Schmerzmittel

Ibuprofen zum Kleben Dr. Kerstin Neumann, 11.12.2015 13:25 Uhr

Berlin - 

Forscher der Universität Warwick haben einen Weg gefunden, Ibuprofen in hohen Dosen mittels eines transdermalen therapeutischen Systems (TTS) zu applizieren. Ein transparentes Polymerpflaster kann hohe Mengen des Wirkstoffes aufnehmen und über mehrere Stunden konstant freisetzen. Es wäre das erste Ibuprofenpräparat in Pflasterform.

Matrixpflaster mit Opiaten sind in der Schmerztherapie gut bekannt, die Wirkstoffe werden aber aufgrund ihres Abhängigkeitspotentials nur bei schweren Erkrankungen eingesetzt. Wer sich im Alltag mit Rücken- oder Kopfschmerzen herumplagt, greift entweder zu Wärmepflastern oder schluckt Tabletten; bei Sportverletzungen oder Entzündungen werden außerdem Cremes oder Salben verabreicht.

Die Darreichungsformen haben aber auch Nachteile: Wärmepflaster wirken rein physikalisch und helfen nur begrenzt gegen Schmerzen. Tabletten sind zwar wirkungsvoll, können aber unangenehme systemische Nebenwirkungen hervorrufen. Und bei Salben ist eine akkurate Dosierung schwierig. Nach Vorstellung der englischen Wissenschaftler wäre die Verwendung von TTS mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) daher für viele Patienten die beste Darreichungsform.

Wichtigste Voraussetzung ist, dass der verwendete Wirkstoff überhaupt resorbierbar ist. Ibuprofen erschien den Forschern als Testsubstanz für die Entwicklung eines neuartigen Pflasters gut geeignet. Dieses sollte so konzipiert sein, dass auch große Mengen des Wirkstoffes gespeichert und in konstanten Dosen abgegeben werden können. Bisher gebräuchliche Materialien verloren bei hohen Wirkstoffkonzentrationen ihre Adhäsivkraft auf der Haut: Die Pflaster lösten sich ab.

Für die Entwicklung wurde eigens die Firma Medherant gegründet. Mit Hilfe von Forschungsgeldern bauten die Ingenieure ein transparentes Pflaster aus einer speziellen Polymermatrix, welches mit Ibuprofen beladen wurde. Das Besondere daran: Der applizierte Wirkstoff kann bis zu 30 Prozent der Gesamtmasse des Pflasters ausmachen – im Vergleich zu bislang gebräuchlichen Pflastern ein enorm hoher Wert.

Für die Behandlung akuter Schmerzen eignet sich das Pflaster allerdings nur bedingt. Pro Stunde werden maximal 100 mg Ibuprofen freigesetzt. Vorteile ergeben sich aber durch die konstante Wirkstoffzufuhr über den längeren Zeitraum. Mit dem Pflaster können nach Aussagen von Medherant etwa fünf- bis zehnmal höhere Dosen verabreicht werden als durch das Auftragen eines Gels.

Ein weiterer Vorteil der neuen Matrix: Auch mit einem hohen Masseanteil des Wirkstoffes löst das Pflaster sich nicht von der Haut ab. Über einen Zeitraum von zwölf Stunden blieb die Klebefähigkeit konstant. Trotz der guten Adhäsion sei das Pflaster schmerzfrei und ohne Rückstände zu entfernen.

Medherance ist derzeit auf der Suche nach Vertriebspartnern für sein Schmerzpflaster. In zwei Jahren will Geschäftsführer Nigel Davis sein Produkt auf den Markt gebracht haben. Das nach eigenen Aussagen weltweit erste Ibuprofenpflaster soll rezeptfrei in die Apotheken kommen, so das Ziel.

Mit der neuen Technologie sollen außerdem weitere Optionen für eine transdermale Therapie geschaffen werden. Nach Ansicht der Forscher könnten nun auch Wirkstoffe über die Haut verabreicht werden, die bislang nur eingenommen oder gespritzt werden konnten. Die Anwendung wichtiger Medikamente könnte so deutlich angenehmer für den Patienten werden und die Compliance erhöhen – schließlich müsse nicht mehr an eine regelmäßige Einnahme des Medikamentes gedacht werden.