Deutscher Apothekertag 2017

160.000 Euro Spesen für 47 Anträge

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Berlin -

311 Delegierte haben auf dem Deutschen Apothekertag (DAT) in Düsseldorf knapp zwei Tage lang 47 Antrage diskutiert, angenommen, verworfen oder in die ABDA-Ausschüsse zur weiteren Beratung geschickt und dabei überschlägig 160.000 Euro Spesen gekostet. Weil dieses Jahr weniger Anträge vorlagen als in den Vorjahren, endete die Beratung am vergangenen Freitag vorzeitig. Noch vor der Mittagspause sprach ABDA-Präsident Friedemann Schmidt sein Schlusswort.

Auch im vergangenen Jahr fiel das Antragsbuch mit 45 Anträgen auf 101 Seiten relativ dünn aus. Vor zwei Jahren mussten sich die Delegierten in Düsseldorf noch durch 68 Anträge und 148 Seiten wühlen. Dieses Jahr reichen 107 Seiten aus. In Fünf Kapitel waren die Anträge eingeteilt: Sicherung der Versorgung, Apothekenhonorar, Pharmazeutische Kompetenz, Digitalisierung und Berufsstand.

Die ABDA begab sich mit vier Leitanträgen in die Diskussion: Leitantrag L 1 fordert ein Verbot des Rx-Versandhandel sowie das Festhalten am einheitlichen Apothekenabgabepreis. Um diesen Antrag gruppierten sich drei weitere Anträge mit weitgehend identischer Stoßrichtung. Dieser Antrag wurde ohne Aussprache einstimmig angenommen.

Thematisiert wurden von der ABDA im zweiten Leitantrag die immer wieder aufgetretenen Lieferengpässe bei Arzneimitteln. Auch sollten die Rabattverträge „sinnvoll“ begrenzt werden, forderte die ABDA. Im Themenkomplex Lieferengpässe fanden sich des Weiteren Anträge zur Parenteralversorgung, zur Versorgung mit Schmerzpunmpen, die Forderung nach praxistauglichen Packungsgrößen für Parenteralia sowie zur Antibiotikaforschung in Deutschland. Unter dem Stichwort „Sicherstellung der Versorgung“ standen auch zwei Anträge zur Förderung des pharmazeutischen Nachwuchses zur Diskussion.

Im Kapitel „Pharmazeutische Kompetenz“ gab es Anträge zum Medikationsplan, zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS), zur Steigerung der Impfquote und zur Prävention. Im Leitantrag Nummer 3 beschäftigt sich die ABDA unter der Überschrift „Rahmenbedingungen der Berufsausübung“ mit der EU: Die ABDA forderte darin wie die Apothekerkammer Nordrhein eine Stärkung der gesundheitspolitischen Zuständigkeit der EU-Mitgliedsstaaten. Arzneimittel seien wesentlicher Bestandteil des Gesundheitswesens und damit Sache der Nationalstaaten, lautet ein weiterer Antrag. Die EU solle die Freien Berufe zur Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge nutzen, forderte ein dritter Antrag zu diesem Thema.

In diesem Kapitel ging es zudem um die Nutzung von medizinischen Daten zur Versorgungsforschung und um die Speicherung von Gesundheitsdaten in den Apotheken. Eine rechtssichere Verankerung von honorierten Dienstleistungen forderte die ABDA im letzten Leitantrag. Letztes Schwerpunktthema war die Digitalisierung. Dazu legte die ABDA aber keinen Leitantrag vor.

Von den 47 Anträgen wurde knapp die Hälfte ohne Änderungen von den Delegierten verabscheidet, die meisten davon mit großer Mehreit oder sogar einstimmig. Neun Anträge wurden während der Diskussion geändert. Nur ein Antrag wurde abgelehnt. Darin ging es auf Antrag der Apothekerkammer Mecklenburg-Vorpommern um die Zubereitung von Trockensäften für Kinder. Der Gesetzgeber sollte verpflichtet werden, zu einfacheren Zubereitung „unmissverständliche“ Hinweise wie Markierungen auf den Flaschen einzuführen. Weil die Abstimmugn knapp ausfiel, mussten die Stimmen ausgezählt werden.

Drei Anrträge wurden „übergangen“. Damit wurde eine mögliche Abstimmungsniederlage der Antragssteller abgewendet. Die Anträge können so im nächsten Jahr in wieder aufgerufen werden, möglichweise in veränderter Form.

Am ausführlichsten diskutiert wurde in Düsseldorf über die Chancen und Risiken der Digitalisierung. Einig waren sich die Delegierten darin, Anwendungen der „wissensgestützten Entscheidungsfindung“, umgangssprachlich als „künstliche Intelligenz“ bezeichnet, zwar zu nutzen, deren Einsatz im Apothekenalltag aber zu kontrollieren. Den Gesetzgeber forderten die Delegierten auf, bei allen Maßnahmen und Plänen zur Digitalisierung im Gesundheitssektor „dafür Sorge tragen, dass die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch öffentliche Apotheken vor Ort nicht gefährdet wird“.

