Rabattverträge

500-Euro-Retax: Kasse muss keine Auskunft erteilen

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Berlin -

Weil ein Apotheker aus Bielefeld einen Rabattvertrag zu Prograf (Tacrolimus) nicht beachtet hatte, retaxierte die BKK Diakonie 500 Euro. Der Pharmazeut klagte – nicht vor dem Sozial-, sondern vor dem Verwaltungsgericht. Doch in der 2. Instanz kassierte er jetzt eine Niederlage.

Die Kasse hatte eine Vereinbarung mit dem Originator Astellas geschlossen, der Apotheker hatte einen vermeintlich günstigeren Reimport abgegeben. Der Wirkstoff steht zwar auf der Aut-idem-Liste, das Austauschverbot greift aber bei Original/Import nicht.

Statt vor dem Sozialgericht gegen die Retaxation zu klagen, versuchte der Pharmazeut sein Glück beim Verwaltungsgericht: Um sicherzugehen, dass der Import für die Kasse überhaupt teurer als das Original war, wollte er diese zur Auskunft verpflichten lassen, wie hoch der von Astellas eingeräumte Rabatt tatsächlich war. Bei 500 Euro wollte er nicht nur der Behauptung der Gegenseite glauben müssen.

Vor dem Verwaltungsgericht (VG) Minden gelang ihm und seinem Anwalt Peter von Czettritz von der Kanzlei Preu Bohlig & Partner im Februar 2017 ein Überraschungserfolg: Die Richter entschieden, dass der Rabatt als „amtliche Information“ einzustufen und die Kasse damit nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zur Auskunft verpflichtet sei. Der Anspruch sei materiell-rechtlich „voraussetzungslos“. Insofern sei es auch unerheblich, ob der Apotheker tatsächlich einem Retaxierungsrisiko ausgesetzt sei oder diesem gegebenenfalls durch die Kenntnis des vereinbarten Rabattsatzes begegnen könne. Selbst kommerzielle Interessen stünden der Geltendmachung nicht entgegen.

Mit dem Urteil war erstmals eine Kasse verpflichtet worden, Auskunft über den Rabatt eines laufenden Vertrags zu geben. Die Richter sahen keinen Grund, warum er als Geschäftsgeheimnis vertraulich bleiben müsse, da es sich bei der konkreten Vereinbarung nicht um eine echte Ausschreibung gehandelt habe und der Wirkstoff obendrein auf der Aut-idem-Liste stehe.

Da der Konzern nicht an der Rentabilitätsgrenze habe kalkulieren müssen, sei die Information über den Rabatt nicht geeignet, der Konkurrenz etwas über die Spanne zu verraten, hieß es. Nur wenn Wirkstoffe tatsächlich exklusiv vergeben würden, gebe es einen echten Bieterwettbewerb. Bei Open-House-Verträgen gebe es diese „Gefahr“ nicht – schon gar nicht, wenn der Wirkstoff wie Tacrolimus auch noch auf der Aut-idem-Liste stehe.

Doch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) kassierte das Urteil jetzt. Laut § 6 IFG darf Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat. Und als „exklusives kaufmännisches Wissen“ sahen die Richter den Rabatt von Astellas an die Kasse an: „Die Höhe des Rabatts lässt für Wettbewerber Rückschlüsse auf die Gewinnmarge der Beigeladenen sowie – zusammen mit anderen Erkenntnissen – auf deren kalkulatorische Grundlagen zu.“ Wettbewerber könnten nämlich davon ausgehen, dass der Hersteller nur einen Rabatt anbiete, der für ihn noch profitabel ausfalle – aber zugleich nicht zu gering, um die Chancen auf einen Abschluss nicht zu gefährden.

Astellas habe an der Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse: „Es ist nachvollziehbar und plausibel, dass ein Bekanntwerden dieser Rabatthöhe – auch heute noch – geeignet ist, die Wettbewerbsposition […] nachteilig zu beeinflussen.“ Der Rabatt habe daher nach wie vor Wettbewerbsrelevanz – sowohl gegenüber anderen Herstellern, als auch gegenüber den Kassen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Vertrag ohne echte Ausschreibung geschlossen und längst abgelaufen sei.

Mit dem Substitutionsausschluss werde zwar die Steuerungswirkung von Rabattverträgen relativiert, aber nicht gänzlich außer Kraft gesetzt. Kasse und Hersteller hätten überzeugend dargelegt, dass sich der Wettbewerb auf die Ebene der ärztlichen Verordnung des Wirkstoffs Tacrolimus vorverlagere. Um dem Wirtschaftlichkeitsgebot zu genügen und sein eigenes Budget nicht zu belasten, werde sich der Arzt typischerweise für das rabattierte Arzneimittel entscheiden. „Auch insoweit behält eine Rabattvereinbarung [...] selbst bei bestehendem Substitutionsausschluss ihre wettbewerbliche Relevanz.“

Schließlich schütze die Geheimhaltung den Hersteller auch vor überzogenen Forderungen: Hätten andere Krankenkassen Kenntnis über den konkreten Rabatt, wüssten sie, zu welchen Konditionen Astellas bereit war, eine individuell ausgehandelte Rabattvereinbarung zu schließen. Andere Krankenkassen wären dann womöglich nicht gewillt, einen geringeren Betrag zu akzeptieren – Astellas wäre in der Rabattgestaltung nicht mehr so frei wie Wettbewerber.

Grundsätzlich gilt: Ist das Original mit gesetztem Aut-idem-Kreuz verordnet, hat der Rabattvertrag der Kasse Vorrang. Ist der Import rabattiert, muss ausgetauscht und der Rabattvertrag bedient werden. Gleiches gilt im umgekehrten Fall: Rabattiertes Original hat Vorrang vor nicht rabattiertem Import. Nicht austauschen muss die Apotheke, wenn ein Generikum rabattiert ist.

Apotheker können das gesetzte Aut-idem-Kreuz nur ignorieren, wenn der Arzt eine ausdrückliche Arzneimittelverordnung vorgenommen hat – also den genauen Produktnamen und die PZN samt Hersteller rezeptiert hat – und einen zusätzlichen Vermerk vorgenommen hat. Geeignet ist beispielsweise: „aus medizinisch-therapeutischen Gründen kein Austausch“.

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