdatenbank und Austauschplattform für alle EU-Länder.

Die Kompetenz der zuständigen Bundesoberbehörde in Deutschland, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), wird deutlich erweitert und gestärkt. Bisher hat das BfArM lediglich die Aufgabe der Risikobewertung und gibt Empfehlungen an die zuständigen Behörden auf Länderebene, die über einen Vollzug von Maßnahmen entscheiden. Nunmehr bekommt es die Aufgabe selber entsprechend der Risikobewertung notwendige Maßnahmen festzulegen, umzusetzen und diese zu überwachen.

Zum sogenannten nationalen Gestaltungsspielraum, den die EU-Verordnungen zulassen, zählen unter anderem detaillierte Vorgaben zu Verfahrensweisen des BfArM und einer einzurichtenden Ethikkommission, die neben der Sicherheitsbewertung des BfArM eine eigene Bewertung im Rahmen der Produktprüfung und -einführung vornehmen muss.

Auch Regelungen zu klinischen Studien mit Medizinprodukten im Rahmen rein wissenschaftlicher Studien ohne unmittelbaren Bezug zu Produkteinführung und -überwachung, die nicht primär unter die EU Verordnung fallen, werden festgelegt. Weitere Beispiele sind die Festlegung der Sprachen, in denen Unterlagen in Deutschland einzureichen sind, und die Qualifikation der Leiter beziehungsweise Hauptprüfer der klinischen Studien. Das Gesetz bevollmächtigt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zu mehreren Verordnungen, wenn es zum Beispiel um detailliertere Vorgaben geht, wer Zugang zu den nationalen Datenbanken haben kann oder wer die künftigen produktidentifizierenden Informationen („Unique Device Identification, UDI) erhält. Das BMG wird auch ermächtigt, spezielle auf die Nutzung von Software als Medizinprodukt (Medical-Apps) zugeschnittene Regelungen zu erlassen.

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