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt fasste die zwiespältige Stimmung des DAT zum Thema Digitalisierung so zusammen: „Die Digitalisierung ist ein Thema, das mir Sorgen macht.“ Er sehe in vielen Fragen einen Konflikt zwischen den Chancen und Risiken der technischen Entwicklung. Neben den Möglichkeiten halte er daher die Warnungen für gerechtfertigt, „dass wir in die Nähe es Kerns kommen, der unseren Beruf ausmacht: des Kontaktes mit dem Patienten von Angesicht zu Angesicht.“

Angenommen wurde ein Antrag des Apothekerverbandes Schleswig-Holstein zum Thema künstliche Intelligenz. In der Forschung, der Versicherungswirtschaft, der Rechtsfindung und auch in der Medizin kämen bereits vermehrt Systeme des „Deep Learnings“ zum Einsatz – selbstlernende Software. „Wie stellen wir uns als Apotheker zu diesen Anwendungen“, fragte Verbandsvorsitzender Peter Froese.

Wissenschaftliche Heilberufe wie die Apotheker sollten den Nutzwert solcher Anwendungen nutzen, aber immer als „Filter“ hinter der Software die Ergebnisse der künstlichen Intelligenz prüfen. Froese: „Der Mensch trifft die letzte Entscheidung.“ Daher solle die Apothekerschaft den Einsatz künstlicher Intelligenz in Apotheken prüfen und „gegebenenfalls Regeln für deren Einsatz definieren“.

Zu einer längeren kontroversen Diskussion kam es über den Antrag der Landesapothekerkammer Hessen zur Entwicklung einer App, die die Verfügbarkeit von Arzneimittel im Notdienst auch für Patienten und Ärzte erkennbar macht. Eine Delegierte lehnte diesen Vorschlag mit dem Argument ab: „Wenn ich Arzt bin, rufe ich in der Apotheke an.“ DAV-Chef Fritz Becker sah darin ein Einfallstor für die Krankenkassen: „Die hätten vollen Einblick in unsere Warenlager“ und fürchtet neue Ansatzpunkte für Retaxationen. Rainer Bienfait vom Berliner Apothekerverein fügte hinzu: „Auch Konkurrenten hätten Einblick in mein Warenlager.“

Hans-Peter Hubmann wiederum warnte vor der Einschränkung der Handlungsfreiheit der Apotheker im Notdienst: „Unsere große Kompetenz geht verloren.“ „Im Notdienst ist die Situation anders als in der digitalen Welt“, lehnte auch Stefan Fink vom Apothekerverband Thüringen eine solche App ab: „Wir machen uns damit überflüssig, schwächen uns selbst.“

Umso bemerkenswerter war der Wortbeitrag von Claudia Korf, ABDA-Geschäftsführerin Wirtschaft, Soziales und Verträge. Sie stellte sich auf die Seite der Antragssteller: „So einfach ist das nicht.“ Die Lieferprobleme würden die Apotheken gerade im Notdienst immer stärker unter Druck setzen. Eine rasche Klärung durch ein Telefonat mit dem verordnenden Arzt werde zudem immer schwieriger, weil sich der ärztliche Notdienst in die Notfallpraxen der Krankenhäuser verlagere. „Ich finde diesen Gedanken interessant“, schlug Korf die Einrichtung eines Ausschusses vor.

Holger Seyfarth, neuer Vorsitzender des Hessischen Apothekerverbandes HAV, hielt eine solche App wegen der Vorteile für Patienten für sinnvoll, „weil sie dann wissen, wo sie ihr Medikament bekommen. Und Günter Hanke, Präsident der Apothekerkammer Baden-Württemberg, die einen vergleichbaren Antrag vorgelegt hatte, warnte vor reflexartiger Ablehnung von Apps. Er sei verwundert über die vorgetragenen „Totschlagargumente“. Schließlich verständigten sich die DAT-Delegierten darauf, dass die Zeit für eine Entscheidung über eine Verfügbarkeits-App im Notdienst angesichts der kontroversen Meinungen noch nicht reif sei und verwiesen die Frage in den Ausschuss.

Zustimmung fanden hingegen Anträge zur Entwicklung eines elektronischen Arzt-Apotheken-Informationssystems. ABDA-Präsident Schmidt kündigte dazu in absehbarer Zeit Entscheidungen an: „Wir sind darüber mit der KBV bereits im Gespräch.“ Auf Zustimmung stieß auch der Antrag, ein bundesweites apothekeninternes Informationssystem zum Retaxgeschehen aufzubauen: „Diese Schnittstelle erleichtert den Apotheken und den Verbänden die Bearbeitung der Retaxationen“, hieß es im Antrag. Außerdem soll die ABDA ein Informationssystem über nicht mehr im Verkehr befindliche Arzneimittel aufbauen.

Ob und wie die vom DAT angenommenen Anträge ihre Wirkung entfalten werden, steht auf einem anderen Blatt. Die „Hauptversammlung der deutschen Apothekerinnen und Apotheker“ kann zwar Beschlüsse fassen, aber keine Entscheidungen treffen. Da die ABDA als Verein organisiert ist, treffen nur die 34 Mitgliedsorgansation alle verbindlichen Beschlüsse. Dort liegt das Haushaltsrecht und das Wahlrecht für die ABDA-Spitze. Der DAT ist somit als „Meinungsbildungsgremium“ relevant.

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