Apothekerhaus

Das Millionengrab

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Berlin -

Am Mittwoch entscheidet die ABDA-Mitgliederversammlung, ob das Apothekerhaus um zwei Etagen aufgestockt wird. Im Raum steht ein Gesamtbetrag von 26,5 Millionen Euro – das ist mehr, als seinerzeit die Anschaffung gekostet hat. Das Problem: Die Immobilie verschlingt seit Jahren Geld, und selbst ohne Erweiterung kommen auf die Apotheker enorme Kosten zu. Das Mendelssohn-Palais droht für die ABDA zum Millionengrab zu werden.

47 Millionen D-Mark hatte die ABDA seinerzeit für das Objekt bezahlt, das sind umgerechnet 24 Millionen Euro. Von einer Maklerprovision in Höhe von rund 1,5 Millionen Mark war später die Rede – für ein Objekt, das bis dahin leer gestanden hatte. In die Bücher genommen wurde das Haus jedenfalls mit knapp 21 Millionen Euro. Nach den üblichen Abschreibungen waren davon Ende 2013 rund 17 Millionen Euro übrig.

Auf einen ähnlichen Betrag kam ein Verkehrswertgutachten, das die ABDA Ende 2010 auf Drängen einiger Mitgliedsorganisationen in Auftrag gegeben hatte, als über den Erwerb des Nachbargrundstücks gesprochen wurde. Vier beziehungsweise sieben Millionen Euro hatte das Objekt also in nur neun Jahren an Wert eingebüßt – eine ungewöhnliche Entwicklung in der Hauptstadt und am Gendarmenmarkt.

Mittlerweile dürfte der zu erzielende Preis weiter in den Keller gerauscht sein. Denn nachdem sich die Mitgliederversammlung im Februar 2011 gegen Kauf und Bebauung des Nachbargrundstücks entschieden hatte, machte sich die Groth-Gruppe als Eigentümerin selbst an die Arbeit. Mit den Luxus-Eigentumswohnungen aber kamen die Risse.

Mit Beginn der Bauarbeiten nebenan wurde auch das Apothekerhaus zu einer Baustelle: Gewölbebögen wurden abgestützt, Risse im Gemäuer mit gelbem Klebeband gekennzeichnet. Eine Zeitlang standen im Haus Geophone und andere Messgeräte, die Erschütterungen und Absenkungen zwar erfassen, aber nicht verhindern konnten.

Drei Millionen Euro wird laut ABDA-Schätzungen die anstehende Riss-Sanierung kosten. Zwar geht die Geschäftsführung davon aus, dass die Nachbarn für die Schäden aufkommen müssen; der Ausgang sei aber „derzeit offen“. Immerhin wurde und wird rund um das Apothekerhaus gebaut, sodass der kausale Nachweis womöglich schwierig wird. Zwar dürften auch andere umliegende Objekte betroffen sein. Doch bei der ABDA waren schon 2008 – also Jahre vor Beginn der Baumaßnahmen – die ersten Risse im Mauerwerk entdeckt worden.

Dazu kommen im Mendelssohn-Palais wortwörtlich hausgemachte Probleme. Als sich bei der Sonder-Mitgliederversammlung Anfang 2011 abzeichnete, dass die Apotheker das Nachbargrundstück nicht kaufen würden, räumte der damalige Finanzgeschäftsführer Jürgen Siegemund plötzlich ein, dass mit dem Brandschutz nicht alles in Ordnung sei. Von Investitionen von mehreren hunderttausend Euro war damals die Rede.

Auf 6 Millionen Euro veranschlagt ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz, der nach dem plötzlichen Abgang von Siegemund die Bereiche Finanzen und Personal mit übernommen hat, die Kosten für Brandschutz und Rettungswege heute. Dazu kommen 2,5 Millionen Euro, die in die Haustechnik und die technische Gebäudeausrüstung investiert werden müssten.

Zusammen mit den Aufwendungen für die Risssanierung müsste die ABDA nach eigenen Berechnungen also mindestens 11,5 Millionen Euro in das Objekt investieren – ohne dass damit ein einziger neuer Arbeitsplatz eingerichtet werden könnte.

Wo die Probleme liegen, seit wann die ABDA davon wusste und welche Absprachen es mit Feuerwehr und Berufsgenossenschaft gibt, war bislang nicht zu erfahren. Erst nach der Mitgliederversammlung dürften solche Fragen gestellt werden, sagt ABDA-Sprecher Dr. Reiner Kern.

