Verdauungsenzyme

Pankreatin: Wenn die Sau nicht liefert Carolin Bauer, 19.07.2016 14:13 Uhr

Berlin - 

Ein Grund für Lieferengpässe sind oft Qualitätsprobleme. Mit der Fleischproduktion haben sie normalerweise nichts zu tun. Anders bei Pankreas-Enzymen: Seit Monaten gibt es nicht ausreichend Bauchspeicheldrüsen von Zuchtsauen, um die Nachfrage nach biologischen Arzneimitteln mit hochdosiertem Pankreatin zu stillen. Die Hersteller können einen Ende des Engpasses nicht absehen.

Die verdauungsfördernden Stoffe werden aus den Bauchspeicheldrüsen von Schweinen gewonnen. Wie viel Ausgangsmaterial für die Verarbeitung zur Verfügung steht, hängt von der Fleischproduktion ab – und die wiederum von den Ernährungsgewohnheiten der Verbraucher. Dazu kommt, dass für die Herstellung von Präparaten mit 40.000 Einheiten nach Europäischem Arzneibuch (Ph. Eur. E.) besonders hohe Konzentrationen an aktiven Enzymen benötigt werden. Der Markt ist leer gefegt.

So kann der Marktführer Abbott Kreon 40.000 seit Monaten nicht liefern. „In dem Bewusstsein, dass unsere Arzneimittel Menschen helfen, sind Qualität und Produktsicherheit unsere oberste Priorität. Wir gehen hier keine Kompromisse ein. Wenn die Ausgangsmaterialien unseren Qualitätsansprüchen nicht genügen, kann es daher in seltenen Ausnahmefällen zu einer eingeschränkten Lieferfähigkeit kommen“, sagt eine Sprecherin von Mylan. Der Generikahersteller hat die Verantwortung für die Altoriginale des Mutterkonzerns übernommen.

Bei Lieferengpässen unternehme man alles im Rahmen der Möglichkeiten, die Auswirkungen für die Patienten weitest möglich zu begrenzen. Dazu gehöre auch, alle Beteiligten unverzüglich informieren. „Unser Ziel ist es, Folgen einer solchen Situation zu minimieren.“

Wann Kreon wieder verfügbar ist, wollte die Sprecherin nicht beantworten. Nur soviel: „Als Qualitätsunternehmen bieten wir direkte Lösungsvorschläge: beispielsweise den Austausch auf generische Alternativen im Markt und Informationen zur Abgabe von eigenen alternativen Packungs- und Dosierungsgrößen zum Ausgleich der Lieferverzögerung einzelner Packungen.“

Tatsächlich ist ein Austausch oft unmöglich: Auch Ozym (Trommsdorff), Pangrol (Berlin-Chemie) und Panzytrat (Aptalis) sind in der hohen Dosierung allenfalls sporadisch lieferbar. Hier müssen die Apotheken auch noch mit Rabattverträgen umgehen, die Berlin-Chemie, Nordmark mit Pankreatan und Aptalis mit großen Kassen wie AOK, Barmer GEK, DAK, TK, KKH und einigen BKKen geschlossen haben.

Die Hersteller sehen den Ausfall von Mylan/Abbott als Ursache für die eigenen Defekte. Obwohl man die Produktion zuletzt verdoppelt habe, sei man nicht in der Lage, die sprunghaft gestiegene Nachfrage zu bewältigen und die Lieferengpässe auszugleichen, teilt etwa Berlin-Chemie mit. Hinweise auf eine Entspannung der Liefersituation in den kommenden Wochen und Monaten gebe es derzeit nicht.

Auch Nordmark, laut eigenen Angaben zweitgrößter Hersteller von Pankreatin, kann derzeit kein Ende des Lieferengpasses der Stärke à 40.000 Einheiten absehen. Das Unternehmen mit Sitz in Uetersen empfiehlt als Alternative das eigene Produkt Pankreatan, das nur 36.000 I.E. enthält. „Pankreatan 36.000 war und ist nachhaltig verfügbar“, sagt Dr. Fritz Orth, Geschäftsführer des Tochterunternehmens Nordic Pharma Vertrieb. In der Regel raten die Hersteller, in Absprache mit den Ärzten auf die niedrig dosierten Varianten umzusteigen.

Mit Pankreas-Enzymen werden jährlich rund 50 Millionen Euro auf Basis der Herstellerabgabepreise (ApU) erwirtschaftet. Die biologischen Arzneimittel stehen auf der OTC-Ausnahmeliste und können Erwachsenen verordnet werden, bei denen es durch eine verminderte Funktion der Bauchspeicheldrüse zu Verdauungsstörungen kommt.

Zulässig ist auch die Verordnung bei chronisch exokriner Pankreasinsuffizienz, einer funktionellen Unterfunktion der Bauchspeicheldrüse nach Magenentfernung, wenn Fettstuhl vorliegt, sowie bei Mukoviszidose.