Doch unabhängig von den anstehenden Investitionen hat die ABDA für das Mendelssohn-Palais zuletzt bereits tief in die Tasche gegriffen: Auf 3,7 Millionen Euro summieren sich die Ausgaben für die Immobilie in den vergangenen drei Jahren, 1,8 Millionen Euro waren es alleine im vergangenen Jahr. Nicht nur der Umbau von Büros in der zweiten Etage schlug dabei zu Buche: Rund 230.000 Euro kosteten etwa Schwingungsmessungen, Rissmonitoring und Gutachten zur Rissbildung, mindestens 60.000 Euro wurden für Brandschutzkonzepte und die Fluchtwegeplanung ausgegeben.

Dazu kommen die indirekten Kosten: Von Anfang an gab es Zweifel, ob das ehemalige Bankhaus mit seiner großen denkmalgeschützten Kassenhalle und seinen repräsentativen Präsidenten- und Besprechungszimmern überhaupt zur Nutzung als Bürogebäude geeignet sein würde. Und schon beim Einzug war Vorstand und Geschäftsführung wohl klar, dass es irgendwann einen Platzmangel geben könnte.

2008 war es dann soweit: Für den Geschäftsbereich Pharmazie mietete die ABDA in der Jägerstraße 34 zusätzliche Büroräume an. Kosten im ersten Jahr: 60.000 Euro, danach mehr als 100.000 Euro. Als die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) Mitte 2012 von Eschborn nach Berlin zog, wurden in der Jägerstraße 41 weitere Büroflächen angemietet. Damit verdoppelten sich die Mietausgaben auf 220.000 Euro.

Da man gleich für fünf Jahre unterschrieben habe, sei von stabilen Kosten auszugehen, versprach die Geschäftsführung damals. Doch schon 2013 wurde das Budget massiv überzogen: Mehr als 365.000 Euro verschlang die Flucht vor Enge und Lärm, Staub und Erschütterungen. Einen Sonderhaushalt gab es nicht.

Im laufenden Jahr dürfte es nicht anders aussehen, zumal wegen der Bauarbeiten abermals vorübergehend ganze Abteilungen ausgelagert werden mussten. So sitzt die Pressestelle seit Februar in der Friedrichstraße 200, der neue Pressesprecher kennt das Apothekerhaus sozusagen nur als Gast. Für 2015 wurden – angesichts der unklaren Beschlusslage zum Haus – vorsichtshalber gleich 392.000 Euro für Mieten eingestellt.

Bis Ende 2013 hat die ABDA damit rund 970.000 Euro Miete für externe Räume gezahlt, 700.000 Euro alleine in den vergangenen drei Jahren. Dazu kommen Ausgaben für das Kontaktbüro im Haus der Freien Berufe in der Reinhardtstraße, das die ABDA 1999 für einen Zeitraum von zehn Jahren angemietet hatte und das nach dem Einzug ins Mendelssohn-Palais zunächst leer stand.

Um die Jahresmiete von knapp 100.000 Euro nicht ganz umsonst zu bezahlen, wurden die Flächen ab 2004 als Hauptstadtbüro der Pharmazeutischen Zeitung genutzt. Mittlerweile hat der ABDA-eigene Govi-Verlag, der noch immer auf dem Messingschild am Apothekerhaus zu finden ist, neue Büroflächen angemietet. Diese dürften ebenfalls jährlich einen höheren fünfstelligen Betrag kosten.

Anders sieht die Situation lediglich beim Nacht- und Notdienstfonds (NNF) des Deutschen Apothekerverbandes (DAV) aus. Die Schaltstelle für die Notdienstpauschale steht unter der Rechtsaufsicht des Bundesgesundheitsministeriums (BMG); aus strategischen Gründen will die ABDA diese Einrichtung daher nicht unter ihrem eigenen Dach haben. Die Miete für die Flächen in der Alten Jakobstraße tragen aber auch hier die Apotheker.

Rechnet man die bisherigen und künftigen, direkten und indirekten Ausgaben und Investitionen zusammen, ist das Mendelssohn-Palais womöglich nicht nur ein Millionengrab, sondern ein Totalverlust. Eine aktuelle Einschätzung zum Verkehrswert wollte man bei der ABDA nicht abgeben – noch nicht einmal die Frage, ob es bereits ein neues Gutachten gibt, wurde beantwortet.

Den vor drei Jahren ermittelten möglichen Verkaufspreis würden die aufgelaufenen Kosten jedenfalls weitgehend aufzehren – wenn sich angesichts der Situation überhaupt ein Käufer findet, der das Objekt genauso positiv bewertet wie die ABDA.

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